Windbound: Zwischen Zelda Wind Waker und Don't Starve ist noch eine Menge Platz
Setzt die Segel! Oder baut erstmal welche.
Selten erfreuten sich Crafting-getriebene Survival-Spiele so großer Beliebtheit wie heute. Ich bin nicht einmal sicher, wer diesen Trend nun so genau losgetreten hat, ob es schon Minecraft war oder doch erst DayZ. Was aber klar ist, ist die Tatsache, dass auch dieses allgegenwärtige Genre nicht alle Spieler und Spielerinnen abholt. Vor allem nicht diejenigen, die mehr Zielsetzung brauchen als das bloße Überleben in einer feindseligen Welt.
Für all diejenigen bringen die Australier von 5Lives (haben den cleveren, aber etwas überladenen Syndicate-Klon Satellite Reign auf dem Kerbholz) mit Windbound nun einen Titel heraus, der klassisches Action-Adventure in gängige Survival-Abläufe in prozedural generierten Umgebungen einkreuzt. Die halb offen ausgelegte Segelei eines Zelda: Wind Waker treffen auf entspanntes Crafting, Sammeln und Erkunden, bei dem man in erster Linie selbst die Richtung vorgibt. Eine interessante Mischung.
Beim ersten Anspielen wird klar, dass dieser Titel noch nicht ganz ausgereift wirkt - weniger ausgereift zumindest, als man vermutlich denken würde, berücksichtigt man, dass er schon Ende August erscheinen soll. Gleichzeitig wird einem schlagartig bewusst, dass dieses Spiel eine bislang sträflich offen gelassene Lücke schließt. 5Lives ist hier an etwas Großem dran!
Als Seefahrerin Kara strandet ihr auf einer kleinen Insel an, mit nichts als der Kleidung auf eurem Leib und einem kleinen Messer. Ihr mäht ein wenig Gras, dreht ein paar improvisierte Taue daraus und errichtet schließlich mit ein wenig mehr geerntetem Zellstoff ein kleines Bast-Bötchen, das ihr mit eurem Stechpaddel zur nächstgrößeren Miniinsel steuert. Hier liegen andere Zutaten herum, erste Beeren füllen euren Magen, um eure Ausdauer zu erhöhen. Steine füllen eine aus Seilen gedrehte Schleuder, Bambus beerbt Gras als zentralen Rohstoff und irgendwann Holz den Bambus.
Ihr jagt Wildschweine, grillt deren Fleisch für gehaltvollere Nahrung, fertigt aus ihren Häuten Säcke, um euer Inventar zu erweitern und aus den Knochen bessere Speere. Im Grunde wisst ihr, wie das läuft. Interessant ist hieran, dass dieses Spiel seine fünf Kapitel als Serien prozedural generierter Inseln aufzieht und ihr auf fast jeder Insel einen Schrein entdeckt, der euch eine neue Fähigkeit oder neues Wissen über die Handlung von Windbound verleiht. In der guten Stunde, die ich spielen durfte, entdeckte ich schnell einen roten Faden, den ich zwischen durchaus anziehenden Crafting- und Sammelherausforderungen auf jeder Insel immer wieder aufnahm und mich hinterher wieder ein wenig schlauer fühlte.
Durch diesen Aufbau kommt eine gewisse Zielstrebigkeit hinzu, die viele andere Spiele dieser Art vermissen lassen. Man fühlt sich mehr auf der Spur eines großen Abenteuers, das nicht alleine nur Überleben heißt, will ein großes Geheimnis ergründen und nicht allein zum Selbstversorger werden und über die Naturgewalten triumphieren. Auch wenn das selbstverständlich eine große Rolle spielt. Schon auf meiner zweiten Insel stellten mich die gewaltigen Stierwesen vor eine unlösbare Aufgabe, weil sie sowohl mit ihren Rammattacken als auch mit ihren Huftritten mehr austeilten, als meine Kara einzustecken oder zu regenerieren in der Lage war. Und wenn man raushat, wie man ihrer Herr wird, wird alsbald eure klamme Nussschale zu einem fahrenden Risiko, das der immer aufbrausenderen See nicht gewachsen ist.
Ihr seid gewissermaßen gezwungen, euch weiterzuentwickeln und das Boot Stück um Stück zu vergrößern, was vermutlich der coolste Twist dieses Spiels ist. Ihr macht das nicht allein um eures seins Willen, sondern, um eure Heldenreise fortzusetzen. Ich muss zugeben, dass ich diesen Sinn für Richtung und den sinnstiftenden Mystizismus Windbounds in anderen Survival-Spielen - Subnautica ausdrücklich ausgenommen - oft vermisst habe.
Zugleich komme ich nicht umhin, darüber zu sprechen, wie weit Karas Bewegungen vor allem im Kampf doch von der Qualität eines Wind Waker entfernt sind. Steifes, behäbiges Gestocher in Richtung von Biestern, die nicht nur stärker, sondern auch beweglicher sind als man selbst (und deren Angriffsmuster nicht gut vorhersehbar waren) - das hat nicht gerade Spaß gemacht. Vor allem im ersten Kapitel, als Heilung noch knapp war. Nach meinem Tod direkt zur ersten Insel zurückgeschickt zu werden und einen Großteil meiner Besitztümer unwiederbringlich zu verlieren, das war schon ein herber Schlag.
Überhaupt ließ dies Steuerung ein wenig Direktheit vermissen. Sicher lag das auch am Format, gespielt wurde schließlich per Stream - wie auch schon bei Ubisofts Watch Dogs Legion-Presse-Session wurde das Programm Parsec benutzt. Aber anstatt per direktem Tastendruck ein Werkzeug zu schwingen, wurde allen Orten eine Interaktionstaste genutzt. Hat auch Vorteile, zum Beispiel, dass man nicht aktiv ein Tool ausrüsten muss, weil das Spiel direkt das richtige nimmt, fühlt sich aber immer ein wenig mittelbar und distanziert an.
Schwamm drüber, es ist, was es ist. Spätestens als ich in einem späteren Kapitel mein Boot deutlich erweitern und mit einem Kochtopf für Tränke und einem Lagerfeuer für Nahrung ausstatten durfte, und dann ausprobierte, wie sich das so fuhr, war es um mich geschehen. Spoiler: es fuhr sich sehr, sehr schlecht. Aber das war auch wieder nur ein Anreiz, um "Banjo Kazooie Nuts and Bolts"-mäßig mein Design zu überarbeiten. Schade nur, dass die Demo-Zeit da auch schon vorbei war. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Optimierungen an Karas fahrendem Zuhause letzten Endes den zentralen Reiz von Windbound ausmachen.
Windbound hat noch das eine oder andere Problem: Die steife Kampfsteuerung wäre das größte davon. Aber die allgemeine Stimmung und Optik sind schon recht stark und der Gedanke, mein mickriges Bast-Kanu nach und nach zu einem mächtigen Selbstversorger-Trimaran auszubauen, macht mir jetzt schon reichlich Lust aufs fertige Spiel. Bleibt abzuwarten, inwieweit aus der prozeduralen Generierung auch ein Mehrwert gezogen wird und wie stark die Geschichte letztlich ist. Ob diese durchaus beschwerliche Reise es wert gewesen sein wird, das wird die Community maßgeblich an diesen Faktoren festmachen. Ich bin gespannt und drücke die Daumen!
- Entwickler/Publisher: 5Lives/Deep Silver
- Plattformen: PC, Switch, PS4, Xbox One, Stadia (angespielt auf PC)
- Release-Datum: 28. August
- Sprache: Deutsch, Englisch und weitere
- Preis: ca. 30 Euro