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Wolfenstein: The New Order – Kein Flower-Power, bis das Regime fällt

Sado-Eva und Boy-Toy Bubi, "Achtung!" und "Halten Sie!", die anderen Londoner 60er

Der Rest der Welt wird in Kürze - oder zumindest noch dieses Jahr - die Nazis aus England vertreiben und nach so vielen Zombiespielen tut es gut zu sehen, dass alte Feindbilder noch nicht vergessen sind. Nicht, dass es in den Shootern einen so großen Unterschied machte - Zombies, Nazis, Nazis, Zombies ... . In der der gradlinigen Welt der Shooter ist es am Ende eh nur eine Frage der Textur und ob der Gegner noch mal in Deckung geht, bevor der Headshot kommt.

Aber, und das ist wichtig: Wer kümmert sich eigentlich um "das Regime"? Ja, jeder kämpft gegen das Reich und die Zombiekalypse, aber niemand erledigt das nicht minder fiese Regime. Im Zweiten Weltkrieg tauchte es auch dem Nichts auf, übernahm ganz Europa und verwandelte England in seinen privaten Vorhof. Hinrichtungen auf den Straßen, die komplette Unterdrückung des britischen Volkes, London in eine Militär-Festung verwandelt und auf dem Mond waren sie auch als Erste. Ich sage euch, das Regime darf nicht unterschätzt werden und der deutsche Videospieler darf sich geehrt fühlen, dass er erwählt wurde, das Regime zu stürzen.

Eva, auf Wiedersehen.

Ihr wusstet, dass ihr nicht gegen das Reich kämpfen würdet, aber einen so großen Unterschied macht es am Ende wahrscheinlich ohnehin nicht. Statt Hakenkreuze in dieser sicher nicht historisch wertvoll angehauchten Pulp-Version von Robert Harris' Vaterland seht ihr ... keine Ahnung, gezeigt und gespielt habe ich die langweilige "gegen das Reich"-Version, die man von einem Wolfenstein erwartet. Alle Deutschen sprechen, wie es sich gehört: Zackig und mit lustigem Akzent und wenn SM-Eva auf Österreichs Beitrag zur Besatzung namens Bubi trifft, um den guten Ami Blaskowitz vorzuführen, bleibt kein Auge trocken. Was haben wir gelacht.

Tarnung und Haltung bewahren. Zumindest, bis der Mech weg ist.

Das hier wird auch kein Inglorious Basterds, dafür ist der Tonfall in dem Gezeigten nie ernst genug. Man kann jetzt argumentieren, dass die Thematik dafür zu ernst sei und vielleicht stimmt das, wenn das gesamte Produkt bekannt ist. In den gezeigten Sequenzen jedoch ist es eine so offensichtliche wie platte Parodie, der man wohl gar nicht so viel Gewicht beimessen sollte.

Als der aus dem Beginn der Serie mehr oder weniger bekannte William Blazkowicz - das Gesicht hatte einen Namen ...? - erwacht, findet er sich in den 60ern wieder. Nachdem er nach dem letzten Teil (Wolfenstein, 2009) irgendwie eingefroren wurde, Amnesie hatte oder sonst wie aus dem Verkehr gezogen wurde, hat das Regime den Krieg mittlerweile praktisch gewonnen. England ist besetzt, die Taxifahrer sagen mit Cockney-Akzent "Heil Hitler" und der alte Veteran ist nicht glücklich. Zeit, dem Reich, ich meine natürlich "Regime", zu zeigen, was der richtige Amerikaner am falschen Ort zur falschen Zeit so ausrichten kann.

Der Roboterwachhund heißt Blondi ... subtil ...

Die erste gezeigte Sequenz findet an Bord eines Zuges irgendwo in Europa statt. Euer Held mimt die Rolle eines Kellners, was für jemanden, der die 2000er der Serie praktisch übersprang, sehr verwirrend war. Aber gut, ich hätte ja lieber alle erschossen, doch so wurde halt präsentiert, dass das Spiel auch Sequenzen bieten wird, in denen genau das nicht gefragt ist. Eva und Bubi hatten also noch einen weiteren Tag, um furchtbare Akzente zu proben, ich muss zugeben, dass der Nazi-Mech in der Ecke schon eher bedrohlich wirkte. Halt ... Nazi-Mech? Oh ja, der Krieg wurde mit Superwaffen gewonnen, die plötzlich aus den Labors strömten und teilweise sogar unserer Zeit voraus sind. Woher sie kamen? Ich könnte es euch verraten. Aber das ist entweder so schlecht oder so perfide genial, dass ich noch warte, wie sich das ausspielt.

Der Mech muss auch warten, Eva und Bubi führen einen interaktiven Arier-Test durch, der auf der einen Seite von Tarantino nur an einem sehr verkaterten Tag so lahm verfasst worden wäre. Auf der anderen Seite jedoch spielt er geschickt mit der Illusion eurer Aktionsmöglichkeiten. Da könnt ihr euch jetzt aussuchen, ob das Spiel faul geschrieben oder clever designed wurde. Ich denke beides, auch wenn es mich überraschte, zu sehen, dass es sich in solch einer Szene nicht gegenseitig ausschloss.

Einer hatte ein Leben. Die Anderen waren schon immer untot.

"Aber, keep calm and carry on, London befreit sich nicht von alleine."

Nach diesem Vorspiel ging es an die Rechner und die Erstürmung eines monströsen Luftschiff-Museum-Labor-Zwitters, dass das Reich/Regime mitten in London platzierte. Das erinnerte schon wieder mehr an alte Eskapaden. Nachdem sich Cockney-Joe oder wie auch immer euer Untergrund-Freund heißen mag mit einem Selbstmord-Attentat das Wachhaus in die Luft jagte - und Blazkowicz beinahe gleich mit, es geht nichts über gute Planung - heißt es "Waffen sammeln und alles umnieten, was eine Binde trägt" oder "Achtung!" und "Halten Sie!" brüllt.

Technisch ist das Spiel auf jeden Fall auf dem Stand der Dinge.

Auf dem Weg durch die Trümmer des Eingangs gab es dabei eine seltsame Szene. Während der folgende Rest des Stages ein gradliniger Keine-Gnade-für-Niemanden-Shooter wurde, war der erste Feind eine Wache, die versucht, einen Kollegen wiederzubeleben. Er greift nicht direkt an, aber ihr müsst ihn erschießen, um weiterzukommen. Gerade ausgehend davon, dass man danach noch Hundert plus x der Schergen ohne einen zweiten Gedanken beseitigt, setzte dieser erste eine seltsame, sehr ernste Note. Klar, er war ein "böser" Besatzer, hätte sofort geschossen, hätte jemand so versucht über die Brücke zu kommen und so weiter. All die Gründe, aus denen ich keine zwei Sekunden darüber nachdachte, die nächste Hundertschaft seiner Kumpanen niederzumachen. Also warum hier? Weil er mich nicht angriff? Ein eigenwillig menschlicher Moment in einem Spiel, das nur einen halben Schritt davon entfernt ist, seine Gegner ohne große Relevanz durch Aliens oder Zombies auszutauschen zu können.

Aber, keep calm and carry on, London befreit sich nicht von alleine. Es ist noch zu früh für Jason Statham. Blazkowicz marodiert gekonnt durch eine erstaunlich große Einganghalle voller Brücken, Seitengänge und Wege. Die PC-Version zeigte sich von der besten Seite, übertrieb es nicht mit Licht-Effekten, ließ die richtige Menge an Partikeln fliegen. Ein sowohl moderner, technisch hochwertiger Look, der nicht zu sehr übertreibt und sich den Stil der Serie im Kleinen bewahrt. Ein Mech und zwei Dutzend Wachen später lassen sich die ersten Einschätzungen treffen und es ist ein solider, guter Shooter. Es rumpelt, es kracht, das Sounddesign passt und Wolfensteins Waffenfeedback ist auch in der Gegenwart angekommen. Ob nun zwei Shotguns beidhändig geführt oder zwei MGs - jeweils mit beiden Triggern als Abzug -, Nazi-Tech fühlt sich gut in Amerikanischer Hand an. Ganz gefährlicher Satz, ich weiß.

Heilpäckchen, Doppelshotgun und Tempo. Fast wie früher.

