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Wie HomeTown Story monotone Arbeit in Freude verwandelt

Der Harvest-Moon-Schöpfer spricht über sein neues Spiel und die Rückkehr zu simpleren Mechaniken.

Im ersten Moment hatte ich ihn gar nicht erkannt. Vor meinem Interview und dem ersten Treffen mit Yasuhiro Wada, dem Schöpfer von Harvest Moon, suchte ich verzweifelt zwischen den Tischen am Stand von Rising Star. Zuvor hatte ich mir extra Bilder von ihm rausgesucht und jetzt stolpere ich unbeholfen vor mich her. Durch die Verzögerung anderer Termine war ich bereits ein wenig zu spät. Endlich führt mich eine Person auf Nachfrage zu ihm. Das ist er also? Entspannt sitzt er an seinem Tisch. Mit seinem Erscheinungsbild von vor noch drei Jahren hat er wenig gemein. Sein junges Gesicht wich einem weiseren Blick mit Brille und statt einer kurz geschorenen Frisur, musste er seine langen Haare mittlerweile nun zu einem Zopf binden.

Treffen mit dem Schöpfer

Ich entschuldige mich mehrmals bei ihm für die Verspätung. Es scheint ihm nichts auszumachen. Anscheinend ist er einfach froh darüber, mit einer weiteren Person über sein neues Spiel HomeTown Story reden zu dürfen. Genau wie in Harvest Moon dreht sich der Titel um eigentlich monotone Arbeiten, die der Japaner in spaßige Aktivitäten verwandelt. In Harvest Moon war es eure eigene Farm. Dagegen erhaltet ihr zu Beginn von HomeTown Story einen Laden, den ihr selbst mit Waren aufstocken müsst.

"Ich beschäftige mich mit der Harvest-Moon-Serie bereits seit 20 Jahren", erzählt mir Wada. "Mit der Zeit wurde es immer komplizierter. Deswegen wollte ich etwas Neues erschaffen. Etwas einfaches. Bevor ich mit Harvest Moon begann, hatte ich bloß ein paar gute Ideen zum Ernten von Getreide und dem Füttern eigener Tiere auf einer Farm. Diese einfache Formel wuchs zu einem komplexen Biest über die Jahre und ich glaube, der Kern ging dabei sogar verloren. Deswegen möchte ich diesen Neustart wagen und mich wieder auf die wesentlichen Dinge konzentrieren, ohne dabei von alten Traditionen geplagt zu werden. Die Last der Serie fällt dadurch von meinen Schultern und ich kann befreiter arbeiten."

100 Bewohner warten darauf, eure Bekanntschaft zu machen.

Recht hat er. Für mich erfolgte der Wechsel irgendwo bei den Teilen für den Nintendo DS. Die erste Version dafür orientierte sich stark an Friends of Mineral Town für den GBA. In meinen Augen das beste Spiel der Serie. Es fokussiert sich auf die zentralen Elemente und fügt genau die richtige Portion an Komplexität hinzu. Spätere Iterationen waren gezwungen, neue Dinge auszuprobieren, da man nicht immer das exakt gleiche Spiel veröffentlichen wollte. Somit entstand eine Spirale, aus der die Serie nie wieder flüchten konnte.

Für Wada stellt A Wonderful Life für den Game Cube den Höhepunkt dar. In seinen Augen ist es die Harvest-Moon-Erfahrung, die er ursprünglich schon auf dem SNES erschaffen wollte. Ihr startet das Spiel als junger Farmer und beendet es mit eurem Tod. Ich frage ihn, ob er ein ähnliches Konzept auch für HomeTown Story plant. "Ja, A Wonderful Life bietet für mich noch immer den besten Aufbau", sagt er und grinst, wobei er für einen kurzen Augenblick in Erinnerungen schwelgt. "Es reflektiert das echte Leben. Frühere Titel endetet quasi immer mit der Hochzeit. Danach gab es für den Spieler keine neuen Herausforderungen mehr. In A Wonderful Life siehst dagegen, wie dein Sohn aufwächst. Du wirst älter, deine Haare werden grau und schließlich blickst du am Sterbebett auf dein gesamtes Leben zurück, bevor du für immer die Augen schließt. Auch in HomeTown Story will ich diesen Ansatz verfolgen und es begleitet den Spieler bis ins hohe Alter."

