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Watch Dogs: Bad Blood - Test

Und noch immer wissen sie nicht, wie man gute Charaktere schreibt.

Während meiner Zeit mit Bad Blood, dem ersten Story-DLC für Watch Dogs, wollte ich das Spiel die ganze Zeit würgen. Nicht, weil es wirklich schlecht war, sondern weil es an jeder Stelle hinter dem eigenen Potenzial zurückblieb. Es frustriert mich einfach, mitansehen zu müssen, wie ein Titel auf die Ziellinie zuläuft, nur um kurz davor hinzufallen.

Die Handlung ist ein perfektes Beispiel. Nachdem Aiden aus Chicago floh, will nun auch Raymond den gefährlichen Ort verlassen. Am letzten Tag vor der geplanten Abreise erreicht ihn jedoch ein Hilferuf seines alten Kollegen Tobias, der mittlerweile sein Dasein als verrückter Penner fristet. Die ungeplante Rettung seines exzentrischen Freundes startet eine kurze Handlung, in der Raymond mit der eigenen Vergangenheit und den Konsequenzen seiner Taten konfrontiert wird.

An den wunderbaren Nahkampfanimationen kann ich mich nie sattsehen.

Hört sich im ersten Moment ziemlich super an. Doch jedes Mal, wenn es fast zu einer intelligenten und emotionalen Szene kommt, zieht Bad Blood den Stecker und schickt euch lieber zum nächsten Massenmord. Einige Gespräche zwischen Raymond und Tobias deuten auf eine komplizierte Vergangenheit hin, die leider nie richtig erklärt wird. Auch die Auflösung ihres Konflikts wirkt kurzfristig und unrealistisch. Raymond behandelt Tobias die gesamte Zeit über wie unnötigen Ballast und nur in den seltensten Momenten wie einen Freund. Er wirft seine Verantwortung für vergangene Fehler sofort von sich ab und zeigt nur in einem oder zwei Sprüchen überhaupt einen Ansatz von Reue. Doch plötzlich sind zum Abspann beide wieder beste Freunde, weil es die Handlung so haben will. Wer braucht schon einen nachvollziehbaren Charakterwandel?

Gleiches gilt für den späteren Kampf gegen den Hacker Defalt. Auf einmal weiß Raymond, warum ihn der berühmte Deadmau5-Klon so sehr hasst, ohne dass wir es als Zuschauer vorher genau mitbekommen haben. Genau wie im Hauptteil hatte ich ständig das Gefühl, jeder Charakter weiß mehr als ich. Es ist eine teils amateurhafte Erzählstruktur, die das überaus interessante Konzept des DLCs nicht im Geringsten ausarbeitet.

Leider müsst ihr den Fertigkeitenbaum auch für Raymond noch einmal komplett freischalten.

Stattdessen schickt man euch als Raymond durch zugegebenermaßen abwechslungsreiche Set-Pieces, die ich im Hauptspiel so vermisste. Eine Reise zu einer Insel samt verlassenem Herrenhaus oder ein Abstecher in eine mit Fallen versehene Hackerbasis gehören genau zu den Umgebungen, die Watch Dogs dringend benötigte. Nur leider fehlt ihnen durch die schlechten Dialoge jeglicher Inhalt. Wenn ich Defalt auf den Spuren bin und sein Lager durchsuche, reicht eine coole Kulisse nicht aus, um den Moment spannend zu gestalten. Ja, die Jagd macht sicherlich Spaß, dennoch bleiben die Szenen ohne Inhalt und bedeutungslos. Es fehlt die persönliche Involvierung des Spielers, der die Szenen auch aus emotionaler Sicht großartig findet. Da reichen ein paar schick angeordnete Neonröhren oder verunstaltete Schaufensterpuppen nicht aus, um die Leere zu füllen.

Immerhin traut euch Bad Blood wesentlich mehr zu, als es Aidens Abenteuer tat. Langweilige Kurzmissionen, in denen ihr praktisch nur eine kleine Aufgabe übernehmt, existieren nicht. Alle zehn Storymissionen erfordern die gewohnte Kombination von Action und Stealth, die hier wesentlich besser funktioniert als im Hauptspiel. Denn die Level sind gekonnt darauf zugeschnitten mit einer größeren Herausforderung.

Zusammen mit einem Freund oder Fremden spielen sich die monotonen Nebenmissionen etwas angenehmer.

Anders spielt sich Raymond nicht, verglichen mit Aiden. Beide besitzen die gleichen Fähigkeiten. Die einzige Neuerung besteht in einem kleinen, ferngesteuerten Auto. Mit den richtigen Upgrades dürft ihr den Miniwagen sogar in die Luft sprengen oder Feinde bewusstlos schocken. Leider ist es das einzig neue Element des Spiels. Denn auch bei den Nebenmissionen bedient sich Bad Blood an den alten Formeln. Fixer-Aufträge, kleine Fahrmissionen oder Bandenverstecke warten auf eure Eroberung. Sogar die beiden Investigationen würfeln nur die einzelnen Mechaniken aus Watch Dogs neu und ohne einen frischen Ansatz zusammen.

Zumindest der Koop-Modus ist eine nette Idee. An mehreren Punkten in der Stadt könnt ihr euch mit anderen Hackern verbinden und mit ihnen die Nebenaufträge erledigen. Auch wenn sich hier wenig am abwechslungsarmen Ablauf ändert, kann ich mir das Grinsen schlecht verkneifen, sobald ich in ein Bandenversteck fahre und mein Partner mit einem Granatwerfer ausgestattet auf dem Autodach hockt und alles in die Luft jagt.

Bad Blood ist auf keinen Fall eine schlechte Erweiterung, hat aber zu wenig Neues, um den Kauf für die meisten Leute zu rechtfertigen. Falls euch das Gameplay des Hauptspiels gefallen hat und ihr einfach nur das Gleiche in besseren Umgebungen haben wollt, könnt ihr gerne zugreifen. Erwartet aber bitte nicht, dass die Handlung irgendwas Interessantes mit den Figuren anstellt.

6 / 10

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