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World in Conflict - Multiplayer

... oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben.

Als Pazifist, Kriegsdienstverweigerer und Grünen-Wähler sollte ich eigentlich genau wie Tanja Kriegsspiele verabscheuen. Doch seit meiner frühesten Jugend faszinieren mich Schusswaffen, Panzer und Flugzeuge auf einer Ebene, die ich kaum zu begreifen vermag.

Auch wenn ich im Privatleben keiner Fliege etwas zu leide tun kann, begeistert mich die unwirkliche Kraft, die diesen Gewaltwerkzeugen inne wohnt. Deswegen ziehe ich online freudig in den Krieg, stürze mich auf jedes Militär-Spiel und bejuble jeden vernichtenden Angriff. Dabei saß ich genau wie viele meiner Altersgenossen in den Achtziger-Jahren bei jedem Probealarm schlotternd in meinem Zimmer und hoffte, dass der Ernstfall niemals eintritt.

Mit Atomwaffen verbinde ich noch heute ein seltsames Gefühl von Abscheu und purer Faszination. Egal ob Command & Conquer, Supreme Commander oder nun eben bei World in Conflict jedes Mal fährt mir ein kalter Schauer über den Rücken, wenn der nukleare Pilz nach oben sprießt.

Erschwerend kommt hinzu, dass mich die Geschichte von World in Conflict sehr an die Ängste meiner Jugend erinnert. Es spielt in den eiskalten Achtzigern und die UdSSR wagt angesichts des eigenen Zerfalls einen letzten verzweifelten Schritt. Mit einer gewaltigen Invasions-Streitmacht fallen sie nicht nur in Europa ein, sondern betreten auch erstmals amerikanischen Boden.

Schlachtfeld USA

Die Geschichte rund um diesen kühnen Streich entspringt der Feder des Tom Clancy Co-Autoren Larry Bond. Der Spieler muss in der Singleplayer-Kampagne als NATO-Kommandant Sawyer die Wodka-Trinker in die Schranken weisen und die eroberten Landstriche befreien. Mehr ist storytechnisch aus den schwedischen Entwicklern Massive nicht heraus zu holen. Beim Multiplayer-Modus sind sie da schon freizügiger, weshalb wir uns für Euch in die Mehrspieler-Alpha stürzen durften, die schon jetzt einen recht runden Eindruck hinterlässt. Momentan sind erst zwei der drei verfügbaren Parteien spielbar. Neben Russen und Amerikanern hat Vivendi gerade die NATO-Truppen enthüllt – Bunderwehr inklusive.

In solchen schicken Zwischensequenzen wird die Geschichte um den NATO-Kommandanten Sawyer erzählt.

Der eigentliche Spielablauf unterscheidet sich dabei gewaltig von der Strategie-Konkurrenz. Genau wie bei den Quasi-Vorgänger Ground Control, wird nicht in Ruhe eine Basis gebaut und dann langsam mal ein Angriff gestartet. Der Spieler wird mit einer fixen Summe auf dem Konto auf die dedizierten Schlachtfelder geworfen, wo er jederzeit im Kampfgeschehen mitmischen kann. Die Größe der einzelnen Kampfgruppen bleibt überschaubar, da auch keine neuen Ressourcen hinzukommen. Stattdessen tröpfelt der Gegenwert jeder zerstörten Einheit kontinuierlich auf das Festgeldkonto und man kann wieder Nachschub ordern.

Rollentausch für Fortgeschrittene

Neu ist dabei die klare Rollenverteilung, die der ganzen Geschichte eine enorme taktische Tiefe verleiht. Der Spieler muss sich für eine von vier Klassen entscheiden. Als Hubschrauberpilot kann man so nicht nur auf exklusive Kampfmaschinen zurückgreifen, sondern bekommt das gesamte Luft-Arsenal auch zu einem günstigeren Preis. Im Gegenzug kostet jeder popelige Jeep so viel wie ein schwerer Kampfhubschrauber und einige Fahrzeuge sind gar nicht anwählbar. Kombiniert man das ganze nun noch mit dem klassischen Stein-Schere-Papier-Prinzip und addiert Infanterie, Panzer und Support-Einheiten, bekommt man einen wagen Eindruck von der Spieltiefe dieses einmaligen Titels.

Auf der Seite der NATO könnt Ihr diese deutschen Leopard 1 Panzer einsetzen.

Die Rollenverteilung bleibt aber nicht die einzige ungewöhnliche Lösung, die Massive zu bieten hat. Wie schon bei dem Nachschub-System greifen die Schweden auch bei der Kamera auf Ground Control zurück, das mit seiner WASD-Steuerung und dem hohen Freiheitsgrad schon im Jahr 2000 Strategie-Fans überraschte. Statt wie bei Supreme Commander bis zur Unkenntlichkeit der Einheiten heraus zu zoomen, darf man bei World in Conflict die Kamera enorm kippen. Fast wie bei einem Third-Person-Spiel, schaut man so seiner Truppe fast immer über die Schulter. Dieser flache Blickwinkel benötigt die ständige Korrektur der Kamera, was parallel zu Mauskommandos per Tastatur geschieht. Vor allem Ego-Shooter-Profis werden sich so ungewöhnlich schnell mit dem Spielablauf zurecht finden, während alte Strategie-Hasen und Anfänger ein wenig Eingewöhnung brauchen. Insgesamt etwas unübersichtlicher als bei der Konkurrenz, sorgt der ungewöhnliche Blickwinkel aber für ein paar beeindruckende Gefechte, die man so noch nie auf dem Bildschirm bestaunen durfte.

Schaurig-schön: Wenn eine Atombombe hoch geht, möchte man sich am liebsten unter dem Tisch verstecken.

Grafik-Engine der Extraklasse

Überhaupt ist das Spiel geradezu gespickt mit eindrucksvollen Aussichten. Die Grafik-Engine lässt selbst das preisgekrönte Company of Heroes alt aussehen. Auch wenn das Geschehen momentan erst Shader 2.0 unterstützt, sorgt die detailreiche Umgebung und die schicken Lichteffekte für eine grandiose Atmosphäre, die von der flachen Kamera perfekt transportiert werden. Gerade wenn die Sonne auf der Insel-Karte aufgeht, vergisst man schnell die ganze Zerstörungsorgie und bestaunt mit offenem Mund das beeindruckende Geschehen. Dabei läuft das Spiel auf unserer Testmaschine (AMD 64 4000+, ATI Radeon XT1950XT, 2 Gbyte RAM) schon jetzt in der höchsten Detailstufe mit satten 30 Frames pro Sekunde. Angesichts des Alpha-Stadiums und den hohen Anforderungen beim Multiplayer, dürften selbst Besitzer von schwächeren Rechner zumindest im Singleplayer die ganze Pracht genießen.

Soviel zur blanken Theorie, nun ein Spielbericht, der die explosive Praxis deutlich besser präsentiert: