World of Final Fantasy - Gonna catch 'em all
Für die Jugend gemacht, aber alle werden es spielen.
Man habe festgestellt, dass sich immer weniger junge Spieler für Final Fantasy interessieren, erklärt mir Hiroki Chiba im Gespräch. Dem Hauptverantwortlichen für die anstehende Verjüngungskur der Serie mit dem Titel "World of Final Fantasy" fehlt einfach der Nachwuchs im Final-Fantasy-Spielerlager. Zu ernst, oftmals düster seien die letzten großen Spiele gewesen und hätten deshalb auch überwiegend ein erwachsenes Publikum angezogen. Aber das werde man jetzt ändern. Mit extrem niedlichen Figuren, einer wolkenleichten Story, bekannten Charakteren aus der Anfangszeit von Final Fantasy und dem erfolgversprechenden Pokémon-Prinzip. Monster fangen, sammeln, trainieren und kämpfen lassen, das funktioniert ja eigentlich immer.
Tut es auch im Final Fantasy-Universum. Zumindest wenn ich meine neuerwachte kindliche Freude beim Spielen der weitläufigen Demogebiete Feldstraße und Nebula-Grotte als Maßstab nehme. Ich erkunde mit meinen beiden Helden, dem Geschwisterpaar Lann und Reynn, die Welt Grymoire. Diese ist im Prinzip ein Kessel Buntes aus 30 Jahren Final Fantasy, mit reichlich altbekannten Protagonisten, Schauplätzen und Monstern. Ein Brückenschlag, der neuen Spielern eine eigenständige Welt liefert, ohne auf Vorwissen zu setzen, dabei aber auch langjährigen Fans genügend Wiedererkennungswerte bietet. Ein Spagat der funktionieren wird, vorausgesetzt man steht auf Knuddel-Optik und hat einen ausgeprägten Hang zum Monster-Horten.
Aber der Reihe nach: Lann und Reynn haben ihr Gedächtnis verloren, werden von einem mysteriösen Helfer namens Tama nach Grymoire geschickt und bestehen jede Menge Abenteuer, an deren Ende die Erinnerungen wohl zurückkehren und auch mal eben die Welt gerettet wird. Oder so ähnlich. Bestimmt aber eine Geschichte mit epischen Ausmaßen. Ist aber auch erst einmal unerheblich, denn ich stelle mit Freuden fest, dass die Bewohner und Monster der bunten Fantasiewelt derart putzig sind, dass ich mir ein langgezogenes "Awwww" einfach nicht verkneifen kann. Egal ob ich gestandene Helden wie Cloud, Lightning oder Yuna treffe oder gegen bekannte Biester wie Bomber und Tomberry antrete, die zuckerwattensüße Chibi-Optik ist einfach nur niedlich. Wenn euch der Begriff jetzt gerade nichts sagt, dabei handelt es sich um eine kleine, meist kindlich anmutende Version eines realistischen Charakters, mit großem Kopf, riesigen Augen und winzigem Körper.
In diesem Umfeld fallen meine beiden Protagonisten eigentlich unangenehm auf, denn die sind, wie es das Spiel nennt, Hünen. Vom Design her in der Optik von Sora aus Kingdom Hearts gehalten, was nicht weiter verwundert, da dessen Designer Tetsuya Nomura auch maßgeblich an "World of Final Fantasy" beteiligt ist. Aber das lässt sich auf Knopfdruck ändern und schon laufe ich in der Niedlich-Variante von Lann und Reynn durch die Gegend. Oder reite per Tastendruck auf einem Chibi-Chocobo, das geht deutlich schneller, verhindert aber auch nicht die lästigen Zufallskämpfe, die sich unvermittelt einstellen und durch ein Klirrgeräusch und einem zerbrechenden Bildschirm ankündigen. Lange Zeit ein Markenzeichen der Serie und mir persönlich eigentlich schon immer ein Dorn im Auge. Ich sehe meine Gegner lieber auf der Oberwelt oder in den Dungeons, damit ich diese auch einfach mal umgehen kann. Gut, das ist jetzt eben nicht vorgesehen, also schaue ich mir das Kampfsystem genauer an.
Und das erweist sich als erfreulich komplex und facettenreich. Auf der linken Bildschirmseite erscheint der Balken für das bekannte Active-Time-Battle-System, an dem die Konterfeis meiner Helden und der Gegner heraufwandern. Wer zuerst am Anschlag ankommt, schlägt zuerst. In meinem Duell steht mir ein einsames Chocobo-Küken gegenüber und ich habe echte Skrupel, Schwertattacken und Magieangriffe gegen das gelbe Federvieh einzusetzen. Nach dem mir der Mini-Chocobo aber die erste Abreibung verpasst hat, denke ich um und prügle kräftig drauf los. Mit dem Erfolg, dass nach ein paar Runden das Küken den Kopf hängen lässt und ich die Option bekomme, meinen Gegner einzufangen. Das probiere ich aus und habe ab sofort einen neuen Weggefährten im Rucksack.