"Doch ich denke, das wichtigste in Harvest Moon sind die menschlichen Beziehungen", fährt er fort. "Und ich wollte ein neues Spiel um dieses Thema herum erschaffen. Daher dachte ich, ein Shop wäre perfekt als zentraler Mittelpunkt. Es gibt viele Dinge, die du in einem Laden kaufen kannst. Einige haben besondere Werte für verschiedene Leute. Beispielsweise kann Kaffee sehr wichtig für mich sein, während er dir vollkommen egal ist. Jede Person besitzt andere Vorlieben, die du herausfinden musst. Denn danach richtet sich letztendlich der Aufbau deines Shops."

"Von den 100 Personen wird es ungefähr 35 geben, mit denen du eine richtig enge Beziehung entwickelst" - Yasuhiro Wada

Die Platzierung eurer Ware ist extrem wichtig.

Insgesamt soll es 100 Personen im fertigen Spiel geben, auf die ihr in eurem Laden und der Stadt trefft. Abseits eurer Arbeit dürft ihr natürlich die Gegend frei erkunden und anderen Tätigkeiten nachgehen. Jedoch dreht sich Alles um die Beziehungen zu anderen Einwohnern. "Von den 100 Personen wird es ungefähr 35 geben, mit denen du eine richtig enge Beziehung entwickelst", erklärt mir Wada. "Alle sind komplett verschieden und bieten ihre eigene Hintergrundgeschichte, die sie dir vielleicht erzählen, wenn du sie besser kennen lernst.

Eine Stadt voller Möglichkeiten

Zu Beginn hast du einen kleinen Laden und es sind nur wenige Leute in deinem Shop. Sie kaufen bei dir ein und sagen dir, was sie möchten. Dann änderst du die Preise und Auslegung deiner Ware, damit sie mehr kaufen. Dein Laden wächst und es ziehen mehr Leute in die Stadt. Da wäre zum Beispiel der Farmer. Seine Werkzeuge gehen kaputt und er benötigt neue von deinem Laden. Vielleicht besitzt du sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Doch dein Geschäft wächst und bald kannst du sie ihm verkaufen. Jetzt kann er wieder Getreide und Gemüse anpflanzen, was wiederum andere Personen in der Stadt positiv beeinflusst. Mit der Zeit entsteht so ein Netz von Beziehungen, die nicht nur auf einer simplen Linie zwischen dir und einem anderen Bewohner entstehen."

Die Verteilung eurer Ware sowie die Regelung der Preise ist dabei äußerst wichtig. Ihr selbst bestimmt die Platzierung von Tischen und Regalen. Legt ihr die Preise zu hoch fest, verlassen die Leute wieder euren Shop. Sind sie zu niedrig, könnt ihr eure Kosten nicht decken. Neben dem simplen An- und Verkauf, baute Wada noch andere Mechaniken ins Spiel ein. "Um die manuelle Arbeit aufregender für den Spieler zu gestalten, kannst du beim Verkauf Combos starten", sagt er und lacht, als er den überraschten Blick in meinem Gesicht feststellt. "Wenn sich viele Kunden auf einmal an der Kasse befinden, hörst du ein schnelles 'Ba-Ding, Ba-Ding, Ba-Ding' gefolgt von kleinen Smbolen über den Personen. Es gibt dir nicht nur ein gutes Gefühl von Erfolg, sondern erzeugt gleichzeitig einen Multiplikator. Sagen wir, du bietest alle Waren für 100 Yen an und verkaufst fünf davon schnell hintereinander. Dann erhälst du einen Multiplikator von 1,5 und es landen 750 Yen anstatt der üblichen 500 in deiner Kasse."

