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Wie Underworld Ascendant die Ego-Perspektive wieder aufregend machen will

Und wieso man manchmal über Klippen treten muss.

Underworld ist zurück. Nachdem Looking-Glass-Gründer Paul Neurath über zwanzig Jahre brauchte, um die Rechte von EA zu bekommen, schauen wir heute, welche Mammutschritte sein Studio Otherside Entertainment in Sachen Spieldesign tun möchte.


Die wichtigste Frage, die man sich nach dem Wiederauftauchen eines solchen Klassikers zwangsläufig stellen muss: Kann Ascendant heute überhaupt dieselbe Wirkung entfalten wie Ultima Underworld vor über zwanzig Jahren?

"Ehrlich gesagt, 'Nein'", antwortet Neurath. "Ich erinnere mich an Game-Designer, die damals Underworld spielten und verblüfft dastanden. Ihnen klappte der Kiefer runter. Ich denke nicht, dass das mit Ascendant passiert [...] Wir können keinen kompletten Wandel in Sachen Technologie mehr hinlegen. Die Hardware nimmt einem heute das meiste ab und es ist so viel schwerer geworden, eine grundlegend andere Erfahrung auf diesem Level zu erschaffen. Niemand wird sich Ascendant ansehen und sagen: 'Wow, ich wusste nicht, dass so etwas möglich ist' - zumindest was das Visuelle angeht."

"Wo wir jedoch mithalten und uns gegenüber dem Original steigern können, ist das Gameplay. Wir wollen die spielergesteuerte Erfahrung vorantreiben [...] und gehen damit weiter, als es Ultima Underworld oder System Shock damals konnten."

Ein wuchtiges Versprechen. Ein wenig verwundert es milde gesagt doch, wie messerscharf Neuraths Vorstellungen sind, als hätte er die fünfzehn Jahre nach Looking Glass in Meditation darüber verbracht. Heute nennt er Dishonored und Bioshock als positive Beispiele dafür, wie der Freiheitsgedanke des spielergesteuerten Erlebnisses in modernen Titeln weiterlebt. Und dennoch, man merkt es ihm hier und da an, wenn er über früher spricht, ein bisschen enttäuscht scheint er schon, dass diese Art von Spiel keine großen Fortschritte machte.

Einige seiner Ideen für Ascendant gehen zurück bis ins Jahr 1993, darunter Features, die es nicht in Ultima Underwold 2 schafften und in einem dritten Teil hätten umgesetzt werden sollen. Andere haben einen deutlich aktuelleren Ursprung, als er moderne First-Person-Spiele sowie RPGs spielte und darüber nachdachte, wie man das Genre voranbringen kann.

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Als Grundlage für Ascendant dient die "Improvisation" genannte Engine. Vorstellen könne man sich die dazugehörigen Tools wie eine Art Gerüst, an dem sich der Spieler zum "MacGyver einer Fantasy-Welt" aufschwingt. Die Figur der gleichnamigen TV-Serie aus den Achtzigern und frühen Neunzigern war dafür bekannt, in scheinbar aussichtslosen Situationen durch Improvisation ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Mit einem Taschenmesser und etwas Krimskrams baute der Mann weltverändernde Dinge - so kam es einem manchmal vor - und entkam in praktisch jeder Folge allem, was wehtun kann.

Underworld Ascendant will ein ähnliches Verständnis für die Spielwelt und die Vorgänge in ihr fördern. Natürlich darf man den klassischen Fantasy-RPG-Weg einschlagen und es mit Waffengewalt versuchen, erklärt Neurath, zumindest so weit, wie man damit kommt. "Die Welt ist offen und wir schränken den Spieler nicht darin ein, wohin er zu gehen hat. Wir stellen keine Straßensperren auf. Wenn jemand tiefer in den Dungeon vordringen möchte, soll er das tun. Die Dinge können einem dann jedoch schnell über den Kopf wachsen und man gerät in Kämpfe, die man nicht gewinnen kann." Weiterleveln und stärker wiederkommen? Die klassischste aller Lösungen und eine von vielen.

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Otherside möchte den Spielern ein Gefühl von Cleverness verschaffen. Um kurz beim MacGyver-Beispiel zu bleiben: Es gibt jede Menge Fallen in der Unterwelt, die nicht als feste, einheitlich definierte Spieldesignobjekte ihren Dienst verrichten, sondern auf vereinfachter Physik basieren. Sie haben Kraftimpulse, Explosionsradien, Auslöser. Mit den entsprechenden Fertigkeiten kann man diese Fallen aufnehmen, sie neu konfigurieren und dann damit ein Monster lahmlegen, das im normalen Kampf zu stark gewesen wäre.

Eine dieser Kreaturen ist der Lurker, den man schon in Ultima Underworld durchs Wasser schwimmen sah, eine Art gigantischer Kraken. In Ascendant bewacht er ebenfalls einen Fluss und macht jedem die Überquerung schwer, der zu schwach ist, ihn einfach zu erschlagen. Eine Möglichkeit wäre, eine fußlange Raupe - in der Unterwelt so etwas wie die Leichen zersetzende Müllabfuhr - in die Strömung zu werfen. Sie treibt weg und der Lurker schwimmt seinem Snack hinterher, während der Spieler schnell den Fluss überquert.

Jemand anderes wirkt einen "Charm"-Zauber auf eine riesige Höhlenspinne, um sich an das achtbeinige Untier dranzuhängen, sobald es an der Decke auf die gegenüberliegende Seite krabbelt. Ein dritter nutzt einen Spruch, um Pilze zu Riesenpilzen anwachsen zu lassen. Damit (und mit ein wenig Abstraktionsvermögen) blockiert man die Strömung, fast wie mit einem Biberdamm. Der Lurker zappelt wie ein Fisch auf dem Trockenen und lässt euch ebenfalls vorbei.

