Xbox One: Erstkontakt mit dem Controller, Kinect und Skype
Spannende Begegnung der dritten Art.
Für reine Spiele-Fans hatte Sony auf seiner PS4-Vorstellung sicherlich mehr zu bieten, als Microsoft am gestrigen Abend. Als der Redmonder Gates-Konzern seine neue Konsole mit dem nicht gerade intuitiven Namen Xbox One vorstellte, standen vor allem Multimedia und Kommunikation im Vordergrund. Eindeutig voraus hatte Microsoft allerdings Sony, dass nicht nur das Gerät offensichtlich schon vorzeigbar war, sondern dass man auch einigen Pressevertretern Hands-On-Kontakt dazu gewährte. So auch unserem englischen Kollegen Tom Bramwell von Eurogamer.net, dessen Eindrücke wir euch nicht vorenthalten wollen.
Der Controller der Xbox One
Es ist auf derartigen Veranstaltungen immer schwierig zu filtern, was nun für den User wirklich wichtig oder überhaupt zutreffend ist, was ein wohlklingendes Versprechen und was nur heiße, hypothetische Luft ist, die den Rachen aufgeregter Funktionäre entweicht. Die Behauptung von 40 individuellen Verbesserungen am neuen Controller gegenüber des Vorgängermodells klingt dabei schon erstaunlich konkret, wie viele davon man letztendlich wirklich bemerkt - das ist die Frage.
Als leicht und robust wird die neue Steuereinheit beschrieben. Die Sticks sind nun etwas kleiner, sollen aber ebenso bequem zu steuern sein. Ein Viertel weniger Kraft wird benötigt, um sie zu bewegen, während zeitgleich geriffeltes Oberflächenmaterial entlang des Randes der Sticks die Fingerhaftung steigert. Bemerkenswert ist dabei, dass es angeblich so gut wie keine tote Zone um die neutrale Stellung der Sticks herum mehr gibt. Diese war zuvor nötig, weil die Sticks nach dem Steuern nicht immer exakt auf die Nullstellung zurückkehrten. Dieses Problem will Microsoft nun behoben haben, weshalb nun so gut wie jede Bewegung in einem unmittelbaren Steuerkommando resultiert. Theoretisch sorgt das für mehr Präzision, wenn eure Finger mithalten können.
Leider zeigte Microsoft keine Demos, die besagte Präzision der Sticks, des D-Pads oder auch der Buttons demonstrierten, was aber stattdessen Teil der Vorführung war, sind zwei neue Rumble-Motoren, die nun zusätzlich zu denen, die in den "Hörnern" des Controllers verbaut sind, direkt die Trigger-Tasten ins Schwingen bringen. Bramwell beschreibt den Effekt als direkt offensichtlich und sehr ansprechend. Eine Demo simulierte einen Herzschlag, einen aufs Maximum angepeitschten Sportwagenmotor, das Knattern eines Hubschrauber-Rotors oder das unvermeidliche Abfeuern einer Waffe. Durch die Feinfühligkeit der Zeigefinger soll der Vibrationseffekt nun noch nuancierter an den Spieler übermittelt werden.
Sonst auf der Vorderseite direkt auffällig: das neue D-Pad, das dieses Mal augenscheinlich den Namen auch verdient. Die auf einem Stick gelagerte Scheibe ist nun einem traditionelleren Steuerkreuz gewichen, das Kollege Bramwell zufolge ein Mikroschalter-Feeling versprüht, was an und für sich erst einmal vielversprechend klingt. Der Guide-Button ist etwas nach oben gerutscht und die Logos auf Start- bzw. Select nun eher nach "Menü" und "Multitasking" aussehen.
Wenn man sich an den Seiten bis zu den Schultern der Steuereinheit vorarbeitet, findet man hier längere Bumper als zuvor. Dahinter die neuen Analog-Trigger, die nun nicht mehr mechanisch, sondern mittels eines magnetischen Sensors ausgelesen werden und so feinere Bewegungen erkennen sollen. Ein Abrutschen von diesen Tasten konnte der Kollege nicht feststellen. Alles fühle sich gut an.
An der Rückseite fällt direkt auf, dass die Batterie-Ausbuchtung nun nicht mehr Teil des Designs ist. Die Energiespender liegen nun quer und im Controller versenkt, wodurch der Rücken des Controllers nun mehr freie Fläche für lange Finger bietet. Die Griffe wurden ebenfalls etwas verschlankt, um rund um den Globus mehr Handgrößen zu schmeicheln. An der Unterseite findet sich ein High-Speed-Datenport, etwa dort, wo sonst der Headset-Stecker war. Es sieht danach aus, dass hier ähnliche Peripherie angeschlossen wird. Zu guter Letzt die Inneren Werte: 15 bis 20 Prozent schneller soll das Gerät mit der Konsole kommunizieren. Eine kabelgebundene Variante sei aktuell nicht geplant.
Es sieht was, was du nicht siehst: Das neue Kinect
Verglichen mit der ursprünglichen Ankündigung Kinects, bei der uns Dinge gezeigt wurden, die heute, knapp vier Jahre später, immer noch nicht funktionieren, hielt sich Microsoft auf seiner Pressekonferenz mit versprochenen Spiel-Applikationen für die überarbeitete Version vornehm zurück. Tom Bramwell bekam Backstage allerdings die Gelegenheit, sich einige Tech-Demos anzusehen.
Aus drei verschiedenen "Augen" analysiert Kinect in 1080p mit 30 Bildern pro Sekunde das Wohnhzimmer. Zuerst zeigte man die 3D-Kamera, die mittels Time-of-flight-Verfahren die räumliche Abtastung der Umgebung und ihrer Bewohner vornimmt. Ein leichter Lag zwischen erfasster Person und Übersetzung des Kommandos auf den Bildschirm war zu erkennen, allerdings sei dieser zu vernachlässigen gewesen. Der Detailgrad des 3D-Bildes sei sehr hoch gewesen. Selbst Falten im Hemd und dessen Knöpfe konnte man erkennen. Die selbsterklärende Farbkamera stellt sicher, dass Kinect in Skype-Gruppen-Anrufen an einen einzelnen Teilnehmer, der spricht, heranzoomen kann, ohne das Bild zu sehr zu verpixeln.
Sind die Beleuchtungsverhältnisse ungünstig oder nicht vorhanden, nutzt Kinect Active IR, eine Infrarotkamera, mit der sie im Dunkeln zu sehen in der Lage ist. Tatsächlich kann Kinect mit diesem dritten Auge sogar Lichtquellen ausblenden, wenn sie sich störend auf die Erkennung auswirken. Laut Bramwell sei es ein ziemlich verblüffender Effekt gewesen, als man dies mithilfe einer Taschenlampe über dem Kopf eines Probanden demonstrierte: Kinect "sah" das Licht aus der Funzel einfach nicht.
Mit dem Skeletal Tracking werden erneut der Knochenbau und die Gelenke des Spielers erfasst. Einzelne Finger erkennt Kinect zwar immer noch nicht - immerhin werden schon Daumen und die Fingergruppe voneinander unterschieden -, mit 25 verfolgten Gelenken werden aber auch subtile Bewegungen, wie ein leichtes Zur-Seite-Lehnen der Wirbelsäule oder ein Schulterzucken, eingefangen. Drehungen von Gliedmaßen sind da nur Ehrensache.
Komplexer wird es, als demonstriert wurde, dass Kinect angeblich sogar die aktuelle Muskelaktivität und Kräfte-Einwirkungen versteht. Ein Vorspieler begab sich in die Hocke, woraufhin die Schenkel der Figur auf dem Bildschirm unter der erkannten Anspannung dicker wurden. Ähnliche Tricks sind das Verständnis für die Verlagerung des Gewichts von einem Fuß auf den nächsten. Als der Demo-Beauftragte der Luft mit einigen Schwingern unterschiedlicher Intensität ein paar blaue Flecken verpasst, kennzeichnet Kinect auf dem Bildschirm den Wirkungsgrad und Einschlagpunkt der Schläge. Als ein Freiwilliger das probiert, werden allerdings auf einmal vereinzelte schwere Schläge nicht registriert. Ein frühes Anzeichen der Erfahrungen, die wir ein weiteres Mal mit einem Produkt namens Kinect machen werden oder schlicht Kinderkrankheiten?
