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Was wir in Zeiten von Rogue-Zyklen brauchen: NieR Replicant ver.1.22474487139

Aus einer anderen Zeit, für unsere so spannend.

NieR war anders als alle anderen. Damals. In der Zeit vor den Indies. Ein Spiel, das mit Stimmungen, Perspektiven, Erwartungen und Mechaniken experimentiert als gäbe es kein Morgen und keinen Massengeschmack. Es war ultimative Design-Freiheit in einer Zeit zwischen zwei Perioden ungezügelter Kreativität. Die einfachen Tage, in denen jeder machen konnte, was er wollte, wenn er nur fünf Entwickler zusammenbekam, waren 2010 eine Weile schon vorbei und der Urknall der Welle an großen unabhängigen Produktionen musste erst noch anlaufen. Außerdem kam es aus Japan und war vom Macher einer immerhin dort erfolgreichen Serie, also durfte es die Welt verwirren und verzaubern. NieR passte nicht in seine Zeit und das machte es so aufregend. Es passt aber wunderbar in unsere Zeit. Was also ist sein Platz jetzt?

NieR ist NieR und das wird immer etwas Besonderes sein.

Nun, eigen ist NieR Replicant ver.1.22474487139... immer noch - ja, das ist der volle Name, alles Teil des mitunter gewollten Verkopften. Selbst mit all den Indie-Experimenten da draußen, es hat seinen Stil, den man nicht so leicht kopieren kann. Die eigentlich kleine Welt, die trotzdem weit, groß und trostlos wirkt. Die eine Leere vermitteln, die es schafft, euch glauben zu lassen, dass zumindest die menschliche Zivilisation sich weitestgehend erledigt hat. Der außergewöhnliche Soundtrack, mittlerweile eines der legendärsten Stücke japanischen Gaming-Musik-Geschichte, auf einem Level mit den Final Fantasys und Silent Hills, steht nach wie vor Kopf und Schulter über so vielem, was sich da auch nur in die Nähe traut. All das macht NieR so leicht keiner vor oder nach und das merkt man schon in den ersten Stunden dieser Rückkehr.

Statt Vater und Tochter nun Bruder und Schwester

Nicht, dass ich über viel reden könnte. Japanische NDAs sind immer etwas Besonderes und so halte ich mich zum einen an das Vage, zum anderen an die Technik dieses Mittelwegs zwischen Remaster und Remake. Bleiben wir noch kurz beim Vagen und das ist der eigenwillige generelle Mix aus Action und RPG. NieR ist weit davon entfernt ein Bayonetta oder DMC zu sein, so wenig wie Automata das am Ende war, selbst wenn es von Platinum kam. Ihr habt zwei Basisangriffe mit dem Schwert, mal Mashing, mal Halten und ein paar Kombos.

Was wollen mir NieRs Welten sagen?

Es ist simpel, schnell und effektiv. Die Würze bringt dann Grimoire Weiss mit rein, ein sehr von sich selbst überzeugtes Buch, das um euch kreist, Gegner mit allen möglichen Zaubern unter Feuer nimmt und das Wechselspiel aus Nah- und Fernkampf ermöglicht. Zusammen habt ihr hier ein ausgesprochen solides System, das davon profitiert, dass das Team bereits damals gern die Idee über den Haufen warf, dass ein Spiel immer nur ein einer Perspektive laufen muss. Mal wechselt ihr in eine Art 2D-Plattformer, dann spielt ihr Top-Down. Und dann gibt es da ein paar Momente, die man einfach erleben muss, um zu glauben, wie sehr ein Spiel bereits 2010 unverschämt mal eben alles auf den Kopf stellte, was es zu sein vorgibt.

Mal kurz die Perspektive und das komplett Spielgefühl wechseln, das macht Nier zu gern.

All diese Dinge sind noch da, natürlich, aber sie laufen nun sehr viel besser. Nicht, dass NieR damals ein übertrieben technisches anspruchsvolles Spiel gewesen wäre, aber es machte immer ein wenig den Eindruck, als würde es gleich auseinanderfallen und irgendeine Textur mit Scheppern zu Boden gehen. Diesen Charme musste es nun zugunsten fester Framerates und damit verbunden sehr viel flüssiger Animationen aufgeben. NieR: Replicant Remake Version 934879587trziugero459390 spielt sich so flüssig wie Automata, was einen viele lange Laufwege fast noch ein wenig schmerzhafter näherbringt. Ihr lauft viel, oft zwischen den gleichen Punkten hin und her, das passiert immer noch. Einem niederen Spiel würde ich schlechtes Design vorwerfen, hier denke ich, dass NieR mir etwas sagen möchte. Ich bin nicht sicher was, ich weiß nicht, ob ich es hören will, aber es lässt nicht davon ab.

