Witch Strandings – Test: Wie mir eine verkorkste Steuerung fast das ganze Spiel vermiest hätte
Death Stranding als düsteres Indie-Märchen.
Ich meine das gar nicht böse, aber manchmal scheinen Entwickler erschreckend betriebsblind zu sein. Anders kann ich mir zumindest nicht erklären, dass man die Maus wie ein aufgezogener Duracell-Hase ständig in alle Richtungen schieben muss, um sein Alter Ego übers Spielfeld zu bewegen. „Du bist dein Mauszeiger“, heißt es gleich zu Beginn, wenn man anfängt als kleines Licht einen verwunschenen Wald zu erkunden – dargestellt durch Kästchen, die alle eine bestimmte Funktion haben.
Die einen sind normaler Boden, die anderen Treibsand, Dornen oder undurchdringbar dichte Bäume und während man viele Felder problemlos überquert, stellen andere Gefahren dar, die dem Licht im schlimmsten Fall das Leben kosten. Durch solche Hindernisse soll man einen Weg zur titelgebenden Hexe finden, die den Wald zu jenem finsteren Ort gemacht hat, der er jetzt ist. Also schiebt man den Mauszeiger sorgfältig um bedrohliche Felder herum...
... nur dass man häufig gar nicht sieht, worauf man eigentlich zusteuert. Das Bild folgt den Bewegungen des Zeigers nämlich dermaßen langsam, dass man ständig am oberen oder unteren Rand des Monitors unterwegs ist. Nur deshalb bin ich denn auch häufig in Kontakt mit einem der gefährlichen Kästchen gekommen, woraufhin die Gesundheit rapide gen Null sinkt dann. Passiert das, muss man das Licht sehr schnell auf ein dahinterliegendes Feld oder in die entgegengesetzte Richtung ziehen und spätestens das ist eine ausgesprochen nervtötende Unterarm-Gymnastik, die eine Verbindung zwischen Spiel und Spieler aufbauen soll, bei mir aber eher das Gegenteil bewirkt hat.
So weit, so schlecht. Ihr seid trotzdem noch dabei? Gut! Denn immerhin gibt es eine unkomplizierte Lösung für das Problem, die Steam sogar von Haus aus anbietet. Legt die Mausbewegung einfach auf einen Analogstick des Controllers beziehungsweise aktiviert die entsprechende Voreinstellung und schon ist Witch Strandings kein großartiges, aber ein zumindest interessantes und vor allem ordentlich spielbares Abenteuer, das nicht nur vom Namen her, sondern auch thematisch an Death Stranding und dessen Aufbau von Beziehungen erinnern soll.
Das passiert zwar ausschließlich offline, aber man begegnet auch hier einsamen Charakteren in Form verschiedener Tiere, die in der unwirtlichen Umgebung Hilfe benötigen. Einige von ihnen sind krank, andere hungrig, verletzt oder verstört, weshalb sie Beeren, Heiltränke oder eine andere Ressource benötigen, um sich davon zu erholen. Die muss man also finden und anschließend zu ihnen tragen – wohl den Lichtern, die sich gut im Wald zurechtfinden. Jeden Tag geht das Spielchen dabei von vorne los, weshalb das ständige Versorgen der Bewohner eine dauerhafte Aufgabe ist und nicht zuletzt dafür sorgt, dass das Herz des Waldes langsam wieder mit Lebensenergie erfüllt wird.
Nun könnte man diesen Alltagstrott auch ignorieren und sich alleine darauf konzentrieren den Weg zur Hexe zu finden. Denn auch dafür benötigt man an verschiedenen Stellen Ressourcen, die einen Weg durch Dornenbüsche oder über Treibsand ebnen. Außerdem repariert man Schnellreise-Teleporter, falls man die dafür benötigten Werkzeuge findet. Wer nur mit Scheuklappen in Richtung Hexe eilt, wird allerdings nicht alle Enden der Geschichte finden. Zumal es noch einen weiteren, viel düstereren Weg gibt. Den zu gehen habe ich allerdings nicht übers Herz gebracht, obwohl man nur sehr wenig über die Tiere und ihre Welt erfährt.
Lediglich sehr kurze Texte dienen wie Schnappschüsse als kurze Vorstellung und selbst das zentrale Tun der Hexe wird nur angerissen. Den Großteil der Hintergründe, darunter die Geschichte des Waldes, überlässt Witch Strandings der Fantasie. Die bekommt aufgrund der klaren Beschreibungen und eindeutigen Motive zwar nicht allzu viel zu tun, allerdings funktioniert das als abstrakte Parabel gar nicht mal so schlecht, zumal die Geräuschkulisse samt der stimmungsvollen Musik angenehm vereinnahmend ist.
Witch Strandings - Test-Fazit
Alles in allem ist der erzählerische Zaunpfahl damit etwas zu offensichtlich und der wichtige soziale Aspekt weder erzählerisch noch interaktiv so richtig spürbar. Bis auf das Herumlaufen und Tragen diverser Ressourcen passiert ja nicht viel. Im Gegenzug ist das Abenteuer aber ohnehin nur etwa zwei Stunden kurz, weshalb ihm die knappe Würze ganz gut zu Gesicht steht. Als ungewöhnliche Parabel hatte Witch Strandings jedenfalls mein Interesse geweckt und als solche hat es mich auch nicht enttäuscht zurückgelassen. Mir erschließt sich nur partout nicht, was sich die Entwickler bei der enervierenden Steuerung gedacht haben – die hat mir beinahe den Spaß an diesem erzählerischen Experiment vermasselt. Weil man sie in Steam schnell verändern kann, spielt das letztlich keine große Rolle. Aber Leute, wenn es euch schon um Beziehungen und Menschen geht, dann denkt doch auch mal an die Spieler!