XCOM: Enemy Unknown - Test
Mit viel Respekt und Liebe zum Detail entstand bei Firaxis ein Remake, das diesen Begriff eigentlich nicht verdient hat.
Bei allem, was es zu tun, zu erforschen und zu bauen gibt, erlebt man die spannendsten Stunden von XCOM jedoch auf dem Schlachtfeld, denn wer einmal stirbt, bleibt immer tot. So hitzig im Vorfeld auch über Details wie die Einführung von Deckung oder die Abschaffung der Zeiteinheiten diskutiert wurde, so müssen doch selbst die konservativsten Veteranen nach ein paar Stunden hiermit gestehen, dass es funktioniert. Geist und DNA von UFO: Enemy Unknown haben auch zu Felde unter Firaxis' Regie den steinigen Weg in die Neuzeit ohne nennenswerte Reibungsverluste genommen. Dabei läuft der Kampf unterm Strich kompakter ab als noch zuvor. Beäugte ich anfangs besonders die Reduktion der Einheiten auf zunächst vier (was sich recht bald auf sechs steigern lässt), mag ich diese Änderung jetzt doch sehr.
Es ist weniger Leerlauf im Kampf bei gleichzeitig individuelleren Soldaten. Allgemein ist man weniger damit beschäftigt, ein gutes Dutzend Soldaten Verstecken mit den Aliens spielen zu lassen. Hier ist man grundsätzlich in der Unterzahl, fast immer spätestens mit dem zweiten Zug im Gefecht. Jede einzelne Bewegung will dabei gut überlegt sein. Natürlich kann man auf den nun überschaubareren Karten immer noch einen Rookie nach drei Stoßgebeten einfach durch die Frontlinie in Feindesgebiet schicken und hoffen, dass er möglichst viele Aliens aufdeckt. Das vorsichtige Ziehen ist aber auch hier Trumpf. Im Grunde spielt ihr die ganze Zeit so, wie ihr es im Original mit euren sechs Lieblingssoldaten gemacht habt.
Jede Aktion sollte bedeutsam sein, ein einzelner Fehlschuss zwischen Sieg und Niederlage entscheiden können und so fühlt es sich auch an. Ein weiterer Pluspunkt der kleineren Squad-Größe auf insgesamt etwas weniger großen Schlachtfeldern ist, dass so auch vorsichtige Spieler nicht ewig warten müssen, bis ihnen das Plasma um die Ohren fliegt. Was besonders auf den Classic- und Impossible-Schwierigkeitsgraden sehr elegant verhindert, dass das Spiel zäh wird. Es kommt so bei allem Abwägen immer ein ausgezeichnetes Tempo auf, das noch mehr zu "nur noch eine Runde" verleitet, als es damals schon der Fall war.
Taktgeber für die Kämpfe ist die Umstellung von einem mit steigendem Rang anwachsenden Zeiteinheiten-Konto auf ein Zwei-Aktionen-Modell. Ihr könnt entweder eine kurze Strecke zurücklegen und dann eine Aktion ausführen oder direkt schießen, eine Granate werfen und dergleichen und beendet damit jedoch sofort euren Zug. Die dritte Möglichkeit ist, beide Aktionen für einen besonders weiten "Sprint" aufzubrauchen, was oft der einzige Weg ist, einen halb toten Lieblingskämpfer noch aus einer brenzligen Situation zu befreien. Während eure Soldaten die Karriereleiter aufsteigen, gibt es einige Möglichkeiten, dieses Modell mit dem Freischalten von Skills aufzuweichen und ihm Flexibilität zu verleihen. Die Support-Klasse kann ihren Standard-Bewegungsradius deutlich steigern, während der Assault Trooper über einen Perk verfügt, der ihn selbst nach einem Sprint noch schießen lässt.
Auch Heavy und Scharfschütze kennen ähnliche Modifikationen, was unterm Strich in einem dynamischeren Kampfablauf resultiert. Wenn sich das Glück wendet und sich die Geschicke auf dem Schlachtfeld in einen Bereich verlagern, den ihr nicht gut genug mit Soldaten bedacht hattet, ist man viel häufiger als noch damals im Rückwärtsgang oder wird zu spontanen Rettungsmissionen verleitet. Vielleicht nimmt man auch riskante Schüsse mit niedriger Trefferwahrscheinlichkeit, über die man sonst nicht einmal nachgedacht hätte - einige davon resultierten bei mir in den schönsten Heldentum-Momenten, die ich in dieser Spielegeneration hatte.
Wie sich die Fights hier auf dem Absatz drehen und ihr bei aller geschulter Taktik auch immer auf veränderliche Situationen eine Antwort haben müsst, das macht sie einfach immer wieder neu und vor allem sehr, sehr spannend. Schließlich ist dank Perma-Death auch das Leben eurer liebevoll hochgezüchteten Soldaten ernsthaft in Gefahr. Reißt ein Berserker euren Scharfschützen-Colonel in Stücke, dauert es ein gutes Dutzend deutlich kribbeligerer Missionen, bis ihr einen annähernd adäquaten Ersatz ausgebildet habt, wenn er so lange überlebt.
Ein weiterer Paradigmenwechsel ist die Einführung von Deckung. Ein Soldat, der auf freiem Feld steht, wird mit exponentiell höherer Wahrscheinlichkeit getroffen, als wenn er hinter einer halbhohen Mauer den Kopf einzieht. Zudem geht auch die Wahrscheinlichkeit kritischer Treffer durch die Decke. Ihr müsst eure Bewegungen also immer auf die vorhandene Deckung abstimmen und stets überlegen, ob der Sprint zum ausblutenden Kameraden nicht bedeuten würde, dass in der nächsten Runde gleich zwei schwerverletzte Kollegen im Dreck darniederliegen. Dadurch, dass alle Wände und fast jede Deckung im Spiel zerstört werden kann, kippt hier jede Situation recht schnell in ungute Bereiche, etwa, wenn eure drei hinter einem Baumstamm kauernden Soldaten nach dem Granatenwurf eines Mutonen auf einmal mit heruntergelassenen Hosen vor dem Ufo-Eingang stehen.
