Wie Prey die Lücke schließen könnte, die BioShock gelassen hat
Retter einer bedrohten Art?
Was ist eigentlich passiert? Für ein paar Jahre schien es, als wären Spiele wie BioShock alles, woran Spieler und Entwickler denken konnten. Das vorgelegte Schnittmuster wähnte man bereits als Blaupause für ein neues Sub-Genre von Actionspielen, die sich unter Einsatz genverändernder und bodymoddender Mittelchen in erster Linie als Geschichten inszenierten. Und doch, so richtig ein Trend wurden nur Einzelelemente.
Ich vermisse sie sehr, diese First-Person-Abenteuer, die cleverer waren als ihr Kunde oder sich zumindest so gaben und dadurch mysteriöser wirkten als die durchschnittliche Triple-A-Schießbude. Die ihn überraschten, weil sie mit genau den richtigen Informationen bis zum Schluss hinterm Berg hielten und die mit ihren erfrischend hochtrabenden Ideen von ihm die Bringschuld einforderten, sich mit ungewöhnlichen Stoffen auseinanderzusetzen - Ayn Rand, Objektivismus, Quantenphysik. Schönen Dank, Ken Levine! -, wollte er das Maximum aus der Geschichte ziehen.
Nachwuchs derartig hochkonzeptig angelegter Action-Erlebnisse ist bis heute dennoch Fehlanzeige. Seit das gelungene BioShock Infinite eine erwiesenermaßen nicht ganz einfache Geburt war und zuvor BioShock 2 nicht auf die größte Gegenliebe stieß, ist von großformatigen Shootern nach "Shock"-Schnittmuster - das System-Shock-Remake und das in der Konzeptphase befindliche System Shock 3 klammere ich mal vorsichtig aus - nichts mehr zu sehen. Klar, diese Art von Spiel ist teuer zu machen, erfordert von Anfang bis Ende eine durchgängige Vision, am besten einen echten Autoren am Steuer. Aber so verliebt, wie die Branche für ein paar Jahre in die Gedankenwelt von Irrational Games' Werk war, wundert es doch, dass in der Richtung nicht schon längst etwas Neues gekommen ist.
Mit Prey könnte diese Idee ambitionierter und semi-offen ausgelegter Meditationen über Fortschritt und seine Kosten für die Menschlichkeit vor einem knalligen Hintergrund nun vielleicht endlich seine Fortsetzung finden. Und es wird höchste Zeit. Denn ich will ehrlich sein, mir hat diese Sorte Spiel gefehlt, was ich kürzlich merkte, als ich im Anlauf auf die BioShock-Remasters noch einmal Infinite und seine DLCs einlegte. Gut, das ist zum Teil Spekulation, denn wirklich viel gesehen hat man von Prey noch nicht. Aber was ich hinter verschlossenen Türen bisher anschauen durfte, das versprüht durchweg den Vibe, der oben beschworenen kräftegetriebenen Actioner.
Einige Puzzleteile liegen schon auf dem Tisch und ergeben schon jetzt ein - zugegeben unscharfes - Bild, das eine Vorstellung vermittelt, wie sich das hier mal anfühlen wird. Auch hier bewegt man sich auch mal zurück in bereits bekannte Bereiche der Raumstation, macht unter veränderten Vorzeichen neue Entdeckungen, während Zero-G-Abstecher an die Außenseite der Anlage an einstige Tauchgänge erinnern, bei denen man Rapture auch von außen sehen durfte.
Und dann ist da die vage und mysteriös gehaltene Prämisse - Forscher arbeiten an einem abgeschotteten Ort an einem Projekt "das die Menschheit für immer verändern" soll. Da wird doch keiner an unserer Erbsubstanz rumfummeln?! Die bereits bestätigten Plasmide - pardon - Neuromods, spannen diesen von "drüben" bekannten erzählerischen Bogen herüber ins Spielerische: fremde Substanzen (?) in einem suspekten pseudomedizinischen Werkzeug, die sich die Hauptfigur natürlich bereitwillig reinzieht und hoffentlich nicht vergisst, es vorher zu desinfizieren. Das schreit alles geradezu nach BioShock und es wundert im Nachhinein nicht, wenn man rückblickend feststellt, dass Arkane 2009 kurz an dessen zweitem Teil aushalf, bevor Bethesda merkte, was diese Leute auf dem Kasten hatten und sich das Studio einverleibte.
Dieses Studio hat mit derart gestrickten nachdenklichen Actionspielen also bereits Erfahrungen gesammelt und ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die Arbeit am einstigen Platzhirschen Eindruck hinterlassen hat. Trotzdem werden wir es aller Voraussicht nach aber nicht mit einem verwässerten Klon BioShocks zu tun bekommen, selbst wenn dessen DNA überdeutlich an ihm klebt. Arkane-Gründer Raphael Colantonio, unter dem das neue Prey entsteht, hat bereits bewiesen, dass er ein gutes Händchen für charakterstarke Stoffe hat (Arx Fatalis, Dark Messiah und Dishonored sind allesamt ihr eigenes Ding) und wie der Entwickler betont, dass Waffen beziehungsweise Munition ein eher seltener Fund sein werden, macht Mut. Dieses Spiel wird vielleicht nicht so schwer unter dem Action-Zwang zu schleppen haben, wie er BioShock Infinite letzten Endes ein bisschen in die Knie zwang.
Prey könnte also nicht nur die hinterbliebenen Fans von Irrationals profilierter Art-Action bedienen, sondern diesem Sub-Genre weltengetriebener Selbstmutation endlich auch den frischen Dreh verleihen, zu dem Infinite nicht im Stande war. Ein von der steten Möglichkeit, hinterrücks von einem vermeintlichen Stück Levelinventar angegriffen zu werden gedrücktes Tempo, mehr Erkundung und Problemlösungsstrategien, die über "Waffe rechts, Feuerball links" hinausgehen. Das könnte Ken Levines feinsinnigen, aber spielerisch heute ein wenig ratlos wirkenden Entwurf eines Actionspiels in eine Ära führen, in der wieder die versammelte Branche mit funkelnden Augen auf dieses eine Spiel schielt, das sie am liebsten selbst gemacht hätten.
Und wenn es in die Hose geht, was je nach Qualität meines heutigen Kaffeesatzes durchaus im Rahmen des Möglichen ist? Dann bin ich immer noch froh, dass sich trotzdem jemand daran versucht hat, egal wie gerne ich Human Heads Prey 2 auch gesehen hätte.
Entwickler/Publisher: Arkane Studios/Bethesda - Erscheint für: Xbox One, PlayStation 4, PC - Geplante Veröffentlichung: 2017