Wie mächtig ist "The Mighty Quest for Epic Loot"
Ein Spiel zweier Hälften – und doch ein klar erkennbares Ganzes.
Im letzten Frühling noch hätte ich nicht gedacht, dass zwischen Torchlight 2 und Diablo 3 noch für weitere artverwandte Spiele Platz sein würde. Doch einerseits ist das jetzt schon eine Weile her und andererseits lief ja nicht alles wie erwartet, nicht wahr? Gerade der Blizzard-Titel ist nun doch nicht der erwartete Genre-Alleinherrscher geworden, den man sich nach einer Entwicklungsdauer von zwei ausgewachsenen Konsolengenerationen erhofft hatte.
Und selbst wenn: Als Free-to-play-Titel mit humorigen Ausblick auf das Genre und dem Willen über den klickklickklickenden Tellerrand dieser Gattung Spiel hinauszublicken läuft The Mighty Quest for Epic Loot von Ubisoft Montreal ohnehin außer Konkurrenz auf. Vor zwei Wochen durften wir in Paris das erste Mal selbst Hand an die Mischung aus Hack-and-Slay und Dungeon Keeper legen und uns ein Bild der Anziehungskraft der asynchronen Mehrspieler-Komponente machen. Kurzum: Nach überschaubarer Eingewöhnungsphase entstand in dem Testspiel-Biotop unter den Kollegen aller versammelten internationalen Magazine ein durchaus motivierender Wettbewerb.
Yin und Yang
Das Spiel zieht seinen zentralen Reiz aus der strikten Zweiteilung seiner zentralen Komponenten. Jeder Spieler bekommt ein Schloss, das er im Defend-Modus mit Monstern, Fallen, Räumen und anderen Problemzonen ausstattet, um sich für den Ansturm aller anderen Helden aus der Community zu rüsten, die Tag und Nacht einfach in eurer Abwesenheit erfolgen. Je nach Rang eures Schlosses könnt ihr unterschiedlich komplexe Bauten errichten, während die Größe eurer Behausung das Zeitlimit bestimmt, in dem ein Angreifer eure Verteidigung überwinden muss. Schafft er es nicht rechtzeitig, bleibt die Schatztruhe am Ende des Levels, die einen Teil des Vermögens ihres Besitzers beinhaltet, zu. Ein Cooldown-Timer verhindert einen sofortigen Neuversuch. In den Probe-Schlössern, die für das Event vorgefertigt waren, hatte man nur wenige Minuten für einen Durchlauf.
Jeder Spieler bekommt ein Schloss, das er im Defend-Modus mit Monstern, Fallen, Räumen und anderen Problemzonen ausstattet, um sich für den Ansturm aller anderen Helden aus der Community zu rüsten.
In jedem Fall ein wirksames Rezept, um ordentlich Druck auf den Angreifer auszuüben und gleichzeitig offensichtlich für schnellen Zwischendurch-Spaß optimal. Eine übersichtliche Statistik zeigt euch alle Angriffe auf euer Schloss, und ob sie erfolgreich waren, und bieten sogar ein optionales Replay an, das ihr euch (wenn ihr mögt auch im Schnelldurchlauf) anschauen könnt, um die Schwachstellen eures Werks zu analysieren. Ist der Knackpunkt ausgemacht, geht ihr direkt in den Baumodus hinein und stellt aus den vorgefertigten Räumen, Anlagen und Monstern mit wenigen Handgriffen eine neue Konstellation zusammen, die den Feind beim nächsten Mal hoffentlich länger beschäftigt. Konzentrierte ich mich anfangs noch - auch aus mangelnder Einheiten- und Fallenkenntnis - darauf, meine überkandidelte Folterkammer bis an den Rand des Einheitenlimits min Monstern zuzuspammen, musste ich schnell einsehen, dass es einige nette Kombinationen gibt, die lootrünstigen Eindringlingen taktisch clever das Leben schwer machen.
Eine Sorte Monster zieht die Möchtegern-Plünderer zum Beispiel an sich heran, auch aus mehreren Metern Entfernung. Zwei von dieser Gattung auf jeder Seite eines hin und hersausenden Sägeblattes im Boden waren ein echter Bremsklotz in der Architektur meines Schlosses. Wenn man stets im Sinn behält, dass man in der Defensive im Grunde nur auf Zeit spielt, eine wertvolle Strategie. Ich bin mir sicher, da steckt noch viel mehr in den ungezählten Spielzeugen dieses Burgenbau-Sets. Was aktuell wohl noch fehlt, sind Individualisierungsmöglichkeiten, die aber fest eingeplant sind, wir reden hier immerhin von einem Spiel nach Free-to-play-Modell. Alles andere wäre auch verschenktes Monetarisierungspotenzial. Auch Elemente wie Lichtquellen und andere Einrichtungsgegenstände sollen individuell platziert werden können.