Das Original verstand es vielleicht etwas besser, euch dies auch gezielt für eure Zwecke einsetzen zu lassen: Mit den Standard-Waffen dürft ihr nämlich nicht mehr gezielt einzelne Mauerteile aufs Korn nehmen, um einem Kollegen freie Schussbahn zu verschaffen oder eine Tür zu machen, wo vorher keine war. Dann wiederum: In UFO: Enemy Unknown konnten Soldaten auch nicht durch die allgegenwärtigen Fenster in Häuser einsteigen. Wann immer eine Wand wegmusste, erledigte ich das im neuen Spiel eben mit einer Handgranate, denn mit denen lässt es sich sehr wohl frei zielen. Dasselbe gilt für den Raketenwerfer des Heavy Troopers. Diese Taktik ist also nicht aus dem Spiel, sondern nur eine etwas entschärfte Option, was angesichts kleinerer Maps vielleicht auch Sinn macht.
Die sind übrigens nicht mehr zufallsgeneriert, sondern handgemacht. 80 bis 100 soll es geben. Ich habe sie nicht gezählt, aber definitiv schon einige doppelt gesehen, aber ich bin ja auch schon drei Mal durch die erste Hälfte dieses Spiels. Die zufällige Verteilung und Zusammenstellung der Aliens hält die Karten durchaus frisch. Und ehrlich gesagt waren die ewigen Korn- und Kohlfelder auch nicht unbedingt die Ausgeburt von Individualität. Fürs Dauerspiel wären zusätzliche Karten, vielleicht als (günstiger bis kostenloser DLC?) aber wohl irgendwann angesagt.
Ein paar echte und ehrliche Ungereimtheiten fielen mir dennoch auf. Die Maussteuerung lässt durchblicken, dass das Spiel so gestaltet wurde, dass es auch mit einem Joypad tadellos funktioniert. Man ist ebenso viel mit den Fingern auf der Tastatur unterwegs wie in einem Shooter. Es ist definitiv kein Beinbruch, weil alles gut funktioniert, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat. Für ein Taktikspiel aber dennoch ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Wer seinen Rechner aber an einem Fernseher hängen hat, darf den Titel als Bonus auch mit dem tadellosen Controller-Mapping spielen, was angesichts der wirklich coolen Präsentation auf Actionspiel-Niveau - mit ihrer fantastischen Musik und den nie störenden, szenischen Highlight-Cams - ein echtes Plus ist. Schade ist hingegen, dass man in der Basenansicht mit Maus und Tastatur keinerlei Möglichkeit hat, bis an die Kaffeetassen in der Kaserne heranzuzoomen. Das geht nur mit dem Controller.
Ab und an gab es zudem Situationen, in denen mir nicht klar war, wieso mein Soldat nun gesehen (und getroffen wurde), obwohl sich ein massiver Gegenstand in der Sichtlinie befand - aber dieses Spiel geht in beide Richtungen. Was definitiv ein Bug ist: In einigen Ufo-Missionen sieht man nach jedem Einheitenwechsel nur das Dach der fliegenden Untertasse, doch das dürfte sich leicht beheben lassen, ebenso wie einige Gelegenheiten, zu denen sich ein Soldaten nicht durch das Loch in der Außenwand eines Alien-Schiffes zwängen wollte.
Im Mehrspieler-Bereich findet sich ein nettes kleines Taktik-Scharmützel, bei dem zwei Generäle mit bunt gemischten Truppen auf einer vielleicht etwas zu übersichtlichen Auswahl an Karten gegeneinander antreten. Zwar gibt es Ranglisten-Kämpfe, aber insgesamt lässt diese nett an Table-Top-Spielchen gemahnende Ergänzung nur wenig Zweifel daran aufkommen, dass Brot und Butter von XCOM in der Kampagne stecken. Es macht für einige Runden trotzdem genug Spaß, um das Attribut, "nettes Extra" zu verdienen. Und als mehr war es wohl auch nicht gemeint.
So lange ich auch gezittert und mich gerade zu Beginn innerlich gegen jede Änderung gestemmt habe, so geht am Ende doch alles auf. Firaxis umschifft jegliche Remake-Klippen, stets darauf bedacht, das beste Spiel zu machen, das sie können. Wohlbekannt und fremd zugleich entwickelt Enemy Unknown so seinen ganz eigenen Rhythmus, sich jederzeit dadurch auszeichnend, wie ähnlich es doch in seiner Sogwirkung dem Original ist: Ein Spiel mit einer Breite und Tiefe, die man dieser Tage nicht mehr häufig sieht und das parallel zu eurem Taktik-Verständnis immer weiter wächst. Bis es vorbei ist und man noch einmal von vorne anfängt.
Ist dies der einzige denkbare Entwurf zum Thema XCOM? Sicher nicht. Aber es ist ein aufrichtiger, prächtiger Tribut, dieses Spiel. Unsterblich verliebt in das Ausgangsmaterial und trotzdem fest entschlossen, sein eigenes Biest zu sein, spielt sich XCOM: Enemy Unknown seit mittlerweile achtzig Stunden in mein Herz und wird dort für immer bleiben.
Was bleibt also, wenn man auf den Schultern von Riesen einen weiteren errichtet? Wenig Luft nach oben. Aber die Aussicht ist einfach unbeschreiblich.