X Rebirth - Test
Rage quit. Oder: Warum tue ich mir das an?
Hinweis: Ergänzend solltet ihr unsere erste Bestandsaufnahme von X Rebirth ebenfalls lesen. Dort gehen wir bereits auf viele Spielsysteme und Probleme ein.
Es gibt selten Spiele, die es dann doch mal schaffen, mich wirklich an die Decke gehen zu lassen. Damit meine ich nicht dieses kleine Fluchen, wenn man mal in FIFA eine Partie verliert, oder in Battlefield abgeschossen wird. Ich meine den wirklich großen Ärger, den man verspürt, wenn man aufgrund unzähliger Dinge in einem Spiel so angefressen ist, dass man es am liebsten gleich deinstallieren und die Disc aus dem Fenster werfen möchte. Insofern: Herzlichen Glückwunsch, Egosoft! Ihr habt genau das geschafft. Ich habe die Schnauze gestrichen voll von X Rebirth, um es auf gut Deutsch zu sagen.
Vorsicht! Baustelle
An einer Sache hat sich auch nach dem Release nichts geändert: X Rebirth ist eine riesengroße Baustelle. Hier funktioniert dieses nicht, dort funktioniert jenes nicht, fast an jeder Ecke findet man irgendetwas. Es zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Spiel. Am schlimmsten sind dabei noch die sogenannten „Gamestopper" oder „Plotstopper" in der Kampagne, die euch daran hindern, überhaupt erst weiterzumachen. Und auf solche Gamestopper stieß ich nicht gerade selten. Plötzlich verschwindet mal eines eurer Frachtschiffe, das Frachtschiff will nicht handeln und so weiter und so fort. Was dann hilft? Nun, vielleicht einen früheren Spielstand laden oder auf einen Patch warten. Wobei die bei bereits begonnenen Spielen auch nicht immer zu helfen scheinen. Hat man denn mal ein Problem gelöst, ob nun von selbst, mit Glück oder durch einen Patch, könnt ihr vielleicht ein, zwei Stunden spielen, bevor sich das Spiel wieder irgendwo verfängt. Und irgendwann vergeht einem dann einfach die Lust daran.
Da hilft auch das freie Spiel nicht mehr viel, denn hier zeigen sich dann wiederum andere Designschwächen des Spiels überdeutlich. Natürlich gibt es auch hier Probleme mit Handelsschiffen, während ihr euch selbst irgendwann in dem ganzen Gewusel verliert, das sich Interface nennt. Zahlreiche Bildschirme, Kleingedrucktes und Sucharbeit, bevor man überhaupt mal eine gewünschte Information findet, sind an der Tagesordnung. Sorry Leute, aber die ganze Menüführung ist einfach großer Mist. Dagegen wirkt selbst das Menü eines Fußball Managers simpel.
Fliegen, fliegen, fliegen, kämpfen
Das Schlimme an X Rebirth ist auch, dass ihr durch den Aufbau des Spiels einfach massiv viel Zeit vertrödelt, um irgendwelche Stationen nach Aufträgen oder Händlern abzusuchen. Das ständige Landen und Herumlaufen auf den Stationen ist nicht nur optisch langweilig, weil sich alles wiederholt, man muss es mitunter auch tun, weil nicht alle an einem Andockpunkt vorhandenen Händler auch im eigenen Schiff aufgelistet werden. Wenn ihr mal eben zwischendurch ein oder zwei Stündchen spielen wollt, habt ihr nicht das Gefühl, großartig viel erreicht zu haben. Aber das liegt zum Teil eben auch noch an den vielen Problemen, die ein Weiterkommen verhindern.
Und bei den Missionen selbst fliegt ihr dann erst mal zum Teil über mehrere Systeme hinweg durch die Weltraumhighways, bis ihr ein Ziel erreicht. Aber nur, um dann mitunter noch mal ein paar Minuten mit konventionellem Antrieb fliegen zu müssen, nur um ein paar Gegner abzuknallen. Dann geht es wieder zurück zur nächsten Station, wo ihr sämtliche Handelsaufgaben manuell absolvieren müsst, bevor eure Frachtschiffe auch nur irgendetwas tun ... Es ist irgendwie eine traurige Zukunft, wenn ihr euren Schiffen nicht mal aus der Ferne befehlen könnt, in einem bestimmten System etwas zu kaufen und es dann an Punkt B wieder zu verkaufen. Hier hat die Technik scheinbar keine Fortschritte gemacht.
"In X Rebirth fühlt sich einfach so viel grundlegend falsch an, dass man sich unweigerlich fragt, was die Entwickler sich bei all dem eigentlich dachten."
Oder aber die Kämpfe, die eigentlich an Langeweile kaum zu überbieten sind. Schiffe fliegen auf euch zu, feuern ihre Waffen ab, drehen um, fliegen davon, drehen wieder um und dann wiederholt sich das Muster. Komplexere und unberechenbarere Manöver habe ich jedenfalls schon vor 16 Jahren in Wing Commander Prophecy gesehen. Zusätzlich dazu ist euer Schiff noch extrem langsam. Um überhaupt dranzubleiben, müsst ihr schon den Booster einsetzen. Und zwischendurch immer mal wieder stoppen, da ihr währenddessen nicht feuern könnt. Mitunter lassen sich die feindlichen Schiffe sogar mir nichts, dir nichts von euch in Stücke schießen, ohne auch nur den Versuch eines Ausweichmanövers zu unternehmen.
In X Rebirth fühlt sich einfach so viel grundlegend falsch an, dass man sich unweigerlich fragt, was die Entwickler sich bei all dem eigentlich dachten. Glaubten sie wirklich, dass dieses Interface in irgendeiner Form komfortabel oder angenehm zu nutzen sei? Falls ja, wäre das höchst bedenklich. Von den vielen anderen Sachen will ich meinem Blutdruck zuliebe gar nicht erst anfangen.
Um es kurz zu machen: Aktuell ist X Rebirth nicht mehr als ein Trauerspiel und ich habe schlicht und ergreifend keine Lust mehr, mich derzeit auch nur eine Sekunde länger damit zu beschäftigen, als es nötig ist. Und als Fan von Freelancer oder Privateer schmerzt es ein wenig, das sagen zu müssen. Ich weiß nicht, wie viel man von dem, was hier im Argen liegt, über Patches wirklich in Ordnung bringen kann, aber ich hoffe für Egosoft, dass es möglich ist. Von dem, was ich bislang jedenfalls in X Rebirth erlebt habe, ist es größtenteils unspielbar, unnötig kompliziert, fummelig und frustrierend. Ich wünsche Egosoft wirklich, dass sie das Ruder noch herumreißen können, denn unter all dem ganzen Schlamassel steckt irgendwo doch noch etwas, was irgendwann vielleicht in einem ordentlichen Spiel resultieren könnte. Aber das braucht Zeit. Zeit, in der ihr euer Geld lieber in andere Spiele stecken solltet. Vielleicht lohnt es sich ja in einem halben Jahr - frühestens - noch mal, einen Blick auf X Rebirth zu werfen. Wir werden sehen.