Mehr als 200 Mirage, so werden die Monster genannt, kann ich im Verlauf des Spiels aufspüren, einfangen und zu echten Schlachtschiffen heranzüchten. Dabei wurde das eingangs erwähnte Pokémon-Prinzip clever umgesetzt. Ich benötige zum Einfangen ein Prisma, das der Kategorie des Mirage entspricht und muss solange im Kampf Lebenspunkte abziehen, bis es bereit zur Dominierung ist. Dann kann ich den neuen Mitstreiter meiner kleinen Gruppe hinzufügen und für mich kämpfen lassen. Dabei gibt es ein spannendes taktisches Schmankerl zu beachten. Ich kann entweder die Begleiter als Einzelkämpfer Schaden austeilen lassen oder die kleinen Monsterchen auf meinem Kopf stapeln. Bis zu zwei Mirage kann ich balancieren und je nachdem welche ich wähle, kann ich meine Angriffs-, Verteidigungs- oder Magiewerte erheblich erhöhen.
Dabei gibt es noch eine Reihe an Dingen zu beachten: Noch lange nicht alle Mirage passen gut in einem Stapel zusammen, es gibt eine Anzeige für die Stapelstabilität, die ich noch nicht ganz durchblickt habe und ich kann jedes einzelne Mirage mit einzigartigen Fähigkeiten ausstatten. Dazu verteile ich in einem Untermenü erhaltene Fertigkeitspunkte und wähle auf einem Sphärobrett - Final Fantasy X lässt grüßen - die gewünschten Verbesserungen. Zusätzlich kann ich die Mirage noch Metamorphosen unterziehen, die beispielsweise aus einem Chocobo-Küken einen ausgewachsenen Chocobo machen. Ich habe in meinem Probespiel gerade mal fünf verschiedene Mirage gefangen, hätte aber schon Stunden mit der Optimierung verbringen können. Macht definitiv Laune.
Bis zu zehn Mirage kann ich im Feld mitführen, der Überschuss wird an Speicherpunkten in einen Tresor gepackt. Das erlaubt bei einer ausufernden Sammlung eine Menge strategischen Spielraum, wenn vor einem der zwar putzig aussehenden, aber ganz schön knackigen Zwischen- und Endbosse nur die richtige Wahl der Stapel-Sidekicks den Erfolg bringen will. Zum Beispiel treffe ich auf Ifrita, die mir mit einigen Ahriman und einem Wermausstapel - ja auch Gegner können stapeln - schneller die Lebenspunkte aus dem Leib prügelt, als ich Heiltränke einwerfen kann. Also zurück zum Speicherpunkt, andere Mirage ausgewählt und ganz genau auf die Statusverbesserungen beim Stapelbau geachtet. Ein Tipp noch: In dem Kampfmenü verbirgt sich der Unterpunkt "Erlöser". Hier findet ihr die mächtigen Beschwörungen, die mit beeindruckenden und meist auch sehr langen Animationen einen besonders vernichtenden Angriff einleiten. In der Demo stand mir nur ein Eintrag zur Verfügung, mit dem ich Tidus aus Final Fantasy X beschwören konnte, der in einer schicken Sequenz auftauchte und die Attacke Blitzballgott ausführte.
Auch wenn der erste Eindruck "Kinderspiel" schreit, hinter der gewollt niedlichen Fassade von World of Final Fantasy steckt eine spannende und gut gemachte Reminiszenz an die goldenen Zeiten von Final Fantasy. Das ATB-Kampfsystem macht Laune, Dutzende bekannte Charaktere bekommen ihren eigenen Nebenhandlungsstrang (können aber nicht gespielt werden), und das Einfangen, Sammeln und Trainieren der Mirage hat schon Suchtqualität. Als nostalgischer Gegenpol zu dem kommenden, wieder etwas erwachseneren Final Fantasy XV lohnt sich das quietschbunte Abenteuer auf jeden Fall. World of Final Fantasy erscheint für PS4 und PS Vita und bietet sogar eine Cross Save-Funktion. Man braucht also auch unterwegs nicht auf den Sammelspaß zu verzichten. Ein Wermutstropfen: Cross Buy wird leider nicht geboten, man muss sich also beide Version separat kaufen.
World of Final Fantasy - Erscheint für: PS4, PS Vita - 28. Oktober 2016 - Angespielt auf PS4