Nachdem der Rauch sich legt, lohnt es sich, einen Blick durch Museum schweifen zu lassen: die Mondtrophäen des Regimes hier, dort ein paar Propaganda-Schilder, die in bester Serien-Tradition "für eine bessere Menschheit" werben. Der Pulp-Deko-Wert des Ganzen belohnt den Betrachter mit Trash, bevor es in die nächste Halle geht. Hier arbeitet ihr euch um ein 20 oder mehr Meter hohes Modell des Mondes herum zu einem Wartungsschacht. Zum Super-Tech gehören offensichtlich auch nervige Kleindrohnen, die man aus einem "Deckungssystem" heraus bekämpft, als wäre es 1999. Immer schön links und rechts rausgestrafed, das fühlt sich nach Tonnen von Deckungsshootern direkt gut an. Die Waffen sind für Run and Gun mächtig genug, das ist ein, wenn ihr so spielen wollt, bewegungsfreudiger Shooter. Wie es sich halt für den Namen Wolfenstein gehört.

Mini-Rätselchen als Auflockerung: Wie kommt man in den unzerstörbaren Glaskasten ...?

Danach nimmt der Leveldesigner ein wenig das Tempo raus. Es folgt eine eher langweilige Fahrstuhl-Klettersequenz, die so auch in jedem anderen Spiel des Genres ihren Platz hätte. Zum Glück soll danach gezeigt werden, dass man auch minimal "rätseln" muss, was deutlich interessanter war. Um genau zu sein, ihr müsst links die Leiter sehen, über die ihr von oben in einen geschlossenen Glaskasten hüpfen könnt. Hier benutzt ihr den oft und gern eingesetzten Multi-Tool-Seitenschneider, um eine Metallplatte fallen zu lassen. Jetzt noch schnell auf den Knopf außen gedrückt und eure nächste Waffe, die im Kasten eingeschlossen war, schneidet ein passendes Loch, denn sie ahnt, dass ihre Zeit gekommen ist.

Es ist eine Laser-Sniper-Rifle, die die Gegner platzen lässt. Eine Gears-One-Shot, die ihr an den zumindest in diesem Level großzügig verteilten Steckdosen aufladen könnt. Erst mal aber ist es im Sekundär-Modus ein neues Schweiß-Tool, das euch den Weg in die letzte Halle öffnet. In diesem Hangar zeigte Wolfenstein zumindest mir, dass es auch anders kann und bis ich in einer Mischung aus anfänglichem Stealth und folgendem Stand-MG-Gemetzel Herr der Lage wurde, vergingen ein paar Runden. Das lag jetzt weniger an der überragenden KI - sie scheint funktional, aber auch nicht mehr - sondern daran, dass die Gegner gut Schaden verursachen und Blazkowicz nicht so viel wegsteckt.

Kein Shooter ohne Stealth-Attacke.

Einfach mal kurz in Deckung gehen, hilft dabei nur bedingt. Die Energie lädt sich von allein nur wenige Prozentpunkte wieder auf, für alles andere müsst ihr Heilpäckchen finden oder hoffen, dass die Gegner auch welche haben. Mich störte, dass es bei diesen nicht reichte, einfach drüberzulaufen. Stattdessen müsst ihr noch mal hingucken und die Taste drücken. Warum sollte ich nicht die Munition nehmen wollen? Egal, nach ein paar Anläufen war es vorbei, auch der als Mini-Boss hereinkrachende größere Mech war schnell Schrott und es ging glücklich in den Sonnenuntergang. Bis zum nächsten Mal, Regime.

Wolfenstein wird ein gradliniger, ehrlicher Shooter. So viel lässt sich zumindest nach der gespielten Sequenz sagen. Wie gut die Handlung wird ... nun, ich würde nicht zu sehr auf ein Inglorious-Irgendwas hoffen. Dazu war das Gezeigte durchgehend zu schlecht geschrieben, zu langweilig inszeniert und mehr als das, was im Zug von SM-Eva und Bubi gezeigt wurde, brauche ich nicht. Fünf Minuten Geballer in dem Grad technischer Qualität, der hier geboten wird, sind weit mehr wert als eine Stunde davon. The New Order wird ein reines Solo-Spiel, insoweit hoffe ich, dass sich der Entwickler Machinegames - Ex-Starbreeze - nicht zu sehr in sein trashiges Szenario verliebt hat. Wenn er dieser Versuchung widerstand und klar auf die Action setzt, wird der Kampf gegen das Regime ein sehr unterhaltsamer und erfolgreicher Ausflug für die Serie, die schon ganz schön oft totgesagt wurde.

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