WASD - Texte über Games - Buch-Rezension
New Gaming Journalism in Deutschland? Und dann auch noch gedruckt? Verwirrend... but also butterfly. (inkl. Leseprobe)
WASD - Texte über Games ist eine frisch gestartete Buch-Reihe mit Anspruch, vor allem an sich selbst. Alternativer Spielejournalismus möchte es sein - New Gaming Journalism, anyone? - und auf diesem Weg nicht nur Spieler, sondern genauso alle anderen ansprechen. Es soll die Art von Texten auf seinen etwa 200 Seiten bieten, die der ehemalige stellvertretende Gamestar-Chefredakteur Christian Schmidt letztes Jahr in seiner "Brandrede" auf Spiegel Online ansprach und die in ihrer Deutlichkeit und Aussage auf sehr gemischte Reaktionen stieß.
So oder so, es ist wohl nur angemessen, dass er den ersten von etwa 20 Texten liefert, die sich alle um ein Thema drehen: schlechte Spiele. Rezensionen zu solchen zu schreiben, ist ja der Sonntagsspaziergang des Testers. Die Sonne scheint, man darf sich austoben und alle freuen sich. Außer vielleicht der Entwickler, aber einen trifft es ja immer. WASD geht das Thema etwas anders an, eigentlich von jedem Blickwinkel, den man wählen kann, ohne ein schlechtes Spiel direkt zu besprechen. Die Ausgabe nennt sich dann ja auch "Tasty Trash", leckerer Müll. Yummy.
Ein Text dreht sich darum, was Spiele eigentlich leisten müssen, um von Schrott auf Trash der kultigen Sorte geadelt zu werden. Der nächste berichtet, wie Civilization mit seinem Suchtfaktor Lebensplanungen zerstört, was ein "gutes" - oder ist hier doch eher "nettes" gemeint? - Spiel wohl nicht tun würde. Es folgen ein Abstieg in die 80-Cent-Gefilde des App-Stores, traumatische Erinnerungen an einen Pit-Fighter-Automaten oder die Frage, warum Schlechtes manchmal einfach so viel Spaß macht. Das zentrale Thema wird dabei mitunter zwar eher gestreift als im Kern gepackt, aber da der so genau dann eh nicht definiert wurde, geht das völlig in Ordnung.
Im zweiten Teil des Buches folgen ein Dutzend Rezensionen. Wiederrum frei nach dem Motto "mach Dein Ding" bringt jeder der Autoren - immer nur ein Text pro Frau oder Mann - es auf den Tisch. Alles, wonach ihm gerade war. Darüber wird dann erzählt, was bewegte und das hat ganz im Sinne des Konzepts nichts mit einer normalen Spielerezension zu tun. Trine 2 als zoologische Versuchsbetrachtung, Battlefield als "warum schießen hier alle aufeinander?", der Landwirtschaftssimulator als Ansichten über Kapitalismus ohne Konsumzwang. Wildes Zeugs halt. Wundervoll. Als hochseriöse Kaufberatung? Meh, aber war eh nie so gedacht.
Den Abschluss der ersten Ausgabe bilden eine knappe Handvoll Kurz-Essays einmal quer durchs Feld. Spielejournalismus ist eines der Themen, die direkte Verbindung von Civilization und Geopolitik ein anders, worum es in Alltag 3.0 ging, weiß ich nicht so genau. Ich glaube darum, dass der Arzt 1-Ups verteilen sollte. Von mir aus, macht den Arztbesuch einfach.
Das Autorenfeld von WASD ist so weit gefächert, wie es die Auslegungen des Themas oder die Bandbreite der besprochenen Spiele ist. Journalisten, Blogger, Doktoranden oder Spieleentwickler. Am Rande hat jeder irgendwie mit Spielen zu tun oder macht zumindest "was mit Medien". Ein durchaus gelungener Mix und auf diese Weise wisst ihr nie so genau, was auf der nächsten Seite folgt. Durchaus eine ganz große Stärke von WASD. So wie man sich durch ein nicht beschriftetes Mix-Tape arbeitet und sich immer auf den nächsten Song freut.
