Wenn FIFA und Electronic Arts sich trennen sollten, dann geht eine Ära zu Ende
Nachdem die FIFA zwei Milliarden für die Verlängerung der Lizenz haben möchte, kann es sein, dass Electronic Arts FIFA nun umbennent. Der Preis könnte zu hoch sein.
Ich bin wohl der letzte, der was zu FIFA sagen sollte, schließlich spielte ich mein letztes etwa 2008, als ich das 2006er an irgendeiner Kasse für 5 Euro mitnahm. Und ja, damit bin ich wohl nicht der Kunde, der die scheinbar von der FIFA geforderten 2 Milliarden rechtfertigt, die sie von EA für die Verlängerung der Lizenz haben wollen.
So verständlich ich es fände, wenn EA diesen Deal ablehnt, so schade wäre es auch. Aber mit 2 Milliarden kann man eine Menge machen, ab einem gewissen Punkt kann selbst so eine Lizenz sich vielleicht nicht mehr rechnen. Vor allem, wenn die Zukunft des eigentlichen Geldbringers, der Zufalls-Loot-Packs, in den Sternen steht. Dann kann aus dem Zugpferd schnell ein tödlicher Anker werden, der das ganze Schiff in die Tiefe reißt. Schließlich weiß EA selbst am besten, wie hoch der Anteil der Loot-Packs am operativen Gewinn von 1,5 Milliarden in 2020 war.
Aber selbst, wenn ich es nie viel gespielt habe, FIFA ist für mich persönlich eine Serie, die in die Zeit von Ultima, Wing Commander, Street Fighter sowieso und vielen andere Reihen reicht, die wir heute als Retro und graue Vergangenheit ansehen. EAs FIFA ist der Saurier-Fisch, der es bis heute geschafft hat. Nur, dass er nicht ungesehen in tiefen Gewässern herumpaddelt, sondern als T-Rex seines Genres alles beherrscht. Mehr als je zuvor.
Das erste FIFA erschien Ende 1993 auf dem Mega Drive. Was es da in dem Jahr noch so gab? Day of the Tentacle, Doom, Myst, Secret of Mana und Sonic the Hedgehog. FIFA ist 28 Jahre alt, das wird einem selten bewusst. Und es gab nicht viele Serien, die vom Start weg die Konkurrenz dermaßen versenkten. Keiner kann sich heute mehr an ein anderes Fußballspiel aus der Zeit erinnern. Hier und da hört man nostalgisch verklärt Super Soccer. Auf den Heimcomputern ein wenig was von Kick Off oder Sensible Soccer. Ich werfe einfach mal ein paar Namen in den Raum, die mir noch was sagen, aber auch nur, weil ich eine Liste vor mir habe: Actua Soccer. Onside Soccer. Manchester United. Italia 90. Striker.
Alles keine schlechten Spiele, alle hatten Chancen. FIFA kam, sah und zerstörte innerhalb von drei, vier Jahren die zuvor wüste Landschaft des gefühlt monatlich aufpoppenden Mittelmaßfußballs - mit dem ich oft mehr Spaß hatte, aber aus oben genannten Gründen zählt das nicht. Danach kam immer noch hier und da mal ein Blindgänger des Wegs, einige der alten Hasen lebten im Untergrund für ein Weilchen - es gab Kick Off 2002?!? -, aber eigentlich gab es am Ende des Tages nur einen Konkurrenten: PES. Pro Evolution Soccer war immer der Underdog, den manche Fans innig liebten. Alex hatte da so heiße Nächte mit, dass er sich mit der Umbenennung dessen in irgendwas Dämliches, das ich schon wieder vergessen habe, ähnlich fühlen dürfte, wie ich jetzt mit FIFA.
Es ist klar, dass FIFA diesen Umstand, 28 Jahre lang bis heute der unangefochtene Platzhirsch zu sein, zwei Dingen zu gleichen Teilen zu verdanken hatte. Einmal ist es ein gutes bis sehr gutes Fußballspiel. Und zum anderen hatte es die Lizenz, die es mit Stil und Klasse zu nutzen verstand. Im Gegensatz zu den oft dilettantischen bis schrägen Covern anderer Fußball-Spiele wirkte EAs Lizenzgame vom Start weg slick und cool in der Präsentation, angefangen vom weißen Box-Design bis hin auf den Platz. FIFA zu spielen, da war man was Besseres. Da hielt man die Nase ein wenig höher. Alles andere war nur Fußball. Oder schlimmer, Italia 90.
FIFA 98 auf dem N64 war phänomenal gut. FIFA auf dem 3DO entlockte uns den todernsten, vollkommen ironiebefreiten Satz: "Jetzt ist es passiert, es sieht wirklich so aus wie im Fernsehen." Sicher, FIFA hatte auch magere Jahre, wenn sich mal wieder wenig tat. Schließlich war man der König und es war keine feindliche Armee in Sicht. Es gab furchtbare Umsetzungen, vor allem Nintendos neuere Konsolen mussten immer wieder leiden. Aber was solls. FIFA war so präsent, das selbst Leute, die noch nie ein Videospiel sahen, irgendwann nicht mehr fragten, was man meint, wenn man sagt: "Ich spiele mal eben FIFA."
Das ist etwas, das jetzt verloren gehen wird. Ich gehe fest davon aus, dass EA auch mit FC Soccer oder wie auch immer sie es nennen wollen, kaum weniger Erfolg haben wird. Es ist jetzt wohl nicht so, dass zig Entwickler auf der Lauer liegen, um zuzuschlagen. Oder doch? Wie wird das so, wenn ein Tencent jetzt zur FIFA geht und sagt, dass zwei Milliarden kein Thema sind? Die Zukunft ist für den Soccer FC vielleicht weniger gewiss als man meinen mag.
So oder so, wie es auch im Anschluss kommen könnte: Wenn EA und FIFA sich trennen, dann endet auch ein Stück Videospielgeschichte. Manche wird es freuen. Ich sehe dagegen etwas wehmütig auf 28 Jahre zurück, die ich mit vielen, viele guten Spielen verbinde. Die bei mir alle nicht FIFA heißen. Aber FIFA war immer an ihrer Seite. Irgendwie wird mir da ein bisschen was fehlen.