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Wii Music

Zu simpel?

Irgendwie muss man sich das Grinsen über sich selbst schon verkneifen, wenn man so mit seiner Mote & Chuck – Kombination herumsteht und Bewegungen vollführt, die sehr vage an das Spielen eines Instruments erinnern könnten. Betont dieses „könnten“ ruhig enthusiastisch. Eigentlich macht es für Außenstehende den Eindruck, als hättet Ihr motorische Probleme oder würdet einfach ein wenig zu sehr mit dem Ipod mitgehen.

Das dürfte der erste große Bonuspunkt für die Guitar Heros und Rock Bands dieser Welt sein. Egal was echte Musiker von Euch halten, jeder erkennt sofort, was Ihr da treibt. Bei Wii Music weiß man das eigentlich nie so genau. Was zum großen Teil daran liegt, dass Ihr hier keine richtigen Klampfen in den Händen haltet, sondern die rund 60 Instrumente, sei es Gitarre, Saxophon oder Bongos, simulieren müsst.

Ihr seid in einer bis zu 4-Musiker-Kombo, jeder hat das Instrument seiner Wahl vor sich, und legt los. Free Play Jamming ist ernst gemeint. Als Rettungsanker sind grundsätzlich sechs Musiker anwesend. Zwei werden also vom Computer übernommen und sorgen für ein Minimum an Harmonie. Spielt Ihr allein, sind es sogar fünf, sodass selbst schrägere Misstöne von Eurer Seite nicht zu sehr ins Gewicht fallen.

Lasst uns kurz ins Detail gehen, denn 60 Instrumente mit eigenen Bewegungsschemata klingt kompliziert, aber es könnte am Ende kaum einfacher sein. Im Multiplayermodus wurde das Schlagzeug in der Komplexität heruntergeschraubt, da das ebenfalls unterstützte Balance-Board nur für Solospieler funktioniert. Mit mehreren Spielern schlägt man also das Chuck des Drummers auf die Snare, während die Mote für die Tom-Toms zuständig ist. Dazu noch A drücken und Ihr trefft den High-Hat. Das reicht vollkommen aus, um mit einem Minimum an Rhythmusgefühl einen brauchbaren Beat vorzugeben, in den die anderen dann einsteigen können.

E3 2008 Gameplay-Trailer.

Alle anderen Instrumente scheinen sich bei den Tönen, die sie im Free-Play von sich geben, mehr oder weniger an die Regeln der Harmonie zu halten, so dass es keine völligen Aussetzer geben wird. Bewegt die Controller - und Euch selbst - einfach so, als würdet Ihr das jeweilige Instrument wirklich in der Hand haben.

Neigt den Kopf bei Blasinstrumenten nach unten und ein leiser, tiefer Ton erklingt. Dann nach oben und Ihr bringt eine laute, hohe Passage zustande. Bei Instrumenten mit Knöpfen drückt Ihr noch die Buttons dazu und schon beherrscht Ihr praktisch das gesamte Orchester-Repertoire. Solltet Ihr Euch selbst verwirklichen wollen, müsst Ihr einfach nur ein wenig mehr Enthusiasmus bei den Bewegungen zeigen und den Controll-Stick des Nunchucks malträtieren. Die Wii realisiert dies zugegebenermaßen geschickt und wird Euer Spiel wilder anstimmen. Die größte Gefahr besteht darin, dass Ihr nicht im Rhythmus liegt und das Ganze sich wie Probe vor dem Beginn eines Orchesters anhört: Jeder macht halt, was er gerade will. Aber nach ein paar Minuten sind alle mit ein wenig guten Willen in Einklang, dafür soll die Wii schon sorgen.

Es reicht vielfach sogar, ohne große Bewegungen einfach nur im Rhythmus die Knöpfe nicht zu hektisch zu drücken. Das dürfte selbst für den genügsamsten Wii-Casualisten auf Dauer ein wenig zu wenig sein. Selbst wenn er auf der Suche nach Selbstausdruck durch ein von der Wii interpretiertes Flötensolo ist. So hoffen wir denn auf den laut Aussage integrierten, aber bis dato nicht spielbaren Modus, in dem Ihr wirklich irgendwie gezielt Noten der ca. 50 Songs treffen müsst, wenn es um eine kleine Abwechslung zum Jamming geht.

Nintendos geliebte Melodien wie Super Mario, der Yankee Doodle und wenige lizenzierte Songs stellen ein eher dünnes Sammelsurium der Kuriositäten dar, zumindest im Vergleich zum Mainstreamaufgebot anderer Musikspiele, und nicht wenige der Spieler über 14 dürften von dem Angebot eher abgeschreckt werden. Eltern dagegen freuen sich über eine Auswahl, die sie bedenkenlos auf ihre kleinsten Sprösslinge loslassen können.

Rock Band mit Miis. Nur ohne Musikkenntnisse. Oder Spielkenntnisse. Oder sonstige Kenntnisse.

Eigentlich gibt es nur eine einzige Ausnahme bei Wii Musics Suche nach Simplizität und ein erstes Zusammentreffen mit dieser lässt das Drumsolo während der Nintendopräsentation in einem ganz anderen Licht dastehen: Der Mann auf der Bühne hat das anscheinend sehr lange geübt. Seid Ihr Einzeltrommler, wird das Balance-Board als Basedrum genutzt, die Mote-Chuck-Kombo dagegen scheint ein komplettes Drumset ansteuern zu können.

Wenn man nur wüsste wie. Drehungen der beiden und verschiedene kombinierte Tastendrücke verändern die Schlagvarianten mannigfaltig und es dürfte einiges an Übung brauchen, um das Niveau von Nintendos Vortrommler zu erreichen. Leider ist dies bisher die einzig erkennbare lohnende Challenge für den Profi-Gamer. Aber besser eine als gar keine.

Denn „keine“ wäre bei Wii Music durchaus vorstellbar gewesen. Das Spiel lässt sich nach wenigen Minuten von einem Dreijährigen und Eurer Oma bedienen. Zusammen mit allen Altersklassen dazwischen, egal ob diese jetzt spielbegeistert sind oder auch nicht. Und genau darum geht es hier wohl auch für Nintendo. Die Casual-Gesamtfamilien-Zielgruppe wird nicht verleugnet, sondern umarmt.

Harcore-Rock Band-Experten, die grundsätzlich zu viert auf Expert ihre Lieder schmettern, haben vermutlich wenig Gründe, sich Wii Music anzugucken. Die typische Wii-Familie aus den fröhlichen Videos – falls es sie geben sollte – kann generationsübergreifend vor dem Fernseher loslegen und wird, so wie es derzeit aussieht, für ein Weilchen auch jede Menge Spaß dabei haben.

Wii Music soll noch in diesem Jahr erscheinen.

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