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Wonderful 101: Klasse durch Masse

Pistolen, Peitschen und Riesenfäuste aus Menschen zu formen, spielt sich erstaunlich konventionell.

In Wonderful 101 steckt eine Metapher, und die ist brandaktuell: Die Superkraft eurer Hauptfigur besteht darin, Menschen und andere Superhelden um sich zu scharen und aus ihnen schlagkräftige Waffen zu formen. Was für ein starkes Bild zu einer Zeit, in der Massenproteste Regierungen stürzen, über Social Media binnen weniger Stunden Tausende Demonstranten zueinanderfinden und Petitionen im Netz schneller denn je das Quorum von 50.000 Unterzeichnern erreichen. Ob in der Realität oder auf der Wii U: Die Masse macht's.

Doch Symbolik hin, Metapher her, Wonderful 101 dürfte schon allein spielerisch interessant werden. Zwar war die Demo während des Post-E3-Events von Nintendo in Frankfurt auf 10 Minuten Spielzeit begrenzt, doch für einen kleinen Vorgeschmack auf Platinum Games' Geheimtip reichte das allemal.

Übungssache: Wii-U-Controller und Bildschirm gleichzeitig im Blick.

Ihr steuert euren Helden über die Analogsticks des Wii-U-Controllers durch eine isometrische Spielwelt und sucht nach panisch herumlaufenden Zivilisten, die auf dem Touchscreen als Punkte dargestellt werden, um diese "einzusammeln", indem ihr einen Kreis um sie herum malt. Einmal im Schlepptau, stehen euch die Leute als Rohstoff für eure Beschwörungen zur Verfügung - hier wird gerne der Vergleich zu Pikmin bemüht, und die beiden Spiele ähneln sich vom Konzept her tatsächlich. Wobei Wonderful 101 mit der kreativeren Spielmechanik und mehr Action auftrumpfen kann.

Malt ihr zum Beispiel einen Kreis auf den Touchscreen, formt ihr aus euren Schützlingen eine Faust. Malt ihr ein gekipptes 'L', erhaltet ihr eine Pistole. Eine Schlangenlinie beschwört eine Peitsche. Eine waagerechte Linie ein Schwert. Ein angeschnittenes Trapez formt einen Gleiter. Je mehr Menschen in eurem Gefolge und je größer die gezeichneten Figuren, desto mächtiger auch die Waffen. Eine Pistole in Übergröße wird so zur Bazooka oder Schwert und Peitsche erreichen gewaltige Ausmaße. Je nachdem, welchen Helden ihr unterwegs über ein Auswahlmenü als Anführer der Truppe bestimmt, werden manche Waffentypen stärker. Die heftigen Attacken verbrauchen ein Stück eurer Batterieanzeige, die durch normale Angriffe regeneriert wird.

Die Knarre aus Zivilisten lässt sich zur Bazooka aufblasen.

Das Zeichnen auf dem Touchscreen bekam ich nach ein paar Minuten recht souverän hin, alternativ kann man den rechten Analogstick nutzen. Damit gelingt vor allem das Schwert sehr einfach - man drückt nur nach rechts und schaut zu, wie das Metzelinstrument wächst. Werdet ihr von einem Feind getroffen, wird eure Formation gesprengt und ihr müsst eure Schützlinge wieder einsammeln, die betäubt am Boden liegen. Per Druck auf die A-Taste dürft ihr eure zuletzt beschworene Waffe automatisch neu zücken, wenn auch nur in ihrer Minimalstärke. Das ist trotzdem sehr hilfreich, denn oft ist auf dem Bildschirm so viel los, dass man sich kaum auf den Wii-U-Controller konzentrieren kann.

Gruppendynamik wortwörtlich

Grafisch gelingen Wonderful 101 keine allzu großen Sprünge. Die Spielwelt ist Quietschbunt, ein bisschen kantig, dafür aber extremst flüssig dargestellt, selbst wenn es auf dem Bildschirm noch so heftig wuselte. Die Helden erinnern designtechnisch nicht von ungefähr an Viewtiful Joe - hinter Wonderful 101 stecken Hideki Kamiya (Resident Evil) und Atsushi Inaba (Devil May Cry, Ace Attorney), die einst beide an dem ausgeflippten Superheldenspiel für Gamecube beteiligt waren. Doch obwohl Wonderful 101 optisch eher in Richtung "SimCity meets Marvel Heroes" tendiert, weiß der Cartooncharme zu gefallen - außerdem konzentriert man sich nach zwei Minuten eh vollständig aufs Gameplay.

Sehr gut fand ich das Konzept, dass man seine Gruppen-Schöpfungen nicht nur als Hieb-, Stich- und Schusswaffen einsetzt.

Sehr gut fand ich das Konzept, dass man seine Gruppen-Schöpfungen nicht nur als Hieb-, Stich- und Schusswaffen einsetzt. Die rote Riesenfaust wird zum Beispiel gelegentlich benötigt, um Zahnräder zu drehen oder Hindernisse zu verschieben. Während einer Zwischensequenz mit Quick-Tme-Charakter musste ich schnell eine Faust formen, um mich elegant an einem Turm festzuhalten und daran herabzurutschen.

Feuerfaust aufs Auge? Mit genug Manpower kein Problem.

Außerdem reagiert nicht jeder Feind empfindlich auf jede Waffe: Die Peitsche wurde beim Bosskampf gegen einen Riesenroboter wichtig, denn dieser lies sich nur Stück für Stück damit demontieren. Ein gewaltiger amöbenartiger Blob hatte hingegen dem Schwert nicht viel entgegenzusetzen und ein Haufen UFOs war dank grüner Kanone schnell vom Himmel gepustet. Sobald solche Feinde gleichzeitig den Schirm unsicher machen, muss man seine Angriffe gut koordinieren.

Den Koop-Mehrspielermodus konnte ich mir in der kurzen Zeit nicht mehr anschauen. Theoretisch dürfen fünf Spieler Gleichzeitig mit ihren Gruppen jonglieren und einander zur Seite stehen. Wie sich das in der Praxis mit den Wiimotes steuert und ob das Ganze nicht in heilloses Chaos ausartet, wird sich zeigen.

Am 15. September soll Wonderful 101 in Europa erscheinen. Ihr notiert euch den Release besser im Kalender und erzählt euren Freunden davon, falls ihr euch nicht von Creative Producer JP Kellams eine einfangen wollt. Der hatte sich unlängst auf Twitter über den mangelnden Hype um das Spiel mokiert, mit dem Satz: "Wenn die Leute nicht bald hibbelig werden wegen Wonderful 101, fange ich an, Leute zu schlagen." Kalkulierte Provokation mit Augenzwinkern, würde ich mal behaupten.

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Nötig sollte der Titel so etwas eigentlich nicht haben, denn auch wenn sich das Konzept hinter Wonderful 101 nicht so unkonventionell spielt, wie es sich zunächst anhört, ist es doch einer der interessanteren Titel für Wii U. Während die Designer woanders noch grübeln, wie sich der Touchscreen sinnvoll einbinden lässt, haben die Entwickler bei Platinum Games ein ganzes Spiel drum herum erschaffen. Das verrückte Setting tut sein Übriges, um mich neugierig zu machen.

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