Warum Bomber Crew zugunsten des Gameplays auf einen realistischen Stil verzichtet
Im Gespräch mit den Entwicklern von Runner Duck Games.
Brutal. Schmutzig. Trostlos. So sieht Krieg aus. Nichts, was wir je erleben möchten. In Spielen schlüpfen wir trotzdem regelmäßig in kriegerische Rollen und kämpfen, als wäre es das Normalste auf der Welt. Ist es in gewisser Weise, Kriege ziehen sich bis heute durch die ganze Menschheitsgeschichte. Mindert es da nicht die Wirkung eines solchen Szenarios, des Zweiten Weltkriegs etwa, wenn wie in Bomber Crew Comic-artige Charaktere im bunten Pixellook über den Bildschirm wuseln?
"Aus Gründen der Übersichtlichkeit galt es, die Charaktere und Objekte mit übertriebenen Proportionen darzustellen, während so viel auf dem Bildschirm passiert", sagt Dave Miller vom Zwei-Mann-Entwicklerstudio Runner Duck Games im Gespräch mit Eurogamer.de. "Das funktionierte gut bei Cannon Fodder, einem ebenso Cartoon-artigen Spiel mit einer im Kern ernsthafteren Botschaft. Eine, die uns auch in unserer Kindheit nicht entging."
Den Entwicklern gehe es darum, dass Bomber Crew Spaß macht. Daher passe der gewählte Grafikstil dazu. Und zu berücksichtigen sei, dass nicht mehr als zwei Mann an dem Projekt arbeiten, die gar nicht in der Lage wären, mehr als das zu stemmen. "Es ist absolut möglich, dass das Spiel unabhängig von seiner Präsentation eine Botschaft vermittelt", fügt er hinzu. "Ein realistischerer Stil hätte realitätsnahe Proportionen erfordert. Es wäre schwieriger, Charaktere und Objekte zu verstehen und mit ihnen zu interagieren."
"Sobald die Spieler sich schnell an diese Cartoon-artige Welt gewöhnt haben, beschäftigen sie sich mit den Geschichten ihrer Mannschaft", erzählt Miller. "Es war immer angedacht, dies in den Mittelpunkt zu rücken. Der Stil sieht zwar Cartoon-artig aus, was den Verlust eines liebgewonnenen Crewmitglieds während seines 30. Einsatzes aber nicht mindert!"
Die Inspiration für Bomber Crew waren Spiele wie der oben erwähnte Amiga-Titel. Ein Spiel, in dem Charaktere für immer verloren gehen, wenn sie sterben. Eure Entscheidungen spielen eine wichtige Rolle, ganz im Gegensatz zu den vorherbestimmten Enden vieler moderner Spiele. Was die Thematik einer Bomberbesatzung im Zweiten Weltkrieg betrifft, nennt Miller seinen Großonkel als Vorbild. Er war Navigator in einem Whitley-Bomber, was seine Faszination dafür beflügelte.
"Der Stil sieht zwar Cartoon-artig aus, was den Verlust eines liebgewonnenen Crewmitglieds während seines 30. Einsatzes nicht mindert!"
Dave Miller
"Es gab ein paar tolle Spiele wie B-17 Flying Fortress, der Fokus lag dabei nie auf den Erlebnissen der Mannschaften von Mission zu Mission", erläutert er. "Diese zwei Einflüsse waren entscheidend bei der Ideenfindung für Bomber Crew. Unsere Absicht war, ein Spiel zu entwickeln, das sich tiefgehend mit den technischen und historischen Details beschäftigt. Zugleich strebten wir Charaktere an, die sich wie eigene Persönlichkeiten anfühlen, mehr als ein simpler Avatar für den Spieler sind. Der Gedanke dahinter war, dass die Spieler eine Bindung zu ihnen aufbauen, indem sie sie durch die Kampagne begleiten und sehen, wie sie sich weiterentwickeln und ihre eigenen Geschichten erzählen."
Ursprünglich entstand Bomber Crew als 2D-Pixel-Art-Prototyp in der Freizeit der Entwickler. Es war mehr ein Machbarkeitsnachweis, erst danach begann der Großteil der Arbeit. "Nachdem die Basics einer Mission funktionierten, erkannten wir, dass das Konzept dahinter aufgeht", erklärt Programmierer Jon Wingrove. "Daraufhin entschieden wir uns, den Sprung zu 3D zu machen. Das Gameplay des Spiels erhielt so mehr Tiefgang, vor allem in Bezug auf die Flug- und Schadensmodelle."
"In unserem ersten 3D-Prototyp liefen die Navigation und der Beschuss von Feinden automatisch ab", führt er weiter aus. "Das passte zu unserem Konzept einer weitestgehend autonom agierenden Besatzung. Zugleich hatte der Spieler wenig zu tun. Daher entwickelten wir das Tagging-System, das der Zielmechanik in einem FPS ähnelt. Es entwickelte sich zur primären Methode für die Auswahl von Navigationspunkten und zum Markieren von Feinden. Das finale Spiel ist viel tiefgehender und detaillierter als ursprünglich geplant. Der Kern des Konzepts war stark genug, um unverändert zu bleiben."
Miller vertritt die Ansicht, dass Bomber Crew ein Hardcore-Spiel sein müsse, da es ja um das Überleben der Crew gehe. Es sei möglich, das Spiel komplett ohne Verluste abzuschließen. Aber es bestehe immer die Gefahr eines kleinen Problems, das sich zu einer größeren Katastrophe entwickle. Entscheidend sei, den Spielern ständig ein Gefühl von Gefahr zu vermitteln. Wenn diese den Eindruck hätten, eine Mission mit Leichtigkeit zu bewältigen, bedeute ihnen das Überleben ihrer Mannschaft nichts.
"Es war wichtig, die Herausforderung jeder Mission hochzuhalten", sagt er. "Und es zugleich zu ermöglichen, sie erfolgreich abzuschließen und ohne Verluste zur Basis zurückzukehren. Wir verbrachten viel Zeit mit Werten wie Schaden, Gesundheit und Panzerung, bevor wir uns mit der Verteilung von Gefahren innerhalb der Missionen beschäftigten. Da diese stark auf Physik-Simulationen basieren, war das ein schwieriges Unterfangen."
Die größte Herausforderung während der Produktion war, dieses Projekt zu zweit zu entwickeln. Wie Wingrove erzählt, vergingen zwischen dem Zeitpunkt, ab dem die Macher hauptberuflich daran arbeiteten, und der Veröffentlichung der ersten Version auf Steam zehn Monate. Es sei schwierig gewesen, so schnell zu arbeiten. Hilfreich war dieser Druck dabei, Entscheidungen zu treffen, da ihnen keine Zeit blieb, lange darüber nachzudenken.
"Du solltest nie die Gewissheit haben, dass deine wertvolle Besatzung nach jeder Mission gesund zurückkehrt."
Jon Wingrove
Ursprünglich war vorgesehen, dass die Besatzung eures Bombers eine von vielen auf dem Stützpunkt ist. So, wie es in der Realität aussähe. Die Entwickler dachten darüber nach, andere Leute im Hintergrund zu zeigen oder euren Bomber in einer Gruppenformation fliegen zu lassen. Das sei zwar aus atmosphärischer Sicht eine nette Sache gewesen, lenkte aber die Aufmerksamkeit weg von eurer Besatzung. "Wir erkannten, dass es das Beste wäre, diese Idee fallen zu lassen", sagt Miller.
Eine weitere verworfene Idee ist die Zufallsgenerierung von Missionen. Wie Miller erklärt, dachten die beiden Entwickler über diese Möglichkeit nach. Das Resultat waren Einsätze, die sich im Endeffekt zu ähnlich anfühlten. Daher setzten sie auf handgefertigte Aufträge, um deren Qualität und Abwechslungsreichtum sicherzustellen.
Im Spiel habt ihr die Möglichkeit, die Zeit in begrenztem Maße langsamer ablaufen zu lassen, während ihr zum Beispiel neue Befehle erteilt. Bei meiner Recherche zu Bomber Crew stieß ich auf die Kommentare und Bewertungen einiger Spieler, die sich eine Pausefunktion wünschten. Die Entwickler halten von dieser Idee wenig, sie hätte nach ihrem Dafürhalten das Spiel zu einfach gemacht. "Es war wichtig, den Spielern ein Gefühl von Dringlichkeit während der Missionen zu vermitteln", erläutert Wingrove. "Du solltet nie die Gewissheit haben, dass deine wertvolle Besatzung nach jeder Mission gesund zurückkehrt. Die wahre Herausforderung des Spiels ist, die Crew und ihr Flugzeug vorzubereiten und im Verlauf der Missionen aufmerksam zu sein, wie in der Realität."
Die Mühe der beiden zahlte sich am Ende aus, das Spiel sei ein kommerzieller Erfolg und habe gute Kritiken erzielt. "Wir gingen ein Risiko ein, indem wir ein Spiel entwickelten, das so heraufordernd und brutal sein kann", erzählt Miller. "Aber es scheint bei vielen gut anzukommen. Wir hofften auf einen moderaten Erfolg, der für die Entwicklung unseres nächsten Spiels ausreicht. Den haben wir erreicht - und noch viel mehr."
Dabei war es ihnen wichtig, schnell auf das Feedback der Spieler zu reagieren. Nicht allein in Foren, auch auf Events. Im Rahmen der Game Developers Conference stellten beide fest, dass die Spieler fünf bis zehn Minuten brauchten, um mit der Gamepad-Steuerung zurechtzukommen. Das dauerte zu lange, sie nahmen sich diese Kritik zu Herzen und schraubten daran herum. Einen Monat später sei die Steuerung den Spielern auf der EGX Rezzed viel schneller ins Blut übergegangen.
Multiplayer- oder Koop-Elemente gibt es in Bomber Crew nicht und sie sind für DLCs kein Thema. Grundsätzlich seien beide daran interessiert. Es gebe mehrere Ideen für das nächste Spiel des Duos, mit Ähnlichkeiten zu Bomber Crew sei zu rechnen. Gleichzeitig sind die beiden begierig darauf, andere Mechaniken auszuprobieren. "Was Bomber Crew 2 betrifft, gibt es derzeit keine Pläne", sagt Miller.
Mit "USAAF" erscheint am 23. Oktober der nächste DLC für das Spiel auf dem PC, den er aufgrund des Umfangs als eine Art "Mini-Fortsetzung" bezeichnet. Konsolenspieler benötigen dafür mehr Geduld, denn auf diesen Plattformen erscheint er erst 2019.