Andernorts wird demonstriert, dass Kinect den Puls verfolgen kann - anhand von "Fluktuationen im Blutfluss im Gesicht" des Spielers. Auch das Interpretieren von Gesichtsausdrücken, das Erkennen, ob man in Richtung Bildschirm blickt, und welcher Controller sich in deiner Hand befindet, soll Kinect beherrschen. Zum Teil verblüfften die Demos, ab und an blieben sie aber den Beweis schuldig, dass sie zuverlässig funktionieren. Gerade bei den Gesichtsausdrücken und dem Messen der Aufmerksamkeit ergaben sich Diskrepanzen.
Und dann ist da noch die Frage, was Entwickler damit anstellen? In Zeiten, in denen man schon froh wäre, wenn NPCs einem endlich mal wirklich ins Gesicht blicken würden, anstatt mittig aus dem Screen heraus, tue ich mich schwer, mir vorzustellen, was das Spiel mit meinem Puls anfangen sollte.
Zocker mit cinephiler Surround-Ausstattung sollen übrigens nicht befürchten, dass die Sprachsteuerung der Konsole mit einem voll aufgedrehten Kino-Vergnügen im Clinch steht. Tatsächlich soll Kinect den Spieler immer gut verstehen. Trotzdem: Was das angeht, müssen wir Microsoft zunächst noch beim Wort nehmen, was angesichts früherer hochtrabender Kinect-Versprechen nicht wenig verlangt ist, auch wenn sich das Gerät schon jetzt besser zu schlagen scheint, als sein Vorgänger.
Bleibt da noch die Frage nach den Anforderungen an euer Spielzimmer, ein wunder Punkt vieler Kinect-Early-Adopter, deren Zimmer sich als zu klein für das Kamera-Erlebnis herausstellten. Nach Angaben eines Microsoft-Sprechers soll das erweiterte Field of View ("Sichtbereich") auch in kleineren Räumen eine gute Abtastung ermöglichen. Der Vorführraum war Tom zufolge aber ziemlich gewaltig, weshalb auch diese Behauptung vorläufig ohne Prüfung bleibt. Zuversichtlich stimmt auf jeden Fall schon mal, dass der recht hochgewachsene MS-Sprecher bis auf zwei Meter an die Kamera herantritt, bevor sie ihn nicht mehr in Gänze erfasst. Zudem, so weißt Tom hin, stehen die Stimmkommandos ja in jedem Fall zur Verfügung. Was halten diejenigen davon, die es überhaupt nicht einsehen, ein Kinect zu kaufen? Und wo soll man das Gerät platzieren? Es sieht nicht gerade klein aus?
Die große Bekannte: Skype
Nach dem Kauf von Skype durch Microsoft vor zwei Jahren war im Grunde klar, dass der Videotelefonie-Dienst eine integrale Rolle in der nächsten Xbox spielen würde. Und das vorgestellte Konzept überzeugt: 1080p-Gruppentelefonate mit Stimmerkennung und Echo-Unterdrückung dank Kinect und das Feature, den Chat an Gameplay oder TV-Inhalte anzuheften, haben allesamt ihre Daseinsberechtigung.
Während der Backstage-Demo mussten sich die Anwesenden allerdings mit einem Video des Feature-Sets zufrieden geben, anstatt einem live durchgeführten, "echten" Telefonat zu folgen. Angesprochen darauf, ob es sich bei dem Telefonat zwischen MS-Mann Yusuf Mehdi und seinem Kollegen auf der Pressekonferenz nicht um ein Live-Gespräch gehandelt habe, wusste der Sprecher keine Antwort.
Wir werden ja sehen, wie gut es funktioniert, wenn Skype wie geplant zum Start der Konsole verfügbar gemacht wird.
Das ungeschriebene Gesetz
Nichtsdestotrotz lautet das ungeschriebene Gesetz dieser Branche aber immer noch, dass man nicht über die Hardware und deren Featureset Konsolen verkauft, sondern über die Games. Und in dieser Hinsicht muss sich Microsoft erst noch beweisen. Klar, es ist im Grunde nur logisch, auf der hauseigenen Vorführung das Rampenlicht auf das Gerät selbst zu richten, wenn schon in zwei Wochen die wichtigste Videospielemesse der Welt ansteht. Mit etwas Glück hat sich Microsoft also seine TV- und Social-Features schon auf diesem Event von der Brust geredet und konzentriert sich am zehnten Juni voll und ganz auf die Spiele.