WET
Endlich Hand angelegt
"Finger weg", schoss es mir durch den Kopf, als sich fremde Hände um das Joypad legten und Rubi durch die ersten beiden Präsentationen führten. Tatenlos und sichtlich neidisch musste ich zusehen, wie sie mit ihren Glubsch-Fingern die hübsche Leder-Lady missbrauchten und sie ballernd, springend und schnetzelnd durch Horden von Gegner jagten. "Lasst mich ran", wollte ich schreien, aber keine Chance.
Dabei steht und fällt ein Action-Spiel wie WET doch mit der Steuerung der Protagonistin. Wie soll ich denn abschätzen, ob sich die komplexen Bewegungen, Angriffe und Spezialattacken präzise genug nutzen lassen? Geht einem die ständige Zeitlupe und das Dauerfeuer nicht irgendwann auf den Keks? Dinge, die ich beim Zuschauen nur erahnen konnte. Erst nach der lang erwarteten, ausführlichen Anspiel-Session konnte ich mir einen echten Eindruck machen.
Gespielt wurden die Levels der letzten Präsentation (hier die passende Vorschau zu WET) sowie zwei kleine Bonus-Abschnitte. In der ersten Mission muss Auftragsmörderin Rubi einen seltsamen Koffer an sich bringen, der gerade zwischen zwei Gangster-Gruppierung für viel Geld den Besitzer wechselt. Nach einer Zwischen-Sequenz mit derben Sprüchen, wildem Geballer und vielen Toten, bleiben nur noch die chinesischen Triaden übrig. Rubi springt von ihrem Aussichtsplatz, durchschlägt das Oberlicht und landet mitten im Tutorial.
Meine erste Erkenntnis nach 5 Minuten Third-Person-Action: Dosierte Schüsse sind unnötig. Nutzt ihr die aufrüstbaren Standard-Pistolen kann beziehungsweise muss sich euer Finger kontinuierlich um den rechten Abzug legen. Denn die Zeitlupe wird nur bei gedrücktem Abzug aktiviert und die beiden Colts müssen nicht nachgeladen werden. Schade, mir persönlich fehlt diese taktische Komponente.
So untermalt das fast meditative Stakkato der Schüsse die ersten Hechtsprünge, Bodenrutscher und Wandläufe, die ihr mit einfachen Befehlen auslöst. Bei jeder dieser Aktionen verlangsamt sich die Zeit und ihr könnt zielgenau die Gegner ausschalten. Eine der beiden Waffen steuert ihr direkt ins Ziel, die zweite wird automatisch anvisiert.
Zu Beginn fällt es noch schwer, die verschiedenen Bewegungen miteinander zu verbinden. Viele Kombinationen müssen erst nach und nach freigeschaltet werden, trotzdem entsteht ein Spielfluss, der für ein paar ansehnliche Momente sorgt. Rubi rennt an den knallroten Seidentapeten-Wänden entlang, rutscht über gedeckte Tische und weicht durch kraftvolle Hechtsprünge den gegnerischen Kugeln aus. Die Klon-Gegner rennen zwar immer noch mit einer Wagenladung grauer Anzüge durch die Gegend, doch zumindest Gesicht und Figuren sind nun deutlich abwechslungsreicher.
Überhaupt hat die Grafik zugelegt. Neue Spezialeffekte, mehr Details und flüssigere Animationen verwöhnen geplagte Spieleraugen. Hier und da könnten die Bewegungen noch etwas flüssiger sein und der Übergang zwischen den Aktionen natürlicher wirken, doch unterm Strich hat Entwickler Artificial Mind & Movement das Spiel seit der letzten Präsentation gehörig aufgemotzt. Laut anwesendem Producer sieht der neuste Build sogar noch besser aus.
Mit jedem Abschnitt des Tutorials wächst die Move-Palette der aparten Schönheit. Ihr lernt mit dem Schwert umzugehen, rutscht kopfüber eine Leiter hinunter und regeneriert eure Lebensenergie durch einen kräftigen Schluck Whiskey. Im großen Finale, auf einem Platz mitten in Chinatown, verwandelt sich der lineare Shooter in eine Art Baller-Tony-Hawk.