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Yagers The Cycle macht fast alles richtig. Nur eine Sache fehlt …

... aber dafür sind ja Betas da.

Mit Yagers The Cycle versucht sich nun der andere große deutsche Entwickler mit Action-Renommee an einem PvEvP-Spiel. Ich habe keine Ahnung, welches der beiden Studios als erstes den Gedanken hatte, seine offene Welt samt KI-Bewohnern vor einem ganzen Rudel an Spielern auszurollen wie einen besonders einladenden und schmucken Teppich. Und es ist auch eigentlich egal. Ich bin nur froh, dass mehr Entwickler dieses Konzept verfolgen.

Denn das ist im Grunde für Spieler aller Skill-Klassen eine Bereicherung: Die KI als schwer kalkulierbare Variable tut viel für die Unvorhersehbarkeit der Matches und gleicht mögliche Talentgefälle ordentlich aus. Jeder Schuss auf einen computergesteuerten Feind gibt womöglich einem anderen Spieler eure Position durch und wenn der im rechten Moment aus dem Hinterhalt zuschlägt, ist es nicht mehr so wichtig, wie viel besser ihr am Controller oder mit der Maus und Tastatur seid.

Malerisch geht es auf Fortuna III zu - bis die Kugeln fliegen. (The Cycle)

Der grundlegende Ansatz von The Cycle, dessen Beta ich mir am Wochenende anschaute, ist dennoch deutlich anders als der von Hunt - oder jedes andere Spiels, das PvE und PvP sonst so mixte. Alleine oder in Vierer-Teams steigen 20 Spieler an zufälligen Orten auf dem Planeten Fortuna III aus ihren orbitalen Abwurfkapseln und müssen dann Ressourcen ernten und Anlagen aktivieren, während sie für Abschüsse der lokalen Fauna unter anderem Geld verdienen, mit dem sie sich zusätzliche Waffen und Gadgets (aus einem vorher definierten Loadout) aus der Umlaufbahn bestellen. So eskaliert dann allmählich die Menge an Zerstörungskraft, die auf der Map unterwegs ist. Aber man stellt sie auch stets in den Dienst der Mission und nutzt sie nicht in erster Linie, um Jagd auf die anderen Goldgräber zu machen.

Die Punkte, auf die es am Ende ankommt, gibt es nämlich vornehmlich für erledigte Aufträge. Und obwohl es ein bisschen hoch gegriffen ist, wenn Yager von "Quest-Shooter" spricht - wenn diese Sammel- und Checklistenaufgaben als "Quests" durchgehen, will ich nie wieder ein Rollenspiel spielen -, so trifft es doch den Kern der Sache: Ihr seid hier, um Raubbau an diesem Planeten zu betreiben. Die Feuergefechte mit Spielern entstehen hauptsächlich, wenn andere an selber Stelle dasselbe versuchen.

Alles Gute kommt von oben: Aus dem Orbit holt ihr einen Schürfroboter herbei. Vergesst nicht, die Mineralien abzuholen, sobald er fertig ist. Sonst tut es jemand anderes! (The Cycle)

Der Planet an sich hat naturgemäß und vollkommen zu Recht etwas dagegen, sich von euch dahergelaufenen Meins-Meins-Meins-Raffhälsen beuteln zu lassen und hetzt euch seine farbenfrohesten, aber auch tödlichsten Kreaturen auf den Hals, die in unterschiedlichen Qualitäten aus dem Boden brechen. Und weil die niemals reichen, macht er in zyklischen Abständen mit einer Art alles versengendem Feuersturm einen kompletten Plattenputz. Wie der Kreis in PUBG, nur eben überall und im Grunde als fixer Countdown, an dessen Ende ihr gefälligst im Evakuierungsflieger sitzt, sonst ist alles für die Katz.

Mit verdientem Geld bestellt ihr auch Ausrüstung aus einem vorher zusammengestellten Loadout. (The Cycle)

Es ist eigentlich ein ziemlich cooler Einstieg ins Spiel: Die KI bietet sich als denkbar flache Rampe hinein in den Kampf mit dieser Welt an. Die ersten Mobs bekommt noch jeder umgeholzt und lernt so das schön griffig und knallig umgesetzte Gunplay kennen, das aktuellen Triple-A-Ansprüchen mehr als genügen dürfte. Auch die Fortbewegung fühlte sich gut an: Wenngleich nicht so schnell wie Fortnite, ist jedes Spiel mit Bewegungsoptionen wie Doppelsprung und Jetpack in meinen Augen direkt besser als eines ohne. Außerdem hat mir sehr gefallen, dass mir direkt zu Anfang meines ersten Solo-Matches ein anderer Spieler anbot, sich zu einem Duo zusammenzuschließen, anstatt mir in den Rücken zu schießen (geht ganz einfach über das Interface, ohne dass man reden müsste). Auch wenn sich die Illusion, dass der nette Mitspieler mit mir als blutjungem Noob im Schlepptau was reißen konnte, mehr oder weniger direkt zerschlug, gefiel mir dieses spontane Allianzen-schmieden ausgezeichnet.

