Weedcraft Inc - Test: Großunternehmer dank Gras …
… aber was ist das schon für ein Leben?
"Weedcraft Inc. untersucht das Geschäft der Produktion, Züchtung und des Verkaufs von Unkraut in Amerika..." - so fängt die deutsche Version der Steam-Beschreibung von Weedcraft Inc an. Haben wir es hier also mit einem Unkraut-Simulator zu tun? Natürlich nicht, es handelt sich stattdessen um einen ziemlich dummen Übersetzungsfehler des schönen Wortes Weed.
Gemeint ist natürlich Gras, Cannabis, Marihuana, Haschisch, Mary Jane. Tatsächlich will Weedcraft Inc nacherzählen, wie es sich anfühlt, als Gras-Dealer in den USA klein zu starten und dann ganz groß zu werden. Dazu strickt es eine nette Geschichte darum, dass euer Vater gestorben ist. Der hatte offenbar eine Krankheit, deren Symptome sich durch Marihuana lindern lassen, mutmaßlich Krebs. Und genau deshalb hat euer Bruder begonnen, es anzubauen. Jetzt aber gibt es eigentlich keinen Zweck mehr für die kleine Plantage im Elternhaus. Außer natürlich, naja: Geld zu verdienen. Denn ihr habt gerade euer BWL-Studium geschmissen (zu Recht!) und jetzt wisst ihr nicht so richtig, wohin mit eurem Leben. Warum also nicht die bruchstückhaften Erkenntnisse von der Uni nutzen, um ein geachteter Grasbaron zu werden?
Weedcraft Inc beginnt anders als andere Wirtschaftssimulationen. Hier könnt ihr nicht gleich zu Beginn schon Verkäufer dirigieren und Fabriken hochziehen, zunächst müsst ihr selbst ran. Im Elternhaus baut ihr unter schummrigen Glühbirnen und in Plastiktüten billigste Sorten Gras an. Ihr gießt und beschneidet sie, um ihr Wachstum zu beschleunigen und schließlich erntet ihr sie und bringt die paar Gramm zum nächsten Drogenumschlagspunkt, wo ihr sie zunächst an Obdachlose verkauft. Schon da bewegt sich Weedcraft auf einem schmalen Grat zwischen "Wir nehmen uns hier selbst nicht ernst" und "Wir wollen hier abbilden, wie es tatsächlich laufen könnte". Die Aufzucht der Pflanzen ist relativ realistisch in Szene gesetzt, sogar die Sorten, die ihr im späteren Spiel anbauen könnt, scheint es wirklich zu geben, wie ich mir habe sagen lassen: Purple Haze, Northern Lights und weitere.
Weedcraft läuft in Echtzeit ab. Was ihr beispielsweise konkret macht, ist: Pflanze anklicken, um sie zu gießen. Warten, bis ein Timer abläuft und die Pflanze beschnitten werden muss. Dann kurz den linken Mausbutton gedrückt halten und ihn im richtigen Moment wieder loslassen. Dann wieder die Pflanze gießen und das Spiel beginnt von vorn. Ihr könnt das Spiel auch jederzeit pausieren, aber in diesem Modus keine Handlungen durchführen, was euch später zum Verhängnis werden kann - aber dazu unten mehr.
Der Anbau als solcher fühlt sich jedenfalls tatsächlich weniger an wie ein Management-Spiel, sondern wie Klick-Arbeit. Glücklicherweise könnt ihr das später delegieren. Nach dem Anbau jedenfalls richtet ihr euch auf dem Schwarzmarkt einen hübschen Verkaufsort ein und gebt an, welche Sorte ihr verkaufen möchtet. Findet sich ein williger Kunde, bekommt ihr eine Nachricht und könnt das Zeug loswerden - für einen Preis, den ihr zuvor festgelegt habt natürlich.
