Wenn Stil und Substanz manchmal das Gleiche sind: SUPERHOT
SUPER. HOT. SUPER. HOT. SUPER. HOT. SUPER. HOT
Wenige Spiele in den letzten Jahren haben sich so sehr über ihren Stil definiert wie SUPERHOT. Oder sie taten das, ließen aber inhaltlich und auf interaktiver Seite zu wünschen übrig. "Stil über Substanz" ist dann die viel bemühte Zuschreibung. Die ist zwar fast schon Teil der Phrasenschwein-Diät, deshalb in den meisten Fällen aber nicht weniger treffend. Viel seltener kommt es vor, dass Stil und Substanz eines Spiels nicht ohne einander existieren könnten, sich gegenseitig bedingen. Hotline: Miami wäre eines von der Sorte. The Witness ein anderes. Luftrausers fällt einem ein, Darkest Dungeon ebenso. Jetzt eben SUPERHOT.
Das Spiel aus Polen ist ein wie aus einem Block geschnitztes Kunstwerk. Nichts für jedermann, klar. Sicher nicht daran interessiert, anderen Titeln den Weg zu weisen. Es steht für sich und fixiert seinen Blick immer nur bis an die Ränder seines eigenen Tellers, stets nur mit sich selbst befasst. Geboren aus einer typischen fixen Game-Jam-Idee, die sich nur um eine Mechanik drehte, ist es fast ein Wunder, dass ein so formvollendet rundes Spiel dabei herauskam. Hier wird sogar das Hauptmenü zum integralen Teil des Erlebnisses und der Geschichte, die wiederum zum Ende hin den Sprung in die Echtwelt des Spielers wagt.
Das fanden einige aufdringlich, "cheesy" und bemüht bisweilen. Ich kann das nicht nachfühlen. Wohl aber, dass viele einfach nur weiterspielen wollten, anstatt periodisch für virtuelle Chats und Fake-OS-Spielereien aus ihren blankweiß-stilisierten Mordsräumen gerissen zu werden. Das spricht in erster Linie für den befriedigenden Loop, der zeitbe- und entschleunigenden Schießereien, und nicht gegen das Konzept, das SUPERHOT als Werk im Sinn hat.
Für mich jedenfalls war auch das, was dazwischen passierte, unabdingbarer Teil des Pakets. In Hotline: Miami waren die versiffte Dance-Musik und die surrealen Einspieler zwischen den Spielabschnitten maßgeblich dafür verantwortlich, dass man sich beim Spielen zu gleichen Teilen berauscht und elendig schmutzig fühlte. SUPERHOT würde zwar auch ohne die irre kleine Geschichte oder die zahlreichen versteckten Geheimnisse funktionieren. Aber als Übung in Selbstverlust und Gefangensein ist es am Stück mehr als die Summe seiner Teile.
Dabei darf man deren Licht nicht unter den Scheffel stellen. Allen voran des zentrale "die Zeit läuft nur, wenn du dich bewegst", ist schon für sich genommen ein interessanter Zeitvertreib. Die zahllosen Challenges im Anschluss an die kurze Geschichte und der motivierende Endlos-Modus, beweisen das stichhaltig. Aber die ganz Schönheit zeigt sich eben erst in der Totalen. Genauso wie Braid eigentlich kein Jump-and-Run ist, ist SUPERHOT eigentlich kein Shooter, sondern ein Rätsel, das im Kleinen andere Fragen an den Rezipienten stellt als im großen Ganzen.
Mir ist bewusst, dass der Kunstbegriff nur allzu gerne zur wertenden Überhöhung von irgendwie als "besonders" aufgefassten Spielen verwendet wird. Dieses Spiel fordert einen dazu ebenfalls auf, das Wort leichtfertig in den Mund zu nehmen. Hier, zur Abgrenzung von landläufigem Zeitverbrenner- und Blockbuster-Entertainment (das für sich genommen nicht mehr oder weniger wert ist und selbst mehr als genügend wundervolle Seiten hat), ist er aber in Ordnung. Egal, ob man es persönlich mag oder nicht, gehört SUPERHOT in seiner Makellosigkeit, seinem unverhohlenen Selbstbewusstsein und seiner stilistischen Stringenz nämlich irgendwie schon in ein Museum. In ein Schneeweißes, mit Wachmännern aus rotem Kristall und scharfkantigen Reliquien in den Vitrinen.
Wer SUPERHOT in sein persönliches Regal-Museum stellen will, darf das jetzt tun. In Zusammenarbeit mit Headup Games bringt SUPERHOT Team das Spiel nun in einer Collector's Edition in den Handel, die neben dem Spiel auf Disk auch Postkarten und Sticker enthält.