Ihr müsst immer die Augen offen halten, nicht von KI-Monstern überrascht zu werden - und durch die Kämpfe mit ihnen, nicht weitere Aufmerksamkeit auf euch zu ziehen. (The Cycle)

Im Squad-Modus für Vierer-Teams ist das freilich keine Option, hier sind die Linien zwischen Freund und Feind klarer definiert, was ich tatsächlich nach meinen ersten Matches nicht ganz so reizvoll finde wie die eingebaute Unsicherheit des Solo-Spiels. Gut ist allerdings, dass sich mit den Gadgets gewisse Synergien produzieren lassen, weil man neben den Waffen immer nur zwei ausrüsten kann. Soll es also Medizin und eine Granate sein, oder will man einen Heilstrahl und orbitale Bombardements? Hier wird man sich gut absprechen können, wer was ranholt, um das Team gezielt um neue Möglichkeiten zu bereichern. Muss man am Ende auch, denn die Time-to-kill ist recht hoch und wer nicht koordiniert in ein Gefecht geht, braucht über Attacken in Unterzahl erst gar nicht nachdenken.


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Klar, auch Yager tappt hier trotz interessanten World Buildings - fremder und eindeutig mit guten Ideen gestalteter Planet samt Elementen und Kreaturen; drei verschiedene Fraktionen, für die man werkeln kann, etc. - in die Loot-Spiel-Falle, dass einem nach fünf Meter inhaltlich schon wieder alles egal ist: Was rumliegt und aufzuheben ist, da rauscht man einfach drüber, ohne nachzuschauen, welche Eigenschaften das spezielle und angeblich rare Material nun hat oder nicht. Im Grunde ist alles nur Währung, zu der man nichts mehr wissen muss, als dass man sie aufheben sollte, um zwischen den Matches neue Dinge für sein Loadout damit herzustellen. Aber hey, ich bin ziemlich sicher, dass wir eine ganze Reihe verheerender Krankheiten ausgerottet haben, bevor ein Spieleentwickler das Immersionsproblem eines auf endlose Wiederspielbarkeit ausgelegten Mehrspielertitels löst. Insofern: Schwamm drüber!

Dire Firmen könnt ihr unterstützen. Je mehr ihr für sie macht, desto mehr Waffen und Ausrüstung schalten sie für euch frei. Und die bastelt ihr dann auf der Raumstation mit den gesammelten Ressourcen. (The Cycle)

Unterm Strich zählt: Es ist ein hübsches Spiel, das sich auch entsprechend gut anfühlt und in der Free-to-play-Welt vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Eine Sache, an der aber definitiv noch gearbeitet werden sollte, ist das Feedback darüber, wie sich der Spieler gerade schlägt. Entweder, ich bekomme entsprechende Durchsagen in der Action nicht mit, lese das HUD falsch oder deute die Clues des Spiels diesbezüglich nicht richtig (alles möglich!) - oder es ist wirklich so, dass ich regelmäßig mit "Tab" die Spielerliste aufrufen muss, um ein Gefühl davon zu bekommen, wo ich stehe. Fakt ist: Das Spiel ist mit vier jederzeit aktiven und mehrfach absolvierbaren Aufträgen naturgemäß nicht so klar in dem, was man gerade machen sollte, um am Ende besser dazustehen, bevor am Schluss aus den evakuierten Spielern der Sieger ermittelt wird. Da dann im Niemandsland des achten, neunten, zehnten Platzes zu landen, ... nun ... immerhin hat man überlebt und ein paar Ressourcen mitgenommen ...

Ich habe links und rechts auf den Felsen geschielt, weil ich ein Zangenmanöver erwartete. Die Gegner sprangen jedoch auf die Felsen und neutralisierten jegliche Deckung. Ich mag, wie The Cycle seine überschaubare Vertikale nutzt.

Ich finde, das Spiel dürfte mir in der Frühphase gerne mehr in den Hintern treten, mich aggressiver in Richtung Erfolg peitschen oder schlicht seine Ziele klarer vermitteln als lapidar zu sagen: "schaffe so viele von den Zielen, wie es geht". Wie es ist, fehlte mir im Early- und Mid-Game der langen Runden deshalb stellenweise das Gefühl für das Drama der Situation und den Stand der Dinge. Der "Zyklus", der gegen Ende den verheerenden Sturm die Landschaft verschlingen lässt, und die atemlose Flucht aller Rest-Goldgräber fahren schließlich doch die Spannung und den Einsatz gebührend und visuell dramatisch rauf. Nun sollte noch ein wenig an dem gefeilt werden, was vorher kommt.

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Für The Cycle ist es auf jeden Fall noch früh und von mir die angesprochene Spannungsschwäche der einleitenden Phasen ließe sich durch eine Menge Elemente - präsentatorisch wie auch in Sachen Reglement oder Gameplay - beseitigen. Yager hat hier eine Menge Potenzial unter den Fingern, das von der Action-Expertise der Berliner und seiner ansprechend gestalteten Welt schon gut leben kann. Jetzt kommt es auf die Feinheiten an, das schon jetzt sehr gut flutschende Grund-Gameplay so zu stützen, dass sich das Spiel häufiger und rücksichtsloser in die Höhen aufschwingen kann, zu denen es in seinen besten Momenten fähig ist.


Entwickler/Publisher: Yager Erscheint für: PC - Geplante Veröffentlichung: 2019 - Angespielt auf Plattform: PC

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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The Cycle

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