Y´s Origin - Test
Sind sechs Jahre nach dem Release nicht ein bisschen zu spät?
Hier ist eine kleine Fan-Perle, von der ich nie gedacht hätte sie noch mal spielen zu können. Jedenfalls nicht, ohne in 2006 eine japanische Version von Windows XP zu installieren - Applocale versagte hier - und eine gecrackte und sprach-gepatchte Version des Spiels zu "organisieren" - die Retail konnte nicht, soweit ich mich erinnere, mit dem Fan-Sprach-Patch versehen werden. Falls doch, liegt meine Ausgabe hier unnötig ungenutzt seit Ewigkeiten herum. Wer Y´s Origin hierzulande spielen wollte, musste bis vor Kurzem leiden. Oder ließ es, wie ich, letzten Endes einfach sein.
Preis und Technik spiegeln aktuell diesen nicht gerade kurzen Zeitraum wieder. Das für 13 Euro auf Steam erhältliche Y´s Origin lässt sich auf 1080p hochfahren und dank eines relativ zeitlosen Japan-Knuddel-Looks sieht es auch nicht hässlich aus, aber moderne Effekte findet ihr hier an keiner Stelle. Nicht mal Sprachausgabe, sondern viel, teilweise sehr seltsam übersetzten Text. Technisch gesehen dürfte die Lokalisierung ins Englische - kein Deutsch, sorry - in Ordnung sein, aber ich frage mich schon, ob da auch so viele Knapp-über-Kindergarten-Schimpfwörter drin vorkamen.
Sei es, wie es ist, die Story an sich ist gut verständlich und definitiv ein Fall für Y´s-Veteranen. Lange noch bevor Y´s Book I & II ihren Lauf nehmen, landet ihr mit einem kleinen Erkundungsteam von einer schwebenden Welt auf der von Dämonen heimgesuchten Planeten-Oberfläche, um zwei Göttinnen zu retten. Was inhaltlich folgt, ist gehobene japanische Rollenspielnorm. Einige zu lange und sinnlose Dialoge, bedingt glaubwürdige Charaktere und wenig Mitspracherecht im Ablauf. Wer interaktives Erzählkino erwartet, wird woanders glücklich, hier ist es ein solides Vehikel, um drei Mal einen großen Turm zu ersteigen.
Drei Mal in Folge, denn die Story wird auf drei verschiedene Figuren verteilt, die leicht andere Weg gehen, andere Dinge erfahren und sich auch in ihren Fähigkeiten deutlich unterscheiden. Auf diese Weise kann man die Spielzeit mit locker "20 Stunden plus" angeben, ein einzelner Durchgang ist in 8 Stunden gut machbar. Ehrlich gesagt, ich bin am Beginn des dritten Durchgangs abgestorben, aber das könnte auch daran liegen, dass ich es etwas zu schnell hintereinander durchwanderte. Teilt es ein wenig ein, dann ist das hier ein ziemlich guter Deal, was Zeit gegen Preis gemessen angeht.
Natürlich nicht nur, weil die Spielzeit stimmt. Die große Stärke der Serie war stets ein simples, aber befriedigendes Action-Kampfsystem, das wenig Pausen oder Langeweile aufkommen lässt. Das ist keine Vorlage für komplexes, taktisches Denkfutter. Es ist ein Rezept für sehr dynamische, stellenweise Hack´n´Slay-artige Begegnungen, in denen ihr teilweise auf die Besonderheiten der Gegner achten müsst: Gift-Schleuderer greift man nicht frontal an, auf die Riesen hackt man ebenfalls nicht ohne Pause und Flucht ein und Ähnliches. Wie schon gesagt, nie wirklich kompliziert, aber schnell, mit gutem Feedback und sehr zufriedenstellendem Loot-Rausch.
Dieses Loot unterscheidet sich drastisch von Diablo und Co. insoweit, als dass Waffen und Gegenstände in Y´s sehr rar sind und in den meisten Fällen einen ganz spezifischen Nutzen haben. Stattdessen zerplatzen die Monster in Status-Boni, XP-Boni und XP-Punkte, die ihr in einem klimpernden Rausch einsackt. Diese Boni bauen sich auf und sinken auch wieder, wenn ihr nicht kämpft. Das Spiel schafft auf diese Weise einen sehr flüssigen Kampfablauf. Dieser lässt sich leicht aufrechterhalten. Jeder Raum wird sofort wieder bevölkert, nachdem ihr ihn verlassen habt und die Monster warten nur auf eure Rückkehr. Die Wege sind dank eines Teleport-Systems nie zu lang, insoweit fällt dieser Respawn eher in die Grind-Kategorie.
Grinding ist nicht wirklich nötig, auch wenn es stellweise einladend genug angeboten wird. Auf Mittel und Hart sind die Wege zwischen den Monstern fair genug, euch praktisch ohne Wiederholungen passieren zu lassen. Die Bosse selbst sind eine andere Geschichte. Sie sind alte Action-RPG-Schule, sagen wir es so. Das bedeutet, dass ihr in der Regel beim ersten Mal euren Hintern auf zwei Händen gereicht bekommt. Nach ein paar Anläufen seid ihr soweit, dass ihr in einem knappen Mann-gegen-Monster den Sieg mit zusammengebissenen Zähnen über die Ziellinie tragt. Im Boss-Rush-Mode - zur Freude alter Y´s-ler auch mit Adol als Bonuscharakter spielbar - seid ihr dann an dem Punkt, wo ihr keinen Schaden mehr nehmt und nur noch auf den Sekundenticker schielt. Ein wenig wie Dark Souls, aber nicht annähernd so schwer.
Die Steuerung fühlt sich dabei sehr natürlich an, zumindest mit einem Pad. Maus und Keyboard und ihr seid schon fast im Diablo-Klick, nur nicht annähernd so intuitiv. Klicken zum Laufen, Taste für Angriffe, es fühlt sich einfach nicht ganz richtig an, was aber auch an der Blizzard-Indoktrination liegen könnte.
Y´s Origin ist ein sechs Jahre altes PC-Japan-Prequel zu einer Serie, die hier nie wirklich zu viel Ruhm kam. Wir sind ganz tief in Fan-Service-Territorium. Ich werde mich hüten, es generell jedem als großartiges Action-RPG verkaufen zu wollen. Die Technik ist veraltet, der Stil setzt eine starke Affinität zu Y´s oder mindestens Kopffüßlern voraus. Was jedoch universellen Appeal mitbringt, ist das schnelle, eingängige, fast schon arcadige Kampfsystem und insbesondere die Bosskämpfe. Fast jeder von ihnen ist ein kleines Highlight in sich und ein ganz guter Grund, Y´s Origin eine Chance zu geben. Letztlich ist Kämpfen, das, was ihr zu 90 Prozent der Zeit tun werdet. Auch ist es selten, dass wir einen kleinen Einblick in die japanische PC-Welt bekommen. Y´s Origin, ein nerdiges, kleines Vergnügen für alle, die manchmal ein klein wenig die 16/32-Bit-Ära vermissen, aber nicht gleich auf komplettes Retro zurückgreifen zu wollen.