Witchfire ist, was nach Bulletstorm und Painkiller kommt: eine Mischung aus Hunt: Showdown und Dark Souls
Starker Zunder und Roguelike-Zauber
Bevor es gleich um Witchfire geht, zuerst die schlechte Nachricht: Von dem, was People Can Fly mit Outriders fabrizierte, war ich enttäuscht. Das Studio, aus dessen Hallen einst nicht nur Painkiller, sondern auch das famose Bulletstorm rollten, lieferte damit zwar einen satten Adrenalinkick ab. Spielerisch, technisch und erzählerisch ließ der mir aber eine Menge zu wünschen übrig.
Die gute Nachricht: Damit haben die ursprünglichen Gründer von People Can Fly überhaupt nichts zu tun. Die hatten sich nämlich schon vor gut zehn Jahren abgesetzt und unter dem Namen The Astronauts eine damals neue Spieleschmiede aufgemacht. Deren erstes Spiel war mit The Vanishing of Ethan Carter eine gelungene Mischung aus Detektivarbeit und Wandersimulator. Doch schon mit ihrem zweiten Projekt, Witchfire, kehren die Weltraumfahrer jetzt zu ihren Wurzeln zurück.
Und wisst ihr was: Verlernt haben sie seit ihrer Zeit mit Painkiller und Bulletstorm nicht das Geringste! Dieses Witchfire könnte jedenfalls richtig, richtig gut werden.
Okay, verdammt gut ist es schon jetzt. Der Early-Access-Titel (verfügbar nicht bei Steam, sondern im Epic Games Store) ist nur noch lange nicht fertig. Was zum Beispiel die Levels angeht, befindet sich gerade mal etwa ein Drittel im Spiel, wobei selbst bei dem, was jetzt vorhanden ist, noch zahlreiche Inhalte dazukommen sollen. Denn Witchfire ist weder ein geradliniger Shooter noch findet es in einer Open World statt. Ich würde es vielmehr als Roguelike beschreiben, das sich spielerisch zwischen Hunt: Showdown und Dark Souls einsortiert.
Richtig gelesen: Dark Souls. Klingt weit hergeholt, nur um Aufmerksamkeit zu erzeugen, ist es aber gar nicht. Wenn man auf einem liegengebliebenem Pferdewagen einen verrottenden Ritter in seiner Rüstung findet, der noch immer einen vermutlich bedeutenden Gegenstand in seinen Händen hält, dann erinnert das Environmental Storytelling nämlich frappierend an die Miyazaki-Abenteuer.
Es erinnert noch mehr daran, wenn man nach dem Tod an den Ort des eigenen Ablebens zurückkehren muss, um das dort fallengelassene Witchfire aufzulesen, welches man zum Aufleveln braucht. Es gibt sogar Kristalle, die man in Witchfire umwandeln kann. Denn alle gesammelten Gegenstände gehen auch hier über den Tod hinweg nicht verloren.
Hunt: Showdown kommt hingegen dort ins Spiel, wo man in recht weitläufigen Arealen unterwegs ist, an denen man durch kleine Siedlungen, Täler, Tagebaus und andere Orte zieht, um zahlreiche Gegner zu bekämpfen und irgendwann den Boss des jeweiligen Levels zu besiegen. Man hat dabei immer die Wahl, ob man es mit dem jeweiligen Endgegner tatsächlich aufnehmen will (bei einem Fehlversuch bleibt alles Witchfire immerhin genau dort liegen) oder schon vorher wieder von dannen zieht, denn man wird auch ohne erfolgreichen Bosskampf mit wichtiger Beute und anderem Fortschritt belohnt.
Nun ist Witchfire ein reines Solo-Abenteuer. Aber dieser Rhythmus und das Durchstreifen der gar nicht mal so großen, aber dafür sehr abwechslungsreichen Karten erinnert mich eben an Hunt – ach, und vor allem die Schwere in den Bewegungen sowie die gewichtigen Waffen, bei denen man oft nur einzelne Schüsse aus kleinen Magazinen feuert, anstatt einen dicken Bleiregen zu beschwören. Dieses Gefühl ein altes Schießeisen in den Händen zu halten, bekommt das Spiel wirklich klasse hin!
Und apropos beschwören: Nicht zuletzt sind da natürlich nicht nur die Waffen. Als Preyer (Referenzen an Sprache und Symbolik der Kirche werden in der Welt von Witchfire stark betont) nutzt man auch Zauber, die Feinde vereisen, elektrifizieren oder anderweitig in Schach halten. Was in Anbetracht des saftigen Schwierigkeitsgrads auch oft genug notwendig ist. Wie gesagt: Das hier ist ein Roguelike, bei dem man wieder und wieder an die bislang gerade mal zwei Schauplätze reist.
Ist das auf Dauer nicht frustrierend? Nun, hin und wieder habe ich durchaus anständige Beschimpfungen in Richtung des Bildschirms gefeuert oder mich anderweitig echauffiert. Das gehört in dieser Wiederholschleife nun mal dazu. Zumal die in ihren Einzelheiten noch längst nicht fertig ist. Das betonen die Entwickler in der Beschreibung ihrer vagen Roadmap und sprechen dabei so manche Punkte an, die ich ihrem Spiel zum gegenwärtigen Zeitpunkt ebenfalls ankreiden würde.