Wie auch bei diesen Tapes sind nicht alle Versuche perfekte Treffer. Welche der Texte euch gefallen werden, lässt sich angesichts der Bandbreite, der extrem persönlichen Ausrichtung und der damit verbundenen Abhängigkeit zu persönlichen Geschmäckern unmöglich vorhersagen. Die Sprachqualität ist durchgehend hoch, nur dass selbst für meinen Geschmack da ein paar zu viele Anglizismen durch die Zeilen toben - muss wirklich jede Artikelüberschrift englisch sein? Ist in der Genre-Ecke aber nichts Ungewöhnliches und bekam ich für jeden Text, der mir nichts gab, außer der Frage, warum der Autor, darüber sprechen wollte, mindestens zwei, die diese Frage auf unterhaltsame und/oder intelligente Art beantworten.
Um jetzt noch mal kurz objektiv zu werden: 200 Seiten hätten wir da, durchgehender Farbdruck, der mit teilweise künstlerisch wertvollen, teilweise schwer zu deutenden und teilweise sehr nerdigen, aber nie willkürlich wirkenden Bildern die klar dominierenden Texte auflockert. Stabile Bindung, angenehm festes Papier, eine sehr leserfreundliche Schriftart und vor allem kein einziges Verbrechen gegen den Kontrast zwischen Seite und Text. WASD kommt dem Leser entgegen, wo es nur geht. Das ist auch ganz gut so, denn der Preis liegt mit 14,50 Euro plus Versand auf jedem Fall im Segment sehr ernsthafter Fachpublikationen. Da kommt die Wahrnehmung als Buch-Reihe mit halbjährlichen Rhythmus ganz gelegen. Für ein Fachbuch ist es dann wieder recht preiswert. Wer möchte, kann eine "Print ist super!"-Spende von 5 Euro extra zahlen, um die Idee des gedruckten Wortes zu unterstützen. Schließlich ist mit einer Auflage von 2.000 Stück kein Bestseller zu erwarten, sondern für den Moment eher eine Liebesbekundung der Herausgeber an ihre Vorstellung von Spiele-Texten und wie sie zu präsentieren sind.
Die Frage ist am Ende, ob ich meine hier mal ganz privat und brav bezahlten 20 Euro bereue? Die Antwort ist: "Natürlich nicht". 200 Seiten voller Liebe zum Hobby, selbst wenn diese in Einzelfällen holperig vorgetragen wird, machen einfach Spaß zu lesen. In einigen Texten erkennt man sich ein wenig selbst wieder, über ein paar kann man sich aufregen, was ja auch von Zeit zu Zeit nett ist und andere erinnern einen daran, warum man sich überhaupt mit Spielen so gern auseinandersetzt. Kann WASD jedoch dem Nicht-Spieler etwas geben? Ich bin mir nicht sicher. Tests verliefen eher gemischt erfolgreich, aber wahrscheinlich war die Erfolgsquote höher als es mit harten Tests der Fall gewesen wäre. Insoweit kann WASD wohl einen Achtungserfolg verbuchen. Aber das dürfte euch als Spieler eh vergleichsweise egal sein und als solche könnt ihr dem Buch/Magazin ruhig eine Chance geben.
Auf der nächsten Seite findet ihr eine Leseprobe aus WASD - Texte über Games: Tasty Trash. Christof Zurschmitten erklärt euch, was Paragaming ist und warum es "über die gesprengte Hirnschale zum Herz" geht.
Solltet ihr nach dieser Lektüre oder schon jetzt überzeugt sein und wollt WASD bestellen, dann könnt ihr das hier auf der Seite des Sea of Sundries Verlags, Sitz in München, tun. Bezahlen lässt sich dort mit PayPal, Sofortüberweisung oder Vorkasse.