Xeodrifter - Test
Wie Super Metroid. Nur anders.
Wenn mich dieses brutale Alien-Rhinozeros mit seinen immer gleichen Angriffsmustern noch einmal umbringt, schmeiße ich den 3DS wirklich durchs Fenster auf die Straße. Es ist mir egal, wen ich damit treffe, ich trage keine Schuld, ich werde sagen das Alien-Rhinozeros hat Schuld. Es hat mich zur Weißglut getrieben, mich dazu gebracht, meinen 3DS zerstören und dabei keine Rücksicht auf andere Menschen nehmen zu wollen. Und doch - auch diesmal, als meine kleine, nur ein paar Pixel hohe Spielfigur erneut das Zeitliche segnet, lege ich die Konsole nur kurz ab, atme tief durch und spiele weiter. Allein die Fähigkeit, über solche solch äußerste Frustmomente hinaus zu motivieren, macht Xeodrifter zu einem tollen Spiel. Doch nicht nur die.
Entwickler Renegade Kid scheut sich nicht, zu zeigen, woher die Inspiration für Xeodrifter kommt. Das Spiel, das es nun auch in den deutschen 3DS-Store schaffte, atmet die frühen 2D-Teile der Metroid-Reihe durch jede Pore. Sowohl Leveldesign als auch zahlreiche Gegner wirken wie aus Super Metroid entlehnt. Nett, für Fans. Was Xeodrifter aber zu etwas Besserem macht als einem bloßen Klon, ist, dass es die Entwickler geschafft haben, dem Spiel ihre eigene Note zu verleihen. Das zeigt sich etwa in der Waffenauswahl: Während ihr in den Metroid-Spielen zwischen verschiedenen, statischen Waffentypen wechseln könnt, sammelt ihr in Xeodrifter Upgrade-Punkte, die ihr dann auf verschiedene Waffentypen verteilen könnt. Ein Beispiel: Legt ihr zwei Punkte auf die Streuung der Waffe und zwei weitere auf ihre Stärke, kommt am Ende eine Waffe mit mittlerer Streuung und mittlerer Durchschlagskraft heraus. Je mehr Upgrade-Punkte ihr aufsammelt, desto größer werden die Variationsmöglichkeiten und desto reizvoller wird es, neue Strategien auszuprobieren.
Wie ein Vertreter der Metroid-Reihe lebt auch Xeodrifter vom Erlernen neuer Fähigkeiten, mit denen ihr immer neue Gebiete freischaltet und so nach und nach die begehbare Welt vergrößert. Die Spielwelt erstreckt sich hier über vier Planeten, wobei ihr immer wieder auch zu bekannten Orten zurückreißen müsst. Nicht selten habe ich meinen 3DS weggelegt, nur um ihn drei Minuten später wieder aufgeregt anzuschalten, weil mir auf dem Weg in die Küche eine entscheidende Stelle eingefallen ist, an der ich eine neu erlernte Fähigkeit noch nicht ausprobiert habe. Xeodrifter blieb in meinem Kopf hängen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich die erlernbaren Skills angenehm von dem abheben, was man aus anderen Metroidvanias kennt. Sie erschöpfen sich eben nicht in Doppelsprung und Bomben, dem alten Raketenwerfer und dem tausendfach kopierten Wave Beam. Stattdessen gibt es beispielsweise ein kleines U-Boot, Stiefel, mit denen ihr über Lava rennen könnt und ein Item, das es euch erlaubt, in den Hintergrund der Spielwelt zu springen - letzteres sieht besonders mit eingeschaltetem 3D-Effekt auf dem 3DS sehr hübsch aus. Diese Fähigkeit dient nicht nur dazu, an Stellen zu gelangen, die sonst unerreichbar wären, sie ist auch eine der effektivsten Möglichkeiten, gegnerischen Angriffen auszuweichen. Und auszuweichen ist in Xeodrifter wirklich bitter nötig.
Bunte Knuddel-Pixel-Grafik und süßer Chiptunes-Pieps-Soundtrack hin oder her: Xeodrifter versteht keinen Spaß. Wer unachtsam durch die Spielwelt hüpft wie Super Mario oder seine eigene Geschicklichkeit überschätzt, wird von diesem Spiel gnadenlos gelyncht. Das tut richtig weh, denn speichern könnt ihr nur auf dem Raumschiff, also bevor ihr einen Planeten überhaupt auch nur betretet. Zwar gibt es vor jedem Endboss noch einmal einen Checkpoint, dennoch geht durch einen Tod mitten im Level jede Menge Spielzeit verloren - vor allem aber der mühsam erkämpfte Spielfortschritt. Wird der alte Spielstand neu geladen, sind eigentlich bereits entdeckte Level-Abschnitte auf der Karte noch nicht einmal mehr aufgedeckt. Aua. Aber: Die Weisheit, dass ein Spiel dann zwar schwer, aber fair ist, wenn es einem das Gefühl gibt, dass man an seinem Ableben selbst schuld ist, trifft auch hier zu. Deswegen kann ich dem zu Beginn erwähnten Weltraum-Rhinozeros auch nicht wirklich böse sein. Die Steuerung ist exakt, ich war einfach nur zu langsam.
Xeodrifter ist innerhalb von fünf Monaten entstanden. Entwickler Jools Watsham berichtet in einem Blog vom finanziellen und zeitlichen Druck, der während dieser Zeit auf ihm lastete. An einigen Ecken ist das diesem sonst so geschliffenen Spiel leider anzumerken. Die Gegner wiederholen sich häufig, unterscheiden sich selbst auf verschiedenen Planeten nur durch eine unterschiedliche Farbgebung. Selbst die Bossgegner sind im Wesentlichen identisch, wenngleich sie bei jeder neuen Inkarnation ein neues Angriffsmuster dazulernen.
Trotzdem ist Xeodrifter eine der besten Herangehensweisen an die alte Metroidvania-Formel, die in den vergangenen Jahren erschienen ist. Mit seinen vier Welten hat das Spiel zwar einen bescheidenen Umfang, die vorhandenen Levels nutzt es aber mit vielen versteckten Extras wunderbar aus. Selbst nach den vier bis sechs Stunden, die es bis zum Umlegen des letzten Bossgegners braucht, gibt es noch an jeder Ecke etwas zu entdecken. Gerade dieser Entdeckergeist, angeheizt durch Upgrades und Power-Ups, ist es schließlich, der Metroidvania-Spiele so reizvoll macht.