Die Figuren, die euch das Zeug abkaufen, kommen allerdings relativ klischeebeladen daher - und noch dazu etwas unglaubwürdig. Den Obdachlosen, der mal eben 500 Dollar für eine Ladung Granddaddy Purple auf den Tisch knallt, werdet ihr in amerikanischen Großstädten wohl eher selten treffen und ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob hippe College-Sportler-Typen gerne Super Lemon Haze konsumieren. Aber gut, das ändert an den ansonsten durchaus gelungenen Mechaniken von Weedcraft nichts. Tatsächlich müsst ihr schon von Beginn an sehen, wo ihr bleibt, denn Konkurrenten machen sich auf dem Markt breit. Das bedeutet, dass ihr wahlweise euer Gras sehr viel billiger anbieten oder die Qualität signifikant erhöhen müsst. Das wiederum macht ihr vor allem, indem ihr die Zusammensetzung des Düngers anpasst. Jeder besteht aus jeweils drei Grundstoffen, die ihr auf einer Zehnerskala einstellen könnt. Ob eure aktuelle Einstellung funktioniert, erfahrt ihr nur, wenn ihr eure Pflanze gießt. Habt ihr die richtige Mischung gefunden, könnt ihr dafür natürlich auch wieder höhere Preise nehmen. Später könnt ihr Forschungspunkte ausgeben, um die richtige Mischung herauszufinden, zu Beginn ist das aber ein reines Ratespiel - oder ihr seht halt online nach.
Und wenn ihr euch schließlich eine goldene Nase verdient habt, verspürt ihr vielleicht den Wunsch, gar nicht mehr selbst anbauen zu wollen. Dann stellt ihr euch einfach ein paar Helferlein an, die in diesem Moment jedoch auch euren Ruin bedeuten können, weil sie nämlich zu Beginn außerordentlich schlecht arbeiten. Also versucht ihr, ihnen unter die Arme zu greifen. Ihr seht eigentlich nur Icons und einen Flur voller Marihuana-Pflanzen, aber in euch drin denkt ihr euch vielleicht: "Was kannst du eigentlich? Wofür bezahl ich dich?" Und das ist ein Problem, denn für den weiteren Spielverlauf seid ihr dringend auf Angestellte angewiesen - die euch aber gerade am Anfang nur Geld kosten und relativ wenig bringen. Sie gießen zu spät, sie beschneiden die Pflanzen nur mittelmäßig und bis sie mal genug gelernt haben, um das besser zu können, vergeht Zeit. Echtzeit. Aber: So beginnt er nun mal, der Weg vom Drogenproleten zum Drogenkapitalisten.
Weedcraft Inc kann wie schon beschrieben ziemlich stressig werden. Erst recht im weiteren Spielverlauf. Plötzlich drängen neue Dealer auf den Markt, die exzellentes Weed im Angebot haben, das ihr nicht liefern könnt. Vielleicht weil ihr eure Lampen noch nicht aufgerüstet habt, oder weil ihr keinen Luftentfeuchter habt. Solches Equipment braucht ihr nämlich dringend, um wirklich Top-Produkte zu produzieren und die sind teuer. Die Kunden verlangen mehr und besseres Gras und eure Angestellten arbeiten schlecht. Gleichzeitig rückt euch die Polizei auf die Pelle, eure Stromrechnung ist dank allzu heller Leuchten mehr als verdächtig und der Geruch dringt bis auf die Straße. Eigentlich müsstet ihr expandieren und neue, qualifiziertere Mitarbeiter einstellen, aber dafür fehlt schlicht das Geld und so kann es passieren, dass ihr schlicht und ergreifend wieder selbst hinlangen müsst, um das Business am Leben zu erhalten.
