Yoshi's Woolly World: Ein Sonnenschein von einem Platformer
Wo die Welt noch in Ordnung ist.
Das Ende Juni den Wii-U-Katalog stärkende Yoshi's Woolly World ist unverschämte Lebensfreude. So viel kann man nach einem halben Dutzend Level sagen und ich glaube nicht, dass sich daran später Grundlegendes ändern wird. Von den lachenden Filzwolken bis zur beidohrig strahlenden, beschwingt hin und her schunkelnden Sonnenblume, die sich inmitten einer Konfettiexplosion in die Höhe reckt. Es hat etwas zutiefst Beruhigendes, wenn Yoshi einer Piranha-Pflanze den Mund mit einem Wollfaden verknotet oder an einer Masche zupft, um versteckte Teile der Stoffkulissen begehbar zu machen.
Seit über 30 Jahren arbeitet Nintendo daran, 2D-Welten in all ihren Facetten so zu erfassen, als existierte jeder ihrer Ausschnitte für den Moment, in dem man ihn erkundet. Das 1995 fürs SNES erschienene Yoshi's Island (eigentlich Super Mario World 2: Yoshi's Island) war technisch seinerzeit in vielerlei Hinsicht ein Höhepunkt dieser Auffassung, und zwanzig Jahre später - in Yoshi's Woolly World - ist nur die Oberfläche eine andere.
Darunter stecken detailfreudig entworfene Stages, einem Little Big Planet in der grundlegenden Beschaffenheit nicht unähnlich, handwerklich geschnitten, gestrickt und verziert, bestickt, zusammengelegt und zerknüllt. Das und Kirby's Epic Yarn eint das Entwicklerstudio Good-Feel, das fürs kommende Dinoabenteuer erneut tief in die Textilkiste griff.
Da sind kleine, runde Häkeldeckchen als Plattformen, ein als Hintergrund fungierender, leicht welliger Stoffvorhang, oder zwei Stricknadeln mit einem wollweichen Trampolin dazwischen. Kein Zentimeter besteht hier zufällig oder „nur so", auch nicht Yoshis Nase, die so süß eingedrückt wird, während er eine Kugel vor sich herschiebt.
Schwenