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Wikinger auf Teufels Pfaden: Vikings Wolves of Midgard

Wer wird sich denn mit Nordmännern anlegen?!

Der Zeitpunkt für ein neues Action-Rollenspiel ist eigentlich ein guter. Neocore Games gönnt Van Helsing eine Pause, um Warhammer 40K: Inquisitor Martyr zu machen und die meisten Spieler dürften durch Grim Dawn mittlerweile durch sein. Kalypso hat mit Vikings: Wolves of Midgard einen Plan, die Fans des Genres breitenwirksam - neben PC, Mac und Linux werden auch PS4 und Xbox One bedient - mit Nachschub zu versorgen.

Die nordische Mythologie hat gerade wieder Konjunktur, nachdem selbst Kratos sich mittlerweile in skandinavischen Gefilden bewegt. Tatsächlich ist das Szenario bartzöpfiger Kriegernaturen für ein ARPG definitiv ein sehr reizvolles, das konnten wir auf Kalypsos Ankündigungsevent vor einer kurzen Weile am eigenen Leib feststellen. Vikings bringt einiges an Energie und gutem Aussehen mit und setzt sich in feinen Nuancen sogar von den Standardwerken des Genres ab.

Die Feinde sind oft deutlich größer als ihr.

Alles beginnt mit einer doch recht überschaubaren Charaktererstellung. Krieger oder Schildmaid - plus einer Handvoll Gestaltungsmöglichkeiten. Alle weitere Diversifizierung findet über die Entwicklung des Charakters und seiner Ausrüstung im laufenden Spiel statt. Das erleichtert den Einstieg und eliminiert unnötige Fummelei noch bevor man seinen ersten Gegner geköpft hat. Fühlt sich zumindest sehr wikingermäßig an. Dieser Drang nach vorne setzt sich auch in der Steuerung fort, die man aktuell noch strikt mittels eines Xbox-360-Controllers handhabt. Maus und Tastatur werden noch nicht unterstützt.

Das wirkt zwar befremdlich, passt aber zum Figurenverhalten, denn seinen Wikinger steuert man doch auf ziemlich direkte Art. Sogar eine Ausweichrolle, mit der man vollkommen analog einen Rettungspurzelbaum einleitet, hat ihren Weg auf den rechten Stick gefunden. So gut wie alle anderen Tasten sind für das Auslösen eurer Fähigkeiten und Angriffe reserviert. Der Controller ist randvoll, aber noch gut überschaubar. Konsolenspieler dürften sich sofort heimisch fühlen und in dem bewegungsfreudigen Gemetzel behände Umzinglungen entgehen. Mengenmanagement und Positionierung sind das höchste Gut, will man möglichst viele Feinde mit Schnurgeraden Monstertacklings oder Area-of-Effekt-Hieben erfassen. Das hat schon jetzt durchaus Spaß gemacht, allein der Bogen gefiel mir nicht so sehr. Mit ihm zu kämpfen wirkte noch sehr statisch und kraftlos.

Ragdoll-Effekte und Zeitlupenkills sollen für Spektakel sorgen.

Im Verlauf unserer halbstündigen Session fiel schnell auf, dass man sich das Säckchen nicht so sehr mit Waffen- und Rüstungsloot vollmacht, sondern eher Rohstoffe sammelt, die man wiederum im Dorf beim Schmied in Upgrades und Neues investiert. Die Auswahl wiederum steigert man, indem man das verwüstete Städtchen wieder aufrüstet, das zu Beginn des Abenteuers von einer Horde unbekannter Monster geplündert wurde und so seine Möglichkeiten steigert. Eine schöne Art, den eigenen Spielfortschritt zu veranschaulichen. Es ist eine meiner langlebigsten Theorien, dass ein Spiel, in dem man auf der Meta-Ebene seine eigene Basis aufrüstet, im seltensten Fall ein schlechtes ist.

Ein Fragezeichen schwebt zumindest für mich noch über der Exposure-Mechanik, bei der man permanent verschiedenen Umwelteinflüssen ausgesetzt sein soll. Einfachstes Beispiel ist die Kälte des verschneiten ersten Gebiets. Bewegt man sich durch den Level, tickt unentwegt der Exposure-Balken herunter. Ist er leer, nehmt ihr Schaden und leidet unter der Witterung. Überall im Level sind daher Lagerfeuer platziert, an denen man sich aufwärmen kann. Der Knackpunkt an einem solchen System ist natürlich, dass man für jeden Moment, in dem das für reichlich Zug nach vorne sorgt, weil man schnell das nächste Feuer erreichen will, einen gibt, in dem der Spielfluss abbricht, weil man erwägt, zum letzten rettenden Punkt zurückzulaufen. Hier ist Fingerspitzengefühl von slowakischen Entwickler Games Farm gefragt, sonst schadet diese Designentscheidung mehr als sie nützt.

Dass Unity mittlerweile mehr ist als eine Notlösung, demonstriert Vikings nachhaltig.

Gut gefallen haben mir schon jetzt die Gegner, insbesondere die Bosse, in diesem Fall eine Art Eis-Geist, den man quer durch einen Level verfolgte und an verschiedenen Orten stellte, bevor man ihm in seiner Höhle den Garaus machte. Aber abseits der etwas simpel gestrickten Wölfe schindeten auch baumhohe Trolle reichlich Eindruck. Die Animationen liegen sicher nicht auf dem Niveau, das Blizzard sonst ansteuert, aber die Kamera ist selbstbewusst nah am Geschehen, damit Unity mit Fußstapfen im Tiefschnee und eindrucksvollen Beleuchtungs- und Gefriereffekten die Muskeln spielen lassen kann.

Und darum geht's im Endeffekt. Niemand erfindet hier das Genre neu und wer sich in Sachen ARPG ein wenig überspielt hat, könnte Kalypso ein bisschen Bequemlichkeit vorwerfen. Aber wenn es gut gemacht ist, ziehen Muskeln und Spektakel vor leichtem Rollenspielhintergrund unterm Strich eben doch. Und gerade auf der Konsole herrscht nicht unbedingt ein Überfluss in dieser Richtung.

Wir werden sehen, wie tief die Rollenspielelemente greifen und wie ausgefuchst vor allem die Charakterentwicklung ist, in die wir in der Kürze kaum Einblick erhielten. Aber bis hierhin scheint das Spiel versessen darauf, dass ihr verschiedene Waffenklassen meistert und euer Werkzeug verfeinert, anstatt es alle fünf Meter gegen was Neues, Besseres einzutauschen. Das ist ein vollkommen valider Ansatz für dieses temporeiche und ordentlich aussehende Spiel. Ich bin gespannt, wie sehr der bis zur Veröffentlichung des Titels Anfang 2017 zu Ende gedacht wird.

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