Also geht das alte Klickspiel wieder los: gießen, beschneiden, gießen, beschneiden. Monotone Arbeit, die ihr eigentlich schon hinter euch gelassen haben solltet und wolltet, denn ihr habt eigentlich besseres zu tun. Euer Verhältnis zur Polizei verbessern beispielsweise. Das geht über einen ziemlich kostspieligen Fähigkeitenbaum. Oder ihr richtet in eurem Elternhaus einen Burgerladen ein, als Geldwäschemöglichkeit und vielleicht auch, um den ständigen Grasduft ein wenig mit dem Fettduft zu übertünchen.
Aber: Es gibt einen Ausweg aus dieser Misere. Ihr könnt es im Verlauf des Spiels tatsächlich schaffen, in die Legalität zu gelangen, als medizinisches Unternehmen nämlich. Bis dahin vergeht aber relativ viel Zeit und es gibt viele Momente, die euch das Genick brechen können. Beispielsweise, wenn ihr euch allzu sehr auf eure Angestellten verlasst. Immer wieder seht ihr besser auf den vorhandenen Plantagen nach, ob die Pflanzen auch tatsächlich regelmäßig gegossen und beschnitten werden und allzu oft ist das eben nicht der Fall, was sich in heftigen Geldeinbußen äußert. Denn: Wo kein Gras produziert wird, gibt es auch keines zu verkaufen, ihr habt schlichtweg nichts anzubieten.
Ihr könnt übrigens auch noch in andere Städte expandieren, aber das macht besagtes Micromanagement nur noch komplizierter. Je länger ihr Weedcraft spielt, desto schneller müsst ihr mit der Maus sein und bitte dabei auch nie den Überblick über eure komplexer werdenden Geschäftsstrukturen verlieren. Das fühlt sich monoton und chaotisch gleichzeitig an und genau das hat mir leider nach relativ kurzer Zeit schon wirklich nicht mehr allzu viel Spaß gemacht. Weedcraft fühlt sich einfach zu sehr an wie Arbeit.
Für bestimmte Entscheidungen müsst ihr einfach in bestimmten Bildschirmen sein, der Stadtübersicht beispielsweise. Wollt ihr aber beim Beschneiden und Gießen eurer Pflanzen nachhelfen, müsst ihr in die jeweiligen Anbauzimmer hineinwechseln, inklusive Ladezeiten. So springt ihr ständig hin und her und habt oft nur wenig Zeit, euch wirklich Gedanken um eine langfristige strategische Ausrichtung eures Gras-Imperiums zu machen. Entscheidet ihr euch in dieser Situation irgendwann für die legale Produktion von medizinischem Marihuana, steht ihr auf einmal einem riesigen Bedarf gegenüber, der sich kaum decken lässt. Und werdet deshalb stinkreich. Ich weiß nicht, ob genau das die Botschaft des Spiels sein soll?
Inhaltlich bereitet Weedcraft Inc das Thema ganz gut auf, wenn auch sehr aus US-amerikanischer Sicht (Nachbar Kanada geht mit dem Thema ja inzwischen ohnehin ein bisschen anders um). Die grundlegende Wirtschaftssimulation macht Spaß, sie artet nur immer zu sehr in Hektik aus, was noch dadurch gestützt wird, dass die Menüs unübersichtlich und von (wenn auch kurzen) Ladebildschirmen unterbrochen werden. Ihr könnt das Spiel zwar pausieren, aber in diesem Modus eben beispielsweise nicht eure Pflanzen gießen oder beschneiden. Die Wahl zwischen legalem und illegalem Anbau ist zudem hauptsächlich eine zwischen unbegrenztem Geldfluss und noch mehr Stress - kaum eine gleichberechtigte Wahl also. Die knapp 17 Euro, die Weedcraft aktuell auf Steam kostet, ist es wirklich nur wert, wenn ihr nichts gegen ausufernde Klickorgien habt. Und jede Menge Hektik.
Entwickler/Publisher: Vile Monarch/Devolver Digital - Erscheint für: PC - Preis: 16,79 Euro - Erscheint am: erhältlich - Gestestete Version: PC - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein
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