Was wirklich fehlte, und worauf die Entwickler im Gespräch auch noch keine zufriedenstellende Antwort parat hatten, war das Thema Geheimgänge. Da man irgendwann alle Grundrisse aller Gänge und Hallen kennt, kommt das explorative Element schnell zu kurz und die Tausenden Schlösser könnten genau so gut ein und dasselbe sein. Dann wiederum: Hier sollen schnelle Runden gespielt werden. Es ist wohl eine Balance-Frage, wie Ubisoft Montreal am Ende mit der Frage versteckter Güter umgeht.
Auf Angriffseite reichen unterdessen deutlich weniger Worte, um 'The Mighty Quest' zu umschreiben. "Torchlight durch die Pixar-Brille" trifft es wohl am besten. Es ist ein fröhliches, hübsch anzuschauendes Cartoon-Gemetzel mit sehr netter Beleuchtung und nur vier Skills und einem Heiltrank in der Schnellleiste. Ich spielte als Bogenschütze und da viel die Wahl meiner Fertigkeiten schon schwer. Ein Schuss, der Feinde durchdrang, einer der fächerartig mehrere traf, eine Ausweichrolle, um Raum zu gewinnen und Ninja-Spikes, um Nahkämpfer zu bremsen. Das war es auch schon. Nach meinem ersten Level-Aufstieg kam eine weitere lohnende Fähigkeit dazu - ich musste eine andere rauswerfen.
Lehrreiche Kompromisse
Die Wenigsten unter den Redakteuren im Keller eines Pariser Restaurants wollten sich mit dieser Art von Knausrigkeit anfreunden, und doch macht es für dieses Spiel einfach Sinn, dass der Spieler sich seine Auswahl an Aktionen Fall um Fall neu zurechtlegt. Man soll probieren, auf die Nase fallen, daraus lernen und es mit einem anderen "Build" an Aktionen hoffentlich erfolgreicher versuchen. Am Ende meiner Sitzung sah ich durchaus ein, dass zehn Schnellwahltasten für dieses kurz und schnell feuernde Hack-and-Slay wohl deutlich zu viel wären. Schon ein oder zwei Schnellwahl-Slots zusätzlich könnten einen großen Unterschied machen. Übrigens: Wer ein Schloss erfolgreich hinter sich lässt, darf dem Geschlagenen eine hämische Nachricht an seiner Pinnwand hinterlassen. Nett.
Ebenso nett ist auch das Versprechen der Entwickler, dass jedes der Items, die man im Cash-Shop gegen Bares kaufen kann, auch normal im Spiel zu bekommen ist. Mehr noch: Die besten Waffen bekommt man tatsächlich nur als Loot. Mit Geld kann man sich solide, schlagkräftige Ausrüstung zusammenstellen, die exotischen, wirklich einzigartigen Prügler und Rüstungsteile erhält man jedoch nur, wenn man fleißig spielt. Das ist die Sorte unaufdringliche, optionale Mikrotransaktion, die nicht ohne Grund so langsam aber sicher Schule macht.
Es ist schon eine durchaus zündende Mischung, bei der man sich fragt, wieso nicht schon früher jemand darauf gekommen ist. Mighty Quest gefällt mit seinen kurzen Runden und reicher Beute schon jetzt mit einem ordentlichen "Nur-noch-ein-Schloss"-Effekt, der nicht zuletzt von den mundgerechten Happen herrührt, die Ubisoft Montreal einem serviert. Schnell rein, schnell wieder raus, und wenn dann die Nachricht aufploppt, dass die eigene Verteidigung geknackt wurde, hängt man auf einmal doch wieder eine Viertelstunde über der Aufzeichnung, um zu schauen, woran es lag. Klingt der wunderbar deskriptive Titel für euch nach etwas, das auch nur ansatzweise euer Interesse kitzelt, habt ihr auch schon die Antwort auf die Frage, ob ihr dieses sympathische Gehacke auf eure Beobachtungsliste setzen solltet.