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Wonder Boy Collection – Test: Eine gelungene Zeitreise, aber nichts für treue Fans

Kollektion ohne Sammlerwert?

Technisch saubere Emulation der Klassiker – spielerisch nicht grandios, aber auch heute noch erstaunlich motivierend.

Um gleich vom Start weg für klare Verhältnisse zu sorgen: Falls ihr mit dieser Klassiker-Sammlung liebäugelt, dann überlegt genau, wonach ihr eigentlich sucht. Wollt ihr ein wenig in der Videospiel-Historie schnuppern – vielleicht zum ersten Mal, weil die Serie neben ihrer langen Geschichte einen guten Namen hat? Dann könnte die Wonder Boy Collection genau euren Nerv treffen. Sie enthält vier der sechs Spiele, die in den 80-ern und 90-ern erschienen sind und steckt damit wichtige Eckpunkte der Reihe ab.

Oder seid ihr leidenschaftliche Sammler, die auf Vollständigkeit aus sind, oder deren Herz gar an Wonder Boy hängt? Dann wartet noch! Wartet und surft Strictly Limited an, wo ihr die Wonder Boy Anniversary Collection vorbestellen könnt, denn mit dem „Anniversary“ im Namen werden aus vier Spielen gleich sechs und damit alle, die in der 8- und 16-Bit-Ära erschienen sind. Mehr noch: Die Anniversary-Collection umfasst im Gegensatz zur normalen Sammlung ganze 21 Versionen der enthaltenen sechs Titel. Welche das sind, sehr ihr nach einem Klick auf eins der Spiele bei Strictly Limited.

Das erste Wonder Boy war noch ein recht gewöhnliches Jump & Run...

Genaugenommen „fehlen“ in der mit diesem Test besprochenen Wonder Boy Collection sowohl der dritte als auch der vierte Teil, also Monster Lair und Dragon’s Trap. Beide Ausgaben verzichten außerdem auf den 2018 herausgekommenen geistigen Nachfolger Monster Boy and the Cursed Kingdom sowie die Remakes von Teil eins, vier und sechs. Aber das nur der Vollständigkeit halber.

Wunderknabe im Wind

Also: Ist die vor einigen Tagen veröffentlichte Wonder Boy Collection (die Anniversary Collection erscheint voraussichtlich erst im November) überhaupt einen Test wert? Oh, unbedingt! Denn obwohl das schon jetzt erhältliche Paket deutlich kleiner ist, stecken doch trotzdem gute Spiele drin.

... spätere Teile waren dann eher Action-Rollenspiel im Gewand eines Plattformers.

Wonder Boy ist nämlich kein gewöhnlicher Plattformer, sondern eine recht eigene Mischung aus Jump & Run und Rollenspiel. Genaugenommen dürfte es sich um eins der frühesten Actionrollenspiele handeln, da man seit dem zweiten Teil nicht nur akrobatisch durch die Welt hüpft, sondern auch Waffen und Rüstungsteile kauft. Das Geld erhält man von besiegten Kreaturen, weshalb man stets motiviert ist, immer mehr von ihnen zu erschlagen, und so von einem diabloesken Wind getragen wird – auch wenn die Anzahl der wenigen Ausrüstungsgegenstände hier sehr überschaubar ist.

Diesem Wind sollte man sich schon deshalb nicht entgegenstellen, weil jedem Wonder Boy zudem die Zeit davonläuft. Schließt man einen Level nicht flott genug ab, verliert man daher ein Leben, wobei man die Zeit durch das Auflesen bestimmter Gegenstände freilich verlängern kann. Man betritt Häuser, um sich mit Händlern oder anderen Figuren zu unterhalten, spielt in Teil fünf eine Okarina (nicht die der Zeit), um Türen zu öffnen, und nutzt im sechsten einen knuddeligen Begleiter, um höher zu springen oder anderweitig einen Weg zu finden.

Weniger gut gealtert sind allerdings die zum Teil auffallend zahlreichen Wiederholungen gleicher Abschnitte innerhalb einzelner Levels, was mitunter gar die Orientierung erschwert. Die ständig in unmittelbarer Nähe wieder auftauchenden Gegner sind ebenfalls nicht der Weisheit letzter Schluss. Zum Glück ist nichts davon ein Dealbreaker, aber ein paar weniger gelungene Kleinigkeiten fallen eben auf.

Im bislang letzten Teil spielt man nicht mehr als Wunderknabe, sondern zieht mit Heldin Asha durch die Welt.

Moderne Frustbremsen

Auf der Höhe der Zeit ist dafür die Emulation an sich, da sie unter anderem das schnelle Zurückspulen erlaubt, sodass selbst vertrackte Bosskämpfe zum Kinderspiel werden. Man muss davon natürlich keinen Gebrauch machen. Man könnte auch nur das jederzeit verfügbare Abspeichern und Laden der aktuellen Spielsituation nutzen, um etwa einen Rücksetzpunkt vor der Tür zum Boss anzulegen.

Hinzu kommen vier Einstellungen des Bildformats, um entweder in Briefmarken-Dimensionen, einer pixelgenauen Vergrößerung, einem zu voller Höhe aufgezogenen 4:3-Seitenverhältnis oder dem Endgegner jeder Emulation zu spielen: der ins komplette Breitbild verunstalteten Zerquetschung. Abgesehen davon darf man die Steuerung an seine Vorlieben anpassen und hat in den ersten zwei Spielen sogar die Wahl zwischen verschiedenen Einstellungen den Schwierigkeitsgrad betreffend.

Grafisch ist das zweite Wonder Boy aus heutiger Sicht natürlich keine Offenbarung. Dafür kann man dank der modernen Emulation die Größe des Bildformats, die Steuerung sowie andere Elemente anpassen.

Wonder Boy Collection – Testfazit

Mit modernen Hilfen, allen voran das ständig verfügbare Zurückspulen, reist man also angenehm frustfrei in der Zeit zurück und erlebt vier Klassiker, die diesen Status berechtigterweise verpasst bekamen. Gut, den ersten würde ich euch heute nicht mehr dringend ans Herz legen. Aber ab Teil zwei erlebt man sehr unterhaltsame und dank der Charakterentwicklung über immer neue Ausrüstung auch heute noch erstaunlich motivierende Abenteuer. Ein paar mehr Informationen hätte man neben der kleinen Artwork-Galerie und den kurzen Spielbeschreibungen gerne aufs virtuelle Modul packen können. Und wer auf Vollständigkeit pocht, sollte ohnehin auf die inhaltlich stärkere Anniversary Collection warten - es ist durchaus ärgerlich, dass Fans dazu gezwungen werden, sich zwischen zwei sehr unterschiedlichen Versionen der im Grunde gleichen Sammlung zu entscheiden. Abgesehen davon öffnet aber auch die aktuelle Wonder Boy Collection schon auf gelungene Art ein Guckloch in die Vergangenheit.

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