Was zur Hölle ist "Shower with your Dad Simulator 2015"?
Grünes Licht auf Steam und eine Theorie.
Das oft etwas mitleidig belächelte Genre der Simulationen, das vom Fernfahrer bis zum Bauern vermeintlich triviale Alltagstätigkeiten in virtuelles Spielgut umsetzt, provozierte bereits die eine oder andere Parodie. In Surgeon Simulator hat offenbar der schwedische Koch aus der Muppet Show ("Smörebröd, smörebröd, römpömpömpöm") die Pfannen gegen Skalpelle getauscht. Und in Goat Simulator malträtiert man eine unbeeindruckt aussehende Ziege nach allen ragdollenden Mitteln simulierter Physik durch eine Wohngegend, um nur zwei zu nennen. Beides Titel, die der simulierten Ernsthaftigkeit eingebildeten Berufslebens wieder etwas ungezügelten Spaß abtrotzen wollen - oder, wenn man es zynischer sieht, mit ihrem vollauf ironischen Wesen populäre YouTuber ködern.
Vor ein paar Wochen warb auf Steam Greenlight der jüngste Kandidat für eine dieser (oder beider) Kategorien für seine Sache. Der "Shower with your Dad Simulator 2015". Kaum zu glauben, dass mich der Titel noch immer zum Schmunzeln bringt, aber so ist es nun mal. Mittlerweile hat das Spiel in der basisdemokratischen Abstimmung grünes Licht erhalten, es wird also tatsächlich auf Steam herauskommen. Die Community hat gesprochen - und sie will nackte Pixelväter mit ihren Kindern duschen sehen. Aber ist das Spiel auch das, was es zu sein vorgibt? Einige Indizien deuten darauf hin, dass vielleicht doch mehr dahinter steckt als blankziehende Provokation prüderer Elemente.
Ok, ich merke schon beim Schreiben: ohne geht es nicht. Bevor es weitergeht, einmal durchatmen, und diesen Trailer hier anschauen:
Was da als frisch gewaschene Version von Kanye Wests "Power" über den Bildschirm flimmert, setzt den grundpeinlichen Gedanken in einen unschuldigen, ja, lustigen Kontext, der die scherzhafte Natur dieses Titels nur unterstreicht. Das Gameplay tut seinen Teil dazu, wie Schnipseln aus dem eigentlichen Spielablauf zu entnehmen ist: Drei "Väter" stehen zufällig verteilt und wie Gott sie pixelte in einem Duschraum und machen ihr seifiges Ding: Einer blass, einer braungebrannt, einer dunkelhäutig. Ein Kind erscheint, das farblich zu einem der Väter passt. Steuert es zum entsprechenden Elterntier und - zack - setzt es Punkte und es geht blitzschnell zum nächsten Bildschirm. Baut ihr Mist, steht das Kind beim falschen Vater und das ist natürlich "awkward", also peinlich. Kennt ja jeder.
Auf die Essenz runtergebrochen hat das den kurzlebigen Reiz und das Tempo eines Wario-Ware-Minispiels. Auch wenn "Shower" einen Kombozähler hat, der Serien addiert und euren Highscore protokolliert. Aber im Grunde war's das auch schon. Das taugt nicht als "Pewdibait" (oben bereits erwähnter YouTuber-Köder), denn der Witz erschöpft sich bereits in dem Titel und von Early Access ist bislang ebenso wenig zu sehen. Gleichzeitig ist es kein wirklicher Simulator, das Wort nimmt nur am Ende des Titels Platz, um Assoziationen zu wecken, die erwachsenen Menschen, Männern vor allem, die Schamesröte ins Gesicht treiben.
