Witches
Mittelalterlicher Mops-Mambo
Außerhalb des hellen Scheins der Neonröhren kroch die Dunkelheit durch die Straßen der kleinen spanischen Stadt. Trotz des aufdringlichen Lichts herrschte auch in dem kargen Raum mit dem großen Konferenztisch eine Dunkelheit, eine der Art, die sich nicht darum schert, ob Licht eine Strahlung oder eine Welle ist. Kein physisches Licht würde diese Dunkelheit durchbrechen, denn sie herrschte im kreativen Geist der Köpfe von Revistronic.
„Wir brauchen einen Aufhänger, Leute. Irgendwas richtig schickes, etwas wonach die Leute sich umdrehen. Bisher haben wir eine 3D-Engine. Na toll. Wir haben eine Story mit Dämonen auf der Erde. Das hat ja noch keiner gemacht, na super. Third-Person-Shooter/Metzler. Ganz groß!“ Kraftlos sinkt der Mann am Kopfende des Tisches in seinem Stuhl zusammen. Die restlichen Anwesenden wagten es kaum, laut zu atmen. Alle sehen sich betreten an, sie dachten, sie wären schon auf der Siegerstraße, die Präsentation sollte ein kleines Fest werden.
„Ist das alles, was Ihr habt? Gibt es denn da nicht mehr? Hat denn keiner eine Idee, was es sein könnte, wonach alle Spieler gieren? Woran sie nicht vorbeigehen?“ Zunächst regte sich nichts in dem verstummten Raum. Dann ein zögerliches Räuspern von einer der zusammengekauerten Gestalten und ein fast lautlos gesprochenes Wort:
„Titten.“
Der CEO hob erstaunt eine Augenbraue „Wie bitte?“
„Ich sagte `Titten`. Wir könnten es mit ordentlich Sex-Appeal versuchen. Das hat sogar bei dieser Schlaftablette Bullet Witch geholfen.“
Es wurde ein sehr langer Augenblick kritischer Musterung, in der sie glaubten, dass genau in diesem Moment das Projekt platzen würde. Aber dann zog ein immer breiteres Lächeln über das Gesicht des CEO: „Das ist so platt, dass es eigentlich klappen muss. Sehr gut, an die Arbeit, bis zum Ende der Woche will ich nackte, oder mindestens halbnackte Tatsachen in dem Spiel sehen. Und denkt Euch einen passenden Namen aus!“
Ich gebe zu, dass ich keine Ahnung habe, ob das Ganze irgendwie so ablief, aber der Gedanke drängte sich bei einem Blick auf die Bilder schon ein wenig auf. Zumindest wenn man „ein wenig“ durch „mit der Durchschlagskraft eines Presslufthammers“ ersetzt. Würde durch Revistronics Witches ein muskelbepackter Halbdämon mit Riesenaxt turnen, hätte ich mich wahrscheinlich nicht umgedreht. Aber so zog der älteste Marketingtrick der Welt, ich gebe es offen zu. Ich drehte mich zu den weiblichen Reizen um und warf dann auch einen genaueren Blick auf das Spiel dahinter.
Zunächst aber bleiben wir noch kurz beim Thema, denn die Spanier Revistronic lassen in ihrem wunderbaren Pressememo keine Zweifel daran, dass sie Euch hier Luis Royo in 3D bieten wollen. „Heißblütige Kriegerinnen gegen satanische Monster“. „Lasst Euch in diese düstere, mittelalterliche Erzählung entführen, genießt den Kontrast zwischen lüsterner Schönheit und unheimlichen Horror“. Zielgruppe: „Männlich, zwischen 18 und 35.“ Wow, Uwe Boll reichen wahrscheinlich diese paar Zeilen, um sich die Rechte zu sichern. Solltet Ihr mehr von der Lyrik der Spanier genießen wollen, werft doch einfach einen Blick auf die Website.
Zusammenfassen lässt sich das Ganze leicht: Keine Handlung, die der Rede wert wäre. Action steht auf dem Programm. Eure nur denkbar leicht bekleidete Heroine Gwen, eine Hexe, zumindest nach sehr weiter Auslegung des Wortes und dem Willen der Entwickler, soll das Biest besiegen. Da das Biest alles und jeden versklavt, zieht Ihr durch diese lüsternen Mittelalterlande - oder verwechsele ich da was ? - und befreit hilflose gefangene Hexen, die in den unterschiedlichsten Stufen der Entkleidung festgesetzt wurden.