Flüssiger, höher aufgelöst, detaillierter. Aber besser...?

Also kämpfe und laufe ich so flüssig wie nie zuvor im alten NieR herum und erfreue mich an der neuen Schönheit der Landschaft. Das könnte dem einen oder anderen hier so ähnlich ergehen wie zuletzt in Demon's Souls, das ebenfalls unter einem milchigen Weißschleier im Original mit möglichst niedriger Polygonzahl eine ganz besondere Atmosphäre schuf. Die eigentlich viel zu weiten Landschaften von NieR zeichnete damals ebenfalls diese Qualität aus. Nun habt ihr immer noch die Leere und Weite, aber scharf gezeichnet und detailliert und es ist eine leicht andere Atmosphäre. Näher dran an einer plastisch greifbaren Apokalypse, in der Menschen in der Umwelt keine große Rolle mehr spielen, aber auch die Natur ein wenig Pause macht. Jenseits von Gras und Schafen scheint es nicht viel zu geben, davon aber beides genug. Selten wirkte eine Schafherde auf einer sonnigen grünen Wiese bedrückender.

So nah geht die Kamera nicht ran.

Es werden Romane darüber geschrieben werden, wie sich dieser Wechsel des polierten Looks auf die Atmosphäre und die Message jenseits der inhaltlichen existenzialistischen Fragen innerhalb der Geschichte auswirkt. Die harten Fans des Yoko-Taro-Verse werden sich darüber die Köpfe einschlagen - oder einfach sagen, dass früher alles besser war. Ich nicht, da ich NieR vor allem spielen möchte, ohne das Leben an sich zu hinterfragen und da kommen mir all die Änderungen, Aufhübschungen und auch die nun vollständige Synchronisation aller wichtigen Figuren sehr gelegen. Wobei auch da wieder... Es ist schon eine andere Stimmung, wenn man nun die Sprache hört und nicht mehr das Gefühl dieses sich fast improvisiert anfühlenden Abenteuers des Originals hat... Wie gesagt, Romane.

Eine wichtige Änderung für uns im Westen ist natürlich der neue, sehr viel jüngere Hauptcharakter, denn statt Vater und Tochter dreht sich der Kern nun um Bruder und Schwester. Wir hatten hier nur "NieR: Gestalt", das in Japan nur für die 360 erschien. "NieR: Replicant" erschien damals nur in Japan, nur für die PS3 und mit dem jüngeren Duo. Dementsprechend ist das also nun das erste Mal NieR: Replicant für die ganze Welt. Die neue Version biete neben der Grafik und Vertonung den originalen Soundtrack zur Auswahl oder einen Remix. Hier zu sagen was besser ist, ist ungefähr als würde man fragen, ob denn nun die sixtinische Kapelle oder doch die Mona Lisa die höhere Kunst ist. NieR hatte immer einen der ungewöhnlichsten, ergreifendsten Soundtracks, dem es gelang, sein eigenes Spiel zu vereinnahmen und mitzugestalten. Ohne seine Musik wäre NieR ein anderes Spiel. Und es ist kaum ein Score vorstellbar, bei dem es ein besseres wäre.


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Wir brauchen NieR: Replicant. Gerade jetzt.

Damals erntete NieR eine eher magere Wertung auf Metacritic, aber das zeigt nur einmal mehr, wie irrelevant diese Zahlen manchmal sein können. Für manche ist NieR ein fehlgeleiteter, nicht sonderlich spaßiger Paradiesvogel von der Sorte, die nur aus Japan kommen kann. Für andere war es ein philosophisch-spirituelles Erweckungserlebnis. Ich selbst bin ein großer Fan des Originals, aber weniger für seine durchaus vorhandene Tiefgründigkeit. Sondern weil es einfach ständig mit Erwartungen spielt, nicht einmal die Definition seines Genres so genau nimmt und einfach ist, was es sein möchte und das in jedem Moment neu umgestalten kann. Mal mehr, mal weniger dramatisch dekonstruiert es die ungeschriebenen Verpflichtungen eines Spiels an einen gewählten Ablauf und lässt mich aus der Routine aufschrecken. In Zeiten ewigen Rogue-Zyklen kann ich das definitiv wieder häufiger gebrauchen. Das wird auch das sein, wofür ich euch in Kürze NieR Replicant ver.1.22474487139...am meisten ans Herz legen werde.


  • Entwickler / Publisher: Toylogic / Square Enix
  • Plattformen: PS4, PS5, PC, Xbox Series, Xbox One
  • Release-Datum: 23. April 2021

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