Auch das Schleichen kann ein gangbarer Weg sein. Obwohl Ascendant vordergründig kein Stealth-Spiel wie Thief ist, will Otherside den verstohlenen Facetten mehr Gewicht verleihen, etwa mit Licht/Dunkelheit und Geräuschen als aufeinander reagierende und vom Spieler subtil beeinflussbare Systeme.

Physik spielt insofern eine Rolle, als dass beispielsweise jedes Material eine bestimmte Entzündbarkeit aufweist. Bei Steinen und Metallen lässt sich mit Feuer nicht viel ausrichten, aber eine Brücke? Kann einstürzen, wenn man sie auf der Flucht vor Monstern entzündet und den Verfolgern so den Weg abschneidet. Je nachdem, wo man steht, womit man auf die Brücke schlägt oder wie hoch das auf sie drückende Gewicht ist, soll sich selbst diese kleine Aktion von einem Spieler zum nächsten unterscheiden.

Und falls man die Brücke noch mal braucht? Im besten Fall ist man mit den Zwergen befreundet, einer von drei um die Vorherrschaft kämpfenden Hauptgruppierungen, und kann sie ermuntern, sie wieder instand zu setzen. Vielleicht ist man aber auch mit den Dunkelelfen oder den Pilzwesen im Bunde und muss sich einen anderen Weg suchen. Die Fraktionen und ihre Handlungen sollen stärken, was man im Original als "Dungeon-Ökologie" bezeichnete und was danach nur noch einmal in Arx Fatalis von Arkane (2002) aufblitzte.

Drei Hauptgruppierungen sind in der Underworld ansässig, alle mit ihren eigenen Motiven, Einflussbereichen und Zielen.

Die Unterwelt hat mehr zu erfüllen, als ein Zugeständnis an Looter und Erfahrungssammler zu sein, nur weil RPGs so etwas beinhalten müssen. Sie soll ebenso Charakter sein wie die NPCs, auf die ihr trefft, sich entwickeln, nie stillstehen. Entsprechend gibt es nicht nur die Gruppierungen mitsamt ihrem Einflussbereich, sondern zum Beispiel auch neutrale gesinnte Kreaturen, die einfach dort unten hausen. "Wir wollen das Gefühl erzeugen, dass die Welt in Abwesenheit des Spielers weiterlebt", sagt Neurath.

"Jedes empfindsame Wesen hat Motivationen und Ziele. Wer sich dafür interessiert, wird nach und nach von ihnen erfahren, um daraus Vorteile zu schöpfen. Man kann empfindsame Kreaturen zur Unterstützung auf die eigene Seite ziehen, ihnen kleine Gefallen tun oder Ressourcen tauschen."

"Wenn man sich die Beschreibung von Tolkiens Minen von Moria ansieht - sie fühlen sich an wie ein Charakter, haben Geschichte", sagt Neurath. "Und wenn man ein Projekt als Designer runterbricht auf 'Es ist doch nur ein Spiel, wir brauchen einige Mechaniken hier, Assets dort', raubt man ihm einen Teil seiner Kraft."

"Wenn man aufrichtig an die Fiktion dahinter denkt, sie erschafft und für das respektiert, was sie ist, führt das eher zu einer Vertiefung, die der Spieler schätzt."

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Und auch wenn Ascendant mit Sicherheit nicht den Massenmarkt erreichen wird, auf dem sich etwa Skyrim tummelt, ein unleugbar von Underworld abstammendes Spiel - Neurath ist einfach nur glücklich, endlich den nächsten Schritt machen zu dürfen.

Bis heute unvergessen: Ultima Underworld.

Auf der offiziellen Seite heißt es, das Spiel modernisiere nicht nur die Grafiken der Serie und die Benutzeroberfläche, um die Kraft heutiger PCs ausschöpfen zu können; "es innoviert auf eine kühne, neue Art". Auch ohne Ultima im Namen ist es für Neurath seine Serie, die Underworld. Es war der Startpunkt für Looking Glass und er hat zwanzig Jahre gebraucht, um hierher zurückzukehren.

"Mich hat wirklich umgehauen, was Fans den Originalen gegenüber für eine Leidenschaft aufbringen. Es waren bedeutende Spiele für sie", freut er sich. "Einer von ihnen erzählte uns, wie er den ersten Teil mit seinem Vater spielte. Er war noch ein Kind, als dieser erschien, und das gemeinsame Spielen verband die beiden. Sein Vater verstarb einige Zeit später. Seitdem spielt er Underworld jedes Jahr, wie ein Ritual, um sich an ihn zu erinnern und sich ihm verbunden zu fühlen."

"Ich kann nicht vorhersagen, wie bedeutungsvoll Ascendant für die Spieler wird. So ist das bei Innovationen. Als Game-Designer lässt sich nicht vorausahnen, wie die Spieler es aufnehmen. Man kann es sich einreden, aber dann belügt man sich selbst", sagt Neurath. "Ein Teilgrund, warum man nicht viele Spiele dieser Art sieht, ist, dass man als Entwickler ein Stück weit über die Klippe ins Ungewisse treten muss. Wenn man das nicht tut, kann man nie zu Innovationen kommen, nicht auf dieser hohen Ebene. Für viele Spielentwickler ist es inakzeptabel, nicht genau zu wissen, wie sich das Endergebnis spielen wird."

"Wir sind auf jeden Fall bereit, noch einmal über diese Klippe zu treten."

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