Die Verteilung der Waren im Laden erfolgt von Hand.

Yasuhiro Wada in seinem Laden.

"Bei der Verteilung der Ware in deinem Shop erledigst du übrigens jede Aktion manuell", erzählt Wada. "Es ist nicht wie in anderen Spielen, wo du simple Tastenkommandos befolgen würdest. Nein, du greift dir das Objekt und gehst zur gewünschten Position, um es dort abzusetzen. Das gilt für alle Aktivitäten in deinem Laden. Das mag sich im ersten Moment seltsam anhören, doch genauso habe ich es auch bei Harvest Moon gemacht. Der Spieler hat so eine engere Beziehung zu seiner Arbeit. Jeder verkaufte Gegenstand fühlt sich so wichtig an und es erwirkt, dass die recht einfache Arbeit Spaß macht. Viele scheinen das zu vergessen, wenn sie meine Spiele betrachten und sich fragen, warum etwas wie der Beruf eines Bauern oder Ladenbesitzers so viel Spaß machen kann."

Unerwartete Freude

In der Tat gehören sowohl Harvest Moon als auch HomeTown Story zu den Spielen, denen man keinen Erfolg zutraut, wenn man sie sich nur auf dem Papier ansieht. Wada hat in diesem Bereich auch mit anderen Spielen Erfahrungen gesammelt, von denen es die meisten leider nie bis zu uns geschafft haben. Chulip gehört zu seinen persönlichen Favoriten und er ist erstaunt über die Tatsache, dass ich es nicht nur kenne, sondern sogar gespielt habe. Seine Augen leuchtet richtig auf und er bedankt sich. "Freut mich, dass es dir gefallen hat." Es gibt in solchen Interviews keine besseren Momente.

Zum Abschluss muss ich ihn allerdings noch fragen, warum er sich genau für den 3DS als Plattform entschieden hat. Eine abgespeckte Version für iOS soll nach der Veröffentlichung 2014 auch folgen, doch für Wada zählt nur das Produkt auf Nintendos Handheld. "Viele Leute spielen heutzutage auf ihrem Handy. Vor allem in Japan", sagt er und ich erzähle ihm, dass ich die gleiche Erfahrung gemacht habe. "Aber in Wahrheit sind sie gar nicht am Spielen. Sie tippen nur auf ihren Geräten herum, um die Zeit zu überbrücken. Für diese Personen möchte ich kein Spiel machen, wenn sie es nur als bloßen Zeitvertreib ansehen, der sie ansonsten nicht interessiert. Ich will mein Spiel für Leute machen, die es wirklich aktiv spielen wollen, weil ich ihnen ein besonderes Erlebnis biete. Weil es mein Spiel ist. Genau deswegen habe ich mich für den 3DS entschieden. Außerdem habe ich bereits gute Erfahrungen mit Nintendo in der Vergangenheit gemacht und die Entwicklung ist auf einem Handheld wesentlich günstiger als auf den großen Konsolen."

Nachdem mich die anwesende PR-Person auf die Zeit aufmerksam macht, würde ich Wada am liebsten an der Hand packen und ihn entführen. Selten hat es mir bei einem Interview so erfreut, meinem Gesprächspartner zuzuhören. Man merkt zu jeder Sekunde die Begeisterung in seinem Gesicht, wenn er über seine Spiele redet. Er freut sich jedes Mal, wenn man einen älteren Titel von ihm erwähnt als wäre man der erste Mensch, der ihn darauf anspricht. Nicht nur deswegen wünsche ich mir, dass HomeTown Story einen ähnlichen Einfluss wie Harvest Moon haben wird. Über ein Urteil bezüglich der Qualität des Spiels kann ich leider nur spekulieren, denn bis auf Wadas Beschreibungen konnte ich mir nur Bild- sowie Videomaterial sehen. Trotzdem kann ich es kaum abwarten, endlich meinen persönlichen Laden zu führen und jedes einzelne Produkt auf seinen eigenen Platz zu setzen.

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