Wie Eurogamer.de in Zukunft mit Microtransactions in Spielen umgehen wird
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Es ist kein ganz neues Phänomen, gerade durch den MMO- und dort den Free-to-play-Bereich kennt man es schon, aber in den letzten Monaten nahm es eine neue Dimension an: Microtransactions. Diese neue Dimension ist das Ausmaß, welches es in Vollpreistiteln annahm, insbesondere bei einigen Third-Party-Publishern und praktisch jedem Titel, der bisher für die Xbox One erschien.
Was sind Microtransactions, was nicht?
Erst einmal muss definiert werden, was wir hier in der Redaktion unter Microtransactions verstehen, denn "kleine Bezahlung" kann ja alles Mögliche sein. Nicht gemeint sind DLC-Pakete, die neue Inhalte zu einem vollwertigen Spiel liefern. Das kann eine Story-Ergänzung für den Solo-Modus sein oder ein Map-Pack für den Multiplayer. Ein kompletter Satz Autos oder eine Kombination all dieser Dinge zählt auch nicht direkt dazu, solange es wieder ein in sich abgeschlossenes Set ist. Ein Season-Pass würde also auch nicht unter die diskutierte Definition von Microtransactions fallen. Solche Ergänzungen entsprechen eher den klassischen Add-ons aus PC-Tagen und sind nichts Neues, selbst wenn sie online bezahlt und geladen werden.
Es geht stattdessen, um Bezahl-Objekte, die im Spiel bereits vorhandene Dinge betreffen, auf die der Spieler aber durch den Kauf des Spiels allein noch keinen oder erst später im Spiel Zugriff bekommt, die aber trotzdem sofort klar angezeigt und mit einem Preis versehen sind. Dead Space 3 bot ein solches System bei seinen Ressourcen, Ryse und Forza 5 haben solche Systeme. Und auch NBA2K sowie Call of Duty zeigen euch Preise für "Leistungen", die eigentlich auch so im Spiel enthalten sind, da sie integraler Bestandteil der Mechaniken sind.
Was ist unser genereller Standpunkt zu Microtransactions-Systemen?
Das Wort "Leistungen" eben steht aus guten Gründen in Anführungszeichen, denn der Standpunkt aller in der Redaktion ist eindeutig: Wir mögen Microtransactions-Systeme in Vollpreis-Spielen nicht. Überhaupt nicht. Kein Stück. Das Beste, was ein solches System bieten kann, ist, dass es nicht stört und nicht so auffällt, im schlimmsten Fall ist es nicht nur aufdringlich, sondern stört die Spielbalance. Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass es für ein Spiel, das 60 oder 70 Euro kostet, niemals einen positiven Nutzen für Microtransactions in einem Spiel geben kann. Es heißt zwar "sag niemals nie", aber in dem Falle reicht meine Vorstellungskraft nicht aus, wie dem etwas Gutes abgewonnen werden kann und in Folge das Spiel davon profitieren soll.
Es liegt ein wenig in der Natur der Sache, dass ein Käufer es bevorzugt, eine möglichst vollständige Ausgabe seines Kaufes zu haben, gerade wenn es etwas emotional beladenes - und mit 60 bis 70 Euro auch nicht gerade billiges - wie das eigene Lieblingsspiel ist. Früher war das denkbar einfach. Man kaufte ein Spiel und fertig. Mit den DLCs wurde es schwieriger, aber von vielen großen Titeln gibt es Game of Year oder andere Sammelausgaben. Es ist also zumindest teilweise immer noch möglich, "alles" zu haben. Außer natürlich, man hat etwas bei dem einen Händler gekauft, der andere hat aber einen Exklusiv-Deal für irgendein Extra-Item. Die Grenze, die jetzt aber mit den Microtransactions überschritten wird, ist, dass das Spiel nie "komplett" sein kann, weil es einen immer daran erinnert, dass ein Teil seiner Mechaniken auf dem kontinuierlichen oder zumindest wiederholten Kauf beruht, bis man im Idealfall zumindest alles freigeschaltet hat, im schlimmsten Fall vernünftig spielen kann. Selbst wenn man etwas nur ignoriert, bleibt ein ungutes Gefühl. Weiß man jedoch, dass das Spiel, das im eigenen Regal steht, nur durch konstantes Nachfüttern wirklich gut funktioniert, ist der Spaß endgültig vorbei. Noch ist keines der Spiele mit Microtransactions in diesen ganz dunklen Untiefen angekommen. Aber wenn dies weiter ausgelotet wird, wird auch dieses Spiel kommen, sei es nun aus Versehen oder kalkuliert.
