Wenn Microsoft nicht zu viel verspricht, könnte Forza Motorsport an Gran Turismo vorbeiziehen
Aber was genau wurde eigentlich versprochen?
Als Forza-Teamchef Dan Greenawalt und Creative Director Chris Esaki auf dem Showcase ihres Arbeitgebers die achte Ausgabe der Rennsimulation vorstellten, war das vor allem ein großes Versprechen – ein Versprechen allerdings, auf das man sie beim genauen Hinsehen noch gar nicht festnageln kann. Clever! Denn obwohl sie damit ein paar bedeutende Neuerungen angekündigt haben, weiß man nicht, wie die sich eigentlich aufs Spiel und seine Inhalte auswirken.
Ein Beispiel: Man wird nicht nur verschiedene Reifenmischungen aufziehen können, sondern muss endlich auch auf Spritverbrauch und Gummiabrieb achten. Klasse! Das ist für eine Simulation dieses Kalibers schließlich unerlässlich. Doch halten damit mehr als nur wenige Runden dauernde Veranstaltungen oder wenigstens volle Rennwochenenden einschließlich Qualifying in der Forza-Karriere Einzug?
Und was genau will Microsoft damit sagen, wenn es heißt: „Fahrzeugschäden stehen im Racing auf der Tagesordnung.“ Stimmt natürlich. Und wie schön es ist, dass der Lack im neuen Forza physikalisch korrekt abgekratzt wird! Aber ist das nur ein Seitenhieb in Richtung Gran Turismo, dessen Boliden für ihre optische Unkaputtbarkeit berühmt sind? Oder bekommt man es in Forza auch mit glaubwürdigen Verformungen sowie einer realitätsnahen Beeinträchtigung des Fahrverhaltens zu tun?
Ja, und dann wurde neben allgemein überwältigender grafischer Opulenz noch das Raytracing groß angepriesen. Nur: Warum? Sollte das bei einem derart namhaften Release anno 2023 nicht selbstverständlich sein? Ich vermute deshalb an dieser Stelle einen Seitenhieb in Richtung des großen Konkurrenten; dass Forza Motorsport nämlich auch bei aktiviertem Raytracing in allen Situationen mit mindestens 60 Bildern pro Sekunde laufen wird.
Doch auch das ist eben nur eins dieser in der Luft liegenden, nicht deutlich ausgesprochenen Versprechen. Und vielleicht werde ich in ein paar Monaten deshalb mächtig enttäuscht sein.
Weil ich Optimist bin und die Hoffnung sowieso zuletzt stirbt, glaube ich allerdings, dass Microsoft mit diesem Forza tatsächlich ein heißes Eisen im Feuer hat und einige der im Showcase suggerierten Inhalte nicht nur Mutmaßungen sind. Denn wozu sonst der buchstäblich angepriesene „Generationssprung“? Wozu die mehr als doppelte so lange Entwicklungszeit wie vor jedem bisherigen Nachfolger? Ich denke in der Tat, Microsoft wollte diesmal keinen gewöhnlichen Evolutionsschritt machen, sondern mit Vollgas in die aktuelle Generation einsteigen – um sich genau damit von einem Gran Turismo 7 abzusetzen, das auch auf PlayStation 4 läuft.
Nur ausgerechnet einen für mich ganz wichtigen Aspekt hat man im Gegensatz zu Grafik und Physik noch nicht mal angerissen. Denn was ist eigentlich mit der Online-Komponente? Klar: Drivatare sind bestimmt am Start. Der alles entscheidende Punkt wird für mich allerdings sein, ob Microsoft endlich Mehrspieler-Rennen hinbekommt, die echten virtuellen Rennsport ermöglichen. Das chaotische Arcade-Rempeln der Vorgänger werde ich mir jedenfalls nicht geben.
Um hier mit Gran Turismo oder Assetto Corsa Competizione gleichzuziehen braucht Forza Motorsport ein funktionierendes Strafsystem sowie die Einstufung aller Fahrer nach Schnelligkeit und vor allem Fairness – so wie man es aus iRacing und Gran Turismo Sport kennt. Um die Spieler bei der Stange zu halten, würde ihm außerdem ein von Microsoft verwalteter Rennkalender guttun, in dem man neben abwechslungsreichen Einzelrennen auch Meisterschaftsläufen austrägt.
Die Sache ist doch: Der Zeitpunkt könnte nicht besser sein! Denn ausgerechnet dort, wo GT Sport gegenüber Forza 7 so stark war, schwächelt das siebte Gran Turismo jetzt: Die (nicht oder falsch erteilten) Strafen verleihen gerissenen Halunken unfaire Vorteile und wer mit Freunden den Asphalt gummieren will, darf bis heute nicht einmal grundlegende Lobby-Einstellungen anständig verwalten.
Das und der zu erwartende Generationssprung sind in meinen Augen der große Windschatten, aus dem Microsoft im kommenden Frühjahr nur noch auszuscheren braucht, um sich die Pole zu sichern. Und wenn ihnen das gelingt, dann tausche ich mein derzeit ruhendes Sony-Cockpit gerne gegen den Schalensitz bei Microsoft!