Was also soll das? Für einen reinen Scherz ist jeder der Trailer viel zu gut gemacht. Hier stecken Arbeit und Aufwand drin und die sparsame Art-Direction ist zu stimmig, um an einem Nachmittag von einem betrunkenen Studenten zusammengezimmert worden zu sein. Dazu kommt die nebulöse Herkunft des Titels. Tagelange Recherche brachte keine Erkenntnisse über den frisch aufgesetzten Steam-User Level 1 namens "Showerdad", der das Spiel bei Greenlight einreichte. Es wird kein Entwickler genannt, was Interviewanfragen und jegliche Berichterstattung unmöglich macht. Fast scheint es, als bestehe man felsenfest auf virale Verbreitung. Vielleicht, weil jedes Wort zu viel gesagt wäre, wenn es um die wahre Natur dieses Spiels geht?
Immerhin über zusätzliche Spielmodi spricht man. Und hier liegt vielleicht ein Hinweis versteckt: Neben "Endurodad", "Dadathlon" und "Daddiosurf" wird dort auch "Dad Divisions" genannt. Hier, bei der Division, einem mathematischen Begriff, wird es interessant: 2012 veröffentlichte ein kleiner Entwickler namens Twinbeard ein kostenloses Flash-Spiel namens Frog Fractions ("Frosch-Brüche"). Der unbedingt empfehlenswerte Titel tarnte sich als Mathematik-Lernspiel über Bruchrechnung und sah sogar genau so aus wie billig produzierte Lern-Games aus den Neunzigern. Nur, dass Frog Fractions einem absolut nichts über Brüche beibrachte. Stattdessen entbrannte eine Nackte-Kanone-artige, himmelschreiend komische Nonsens-Reise in jeden noch so unerwarteten Winkel der Videospielkultur. Nie wusste man, was im nächsten Abschnitt passieren würde, fast immer aber lachte man sich scheckig.
Twinbeards Jim Crawford gab zu verstehen, er habe Frog Fractions bewusst die wildesten inhaltlichen Sprünge machen lassen, um in einer Zeit immer umfassenderer Vorabberichterstattung über Spiele den "Hauch des mysteriösen zu bewahren, den sie in den 1980ern noch hatten". In seinem erfolgreichen Kickstarter vom letzten Jahr sammelte er über 72.000 Dollar für Frog Fractions 2, das - so betont er in seinem Pitch - nicht Frog Fractions 2 heißen werde.
Tatsächlich werde man im Vorfeld nicht wissen, in welcher Form es auf den Markt kommt: "Ich werde es vermutlich 'Lost Kingdom: Reckoning von Fork Bomb LLC' oder 'Turbo Finance 2015 von Vespenta Holdings' nennen. Dir scheint diese russische Flugsimulation auf Desura verdächtig? Probier sie besser aus, um sicherzugehen. Vielleicht ist es [Frog Fractions 2] auch ein Plug-in für Bonzi Buddy und du entdeckst es, als dein Opa dich fragt, ob du seine E-Mails nicht etwas beschleunigen könntest. Moment, spielst du vielleicht in diesem Moment schon Frog Fractions 2?"
Also, Frog Fractions - Dad Divisions. Frosch-Brüche - Vater-Teilung. Hält sich da ein Hinweis versteckt? Hohe Produktionswerte, professionelle, aber mysteriös einsilbige Ankündigungsweise, und dünnes Gameplay, das unmöglich alles sein kann. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass es sich bei "Shower with your Dad Simulator 2015" um Frog Fractions 2 handelt. Ein Spiel, das mehr ist, als es den Anschein hat, bei dem man im zweiten Akt auf den Mond reist, um zusammen mit seinem Vater eine Werkstatt zu eröffnen, die sich auf Gepäckträger für Einräder spezialisiert, bevor man als Rettungskraft in einer Spiegelwelt Waldüberschwemmungen mit Feuern löscht. Oder aber es ist tatsächlich schlecht gemachter YouTube-Köder mit haargenau einer guten Idee - dem Titel - der genau so schnell wieder verschwindet, wie er grünes Licht erhielt. Hiermit überlasse ich euch das Feld zum Spekulieren. Aber immer dran denken: "No one Dad should hog all that Shower!"