Ob Microtransactions jenseits von Free-to-play letztlich Bestand haben entscheidet wie immer die Brieftasche und der Zahlwille der Kunden - und wir als Redaktion müssen fürs Erste einen sinnvollen Weg finden, in Tests damit umzugehen.
Wie werten wir in Zukunft Spiele mit Microtransaction-Systemen?
Es wird keinen sofortigen, automatischen Punktabzug geben, sobald ein Microtransactions-System in einem Download- oder Retail-Spiel integriert ist. Wir werden uns dieses System genau ansehen, wie es eingebunden ist, wie es sich präsentiert und ob es einen Einfluss auf die Spielbalance, den Ablauf oder den Content hat.
Wenn die Microtransactions sich im Hintergrund halten, leicht ignoriert werden können und beim Spielen nicht das Gefühl aufkommt, dass da manche Dinge anders laufen sollten und nur deshalb so sind, wie sie sind, damit irgendwo extra Geld fließen kann, tun wir in der Wertung genau das: Wir ignorieren es. Es ist nicht gut, dass es da ist, aber wenn es dem Tester nicht das Vergnügen am Spiel schmälert, dann hat es keinen Einfluss auf die Wertung.
Hat derjenige jedoch das Gefühl, dass Geld hier echte Vorteile verschafft und jemand, der in sein Vollpreisspiel Geld investiert, ein besseres Spielerlebnis bekommt, dann wird es komplizierter, weil die Abstufung dabei von "letztlich immer noch irrelevant" bis hin zu "es macht das Spiel kaputt" alles sein kann. Solche Dinge fließen dann in den Test und möglicherweise auch in die Wertung ein. Das Ergebnis kann von einer Ermahnung im Fazit bis zu mehreren Punkten Abzug alles sein.
Wie erfahrt ihr hier, wie die Microtransactions in einem Spiels aussehen?
In den Test-Fakten-Kasten an der Seite nehmen wir den Punkt "Microtransactions im Spiel" mit auf, wo erst einmal "ja/nein" steht. Ist ein System vorhanden, steht darunter immer eine kurze Erklärung, wie das System aussieht, was es beeinflusst und ob es Einfluss auf das Spiel hat. Sollte das nicht der Fall sein, wird es wahrscheinlich dabei bleiben. Wenn doch, dann werdet ihr im Test, im Fazit oder sogar aus der Wertung heraus mehr darüber erfahren, welchen Einfluss es hat, wie dieser sich auswirkt und warum es den Spielspaß ohne Extra-Investitionen schmälert.
Beispiele für Microtransactions in aktuellen Spielen
Ryse (Xbox One): Ihr könnt im recht belanglosen Koop-Modus Item-Pakete unterschiedlicher Qualität erspielen oder eben kaufen. Mit dem Erspielen ist das System knauserig, aber der Schwierigkeitsgrad ist darauf ausgelegt. Wer Geld ausgibt, kommt leichter durch die zehn Stages des Koop. Im für dieses Spiel ungleich wichtigeren Kampagnen-Modus lässt sich aus Erfahrung kaufen, aber das Spiel hat eine Sicherheitsfunktion. Ihr könnt die Moves und Eigenschaften immer nur bis zu einem bestimmten Grad freischalten, dann müsst ihr erst in der Story weiterkommen, damit neue Moves verfügbar sind. Da das Spiel euch auch so genug Erfahrungspunkte gibt, um nach einem Durchgang praktisch alles freizuschalten, gibt es hier nicht den geringsten Grund Geld auszugeben. Es ist ein wenig nervig, dass euch das Spiel, solltet ihr versuchen, etwas zu kaufen, wofür ihr nicht genug Punkte habt, fragt, ob ihr es mit den Echtgeld-Punkten bezahlen wollt. Da es sich aber genau wie eine "Du hast nicht die Punkte"-Meldung wegdrücken lässt, hält sich der Schmerz in Grenzen.
Forza 5 (Xbox One): Das Rennspiel bietet sehr viele positive Innovationen, für die es seine Punkte bekam, aber auch leider ein Microtransaction-System. Mit diesem könnt ihr Fahrzeuge schneller freischalten. Das ist insoweit unschön, als dass es da ist und sich dieses Gefühl des Eingriffs in ein eigentlich abgeschlossenes Spiel einstellt. Videospiele als Eskapismus sollten generell auf diese Dinge verzichten. Davon abgesehen hat es wenig Einfluss auf das Spiel. Es dauert länger als in früheren Forzas, bis ihr euch die Autos erspielt habt, geht aber immer noch schneller als in Gran Turismo beispielsweise, insoweit ist die Balance gewahrt. Vor allem jedoch bringt ein schnelles Auto keinen nennenswerten Vorteil. Sobald ihr eines habt, bekommt auch die KI bessere Autos, die der Klasse des euren entsprechen und im Multiplayer werden euch Fahrer mit entsprechenden Wagen zugeteilt. Ihr fahrt also niemanden mit einem erspielten McLaren P1 davon, nur weil ihr Geld für euren bezahlt habt.
Crimson Dragon (Xbox One): Der indirekte Nachfolger zu der ehrwürdigen Panzer-Dragoon-Serie hat das zweifelhafte Vergnügen, als eines der Spiel für seine Microtransactions abgestraft worden zu sein. Die Items und besseren Drachen machen es weit einfacher, das Spiel durchzuspielen und in den Highscorelisten hoch einzusteigen. Gerade die letzten Stages sind so hart, dass man den Eindruck bekommen kann, dass sie mit vielen Items im Hinterkopf entworfen wurden und nicht mit der Intention, ein forderndes Spiel zu schaffen.
FIFA 14 (PC, Next-, Current-Gen): Bei FIFA 14 könnt ihr neben In-Game-Münzen, die ihr euch mit jedem absolvierten Spiel verdient, echtes Geld als alternative Zahlungsoption für Silber- oder Gold-Pakete im Ultimate-Team-Modus nutzen, in dem ihr eure eigene Mannschaft zusammenstellen müsst. Ihr könnt euch mit Echtgeld jedoch nicht einfach so die besten Spieler rauspicken, der Inhalt jedes Pakets wird zufällig zusammengewürfelt. Pro Paket bekommt ihr so mal drei, mal vielleicht fünf Spieler und zusätzlich grundlegende Dinge wie Vertragsverlängerungen oder Fitnesskarten. Die Spieler in den Paketen passen obendrein nicht automatisch zu eurer Wunschelf. Eine optimale Mannschaft braucht nämlich Spieler aus der gleichen Nation oder dem gleichen Verein sowie die passenden Kicker auf den jeweiligen Positionen. Gezielt Spieler kaufen kann man nur über In-Game-Münzen auf dem Transfermarkt. Dieser ist zugleich auch die optimale Methode zur Mannschaftszusammenstellung, beim Kauf der Pakete muss man schon sehr, sehr viel Glück haben, um seine Wunschspieler zu bekommen. Meist werden mit den Inhalten der Pakete also Münzen verdient, indem man die Spieler und andere nicht benötigte Inhalte weiterverkauft. Alleine durch die Investition von echtem Geld wird die Spielbalance hier somit nicht maßgeblich beeinflusst, zumal ihr online stets gegen Mannschaften auf ähnlichem Qualitätsniveau antretet. Und am Ende spielt auch der Skill des Menschen vor dem Bildschirm noch eine entscheidende Rolle. Messi und Co. zu haben, bedeutet nicht automatisch, dass man das Spiel auch gewinnt.
NBA 2K (PC, Next-, Current-Gen): NBA 2Ks In-Game-Währung 'VC' ist sauer verdientes Spielgeld, mit dem man Kleidung und Schuhe im Store kaufen kann und - wichtiger noch - den Spieler im Karrieremodus auflevelt. Die Vergabe dieser Punkte ist strikt leistungsgebunden. Um 500 in einem Spiel zu verdienen, muss man schon eine Matchwinner-Performance hinlegen, viel häufiger verdient man zwischen 100 und 200 Zählern. Dafür kann man nur hier und da mal einen seiner schwächeren Charakterwerte um einen oder zwei Punkte aufleveln. Gerade in der ersten Saison als NBA-Profi dümpelt der Spieler so mit einem Durchschnittswert von 69 Fähigkeitspunkten rum und hat es daher schwer, wirklich bedeutsame VC-Mengen einzufahren. Der Weg in den In-Game-Store, um sich zwei Mal für je 1,99 Euro zwei Mal 10.000 VC zu holen, die einen im Handumdrehen zu einem passablen Spieler machen, ist da natürlich sehr verlockend. Wer will schon selbst mit vielen seiner besser gewählten Schüsse nur 'Backsteine' produzieren?
Need for Speed: Most Wanted (PC, Current-Gen): Das letztjährige Need for Speed zeigt auf sehr unerfreuliche Weise, welchen nicht immer absehbaren Langzeit-Effekt ein Microtransaction-System haben kann. Als ich das Spiel testete, gab es noch keine Autos zum Kauf und Download. Jedes Fahrzeug, das ihr am Straßenrand ansteuertet, konnte direkt benutzt werden. Ein Jahr später, als Alex dann zum ersten Mal das Spiel anwarf, standen plötzlich weit mehr Autos herum. Dumm nur, dass gefühlt mindestens die Hälfte davon erst gekauft werden muss. Das Spiel verrät euch das aber erst, nachdem ihr schon gehalten habt, um das Objekt der Begierde einzusammeln. Leider lassen sich diese eigentlich nicht in eurem Spiel enthaltenen Wagen nicht ausblenden, sodass Most Wanted inzwischen ein weit schlechteres Spiel ist, als es das zum Zeitpunkt des Tests war. Dies ist der sicher schlechteste Weg, neue Fahrzeuge anzubieten.
Killer Instinct (Xbox One): Killer Instinct ist durch sein Freemium-Dasein eh schon etwas anders als die Anderen, aber auch nach Bezahlung der 20 oder 40 Euro (Basic oder Premium) gibt es immer noch ganz viel freizuschalten. Kostüme, Musik, Artworks und so weiter werden durch Punkte aktiviert, die ihr in jedem Kampf bekommt. Mehr, wenn ihr siegt, weniger bei einer Niederlage. Da diese Punkte in einem normalen Rahmen reichen, um nach und nach alles zu bekommen, lassen sich die Microtransactions nach der initialen Bezahlung ignorieren.
Eine Bitte an alle Entwickler, Publisher und Spieler
Nachdem ich ja schon schrieb, was wir von Microtransactions halten, dürfte es wohl kaum Zweifel geben, was wir von euch Spielern erwarten: Wenn ihr ein Spiel für 70 Euro gekauft habt, habt ihr euren Teil geleistet. Bitte lasst danach eure Brieftaschen stecken und spielt das Spiel so. Wir werden unser Bestes tun, euch im Vorfeld zu informieren, ob ihr auch so den ganzen Spaß bekommt und wenn nicht, dann liegt die Entscheidung immer noch bei euch. Was euch Entwickler und Publisher angeht, so stellt diese Seuche bitte noch schneller ab, als sie kam. "Man kann es ignorieren, es tut nicht weh" ist der beste Kommentar, den ein solches System in einem Vollpreisspiel einheimsen wird und das ist nicht gerade ein Ritterschlag. Es macht den Entwicklern wahrscheinlich keinen Spaß, bei der sowieso schon komplizierten und feinfühligen Balance eines Spiels auch noch die Microtransactions im Hinterkopf haben zu müssen und das wird sicher nicht immer gut gehen. Es macht genauso wenig Spaß für ein eigentlich gutes Spiel deswegen eine schlechte Wertung vergeben zu müssen, wie es unerfreulich ist, diese zu kassieren.