Dazu zählt, dass gewisse Ereignisse zu oft und unvorhersehbar auftreten, dass hier und da noch ein wenig Environmental Storytelling fehlt, dass der Einstieg nicht der allerbeste ist und dass der mit dem Fortschritt parallel anziehende Schwierigkeitsgrad in Anbetracht der Spielidee zwar eine gute Idee ist. Manchmal müsste allerdings besser spürbar sein, dass man gerade deutlich stärker geworden ist.
Das pure Vorankommen ist ja nicht, worum es hier geht. Zentral ist vielmehr das ständige Verbessern des Preyers. Wie sich das für ein Roguelike gehört. Wobei die stimmungsvollen Kulissen übrigens nicht vom Zufall erstellt, sondern lediglich Gegnergruppen, Beutekisten sowie verschiedene Ereignisse prozedural platziert werden. Und die Art der Gegner beziehungsweise spätere Variationen davon hängen eben davon ab, wie viel Witchfire man bereits in die Entwicklung der Charakterwerte gesteckt hat.
Auch wenn das nicht der einzige Fortschritt ist, den man macht. Schließlich gibt es auch eine Art Forschung, bei der man jeweils zwei Projekte laufen hat, über die man neue Waffen, Zauber sowie für das Aufwerten der Ausrüstung benötigte Ressourcen „in Auftrag“ gibt. Jedes Forschungsprojekt braucht dabei mehr oder weniger viel Zeit und die verstreicht, während man in den Levels unterwegs ist.
Das ist nämlich die nächste Sache, die The Astronauts für mein Empfinden ausgesprochen gut hinbekommt: diese verschachtelte Motivationsschleife aus dem Sammeln von Witchfire für die Charakterentwicklung, der passiven Forschung und dem Verbessern der Waffen, Ringe und Zauber durch das Erfüllen kleiner Aufgaben.
Dazu kommt, dass es auch innerhalb jedes Ausflugs eine Entwicklung gibt, die man von ähnlich angelegten Abenteuern freilich ebenso kennt, die hier aber vor allem die gewichtige Action unterstützt. Lässt man den Preyer nämlich im Eiltempo nur durchs Level sprinten, geht ihm buchstäblich bald die Puste aus, wodurch er sogar geschwächt wird. Einen Dash zum schnellen Ausweichen kann er sich dann abschminken. Der ist aber unheimlich wichtig, da man oft von zahlreichen und flinken Untoten überrannt wird. Schon deshalb sollte man seine Ausdauer um mehr als das Doppelte verlängern, indem man Gegner beseitigt. Fragt nicht wie, aber so funktioniert das für ihn.
Dieses überlegte Erkunden ist außerdem deshalb praktisch unverzichtbar, weil man nur durch das Beseitigen bestimmter Gegnergruppen zufällig verteilte, passive Verstärker sammelt, die man bei jeder Rückkehr an die Kirche wieder verliert. Ihr kennt so was: Da haben alle Gegner weniger Gesundheit, verschiedene Elementarfähigkeiten werden verstärkt, man ist nach dem Zaubern kurz unverwundbar, die Abklingzeit bestimmter Magie wird verkürzt und so weiter.
Um noch mehr Verstärker zu aktivieren, benötigt man dabei eine Ressource, für die man ebenfalls Kisten finden und öffnen muss. Sogar Munition für die dritte, sehr starke Waffe findet der Preyer nur unterwegs. Ja, selbst Erste-Hilfe-Tränke kann man vor einem Ausflug nur dann brauen, wenn man zuvor ein bestimmtes Kraut gesammelt hat. Versteht das nicht falsch: Nichts davon ist eine enervierende Fleißaufgabe! Vielmehr fühlt es sich immer nach einer satten Belohnung an, aufmerksam und in Ruhe zu spielen.
Das liegt auch daran, dass nicht nur Kisten und Patrouille schiebende Gegner in der Welt verteilt sind, sondern auch eine Reihe an Ereignissen beziehungsweise Herausforderungen, für die man nach erfolgreicher Bewältigung Ressourcen und Witchfire erhält – wenn auch immer mit dem Risiko, so viel Lebensenergie zu verschwenden, dass man später beim Boss gar nicht erst antreten muss.
Ich muss zugeben: Es hat ein kleines Bisschen gedauert. Der dröge Erklär-Monolog zur Einführung und auch die ersten Minuten in der Action – Witchfire hat nicht umgehend bei mir gezündet. Aber wenn man erst mal zwei Waffen durch Forschung und langes Nutzen auf die höchste Stufe gebracht hat und so zu nutzen weiß, dass man ihre besonderen Stärken ausspielen kann (der anfängliche Revolver zum Beispiel richtet irgendwann großen kritischen Schaden an und vereist Feinde auch noch), während eine Gruppe an Skeletten in bunte Farbeimer zerbricht…
Mit meinem aktuellen Dash rausche ich durch Gegner hindurch und schade ihnen damit sogar. Mein zweiter Zauber hält Feinde über elektrische Lassos an einem Kreuz gefangen und der erste lädt sich sofort wieder auf, wenn ich damit mindestens fünf Bösewichte gleichzeitig vereise. Haben die Gegner kaum noch Lebensenergie, werden sie buchstäblich vom Blitz getroffen. Schlagen sie mich, werden sie von einer Schockwelle zurückgeworfen. Und gleichzeitig knallt es aus altmodischen Flinten, dass es eine helle Freude ist. So lange es anfangs auch gedauert hat: Dass die Macher von Painkiller und Bulletstorm noch immer satte Ego-Action können, steht in Witchfire breit übers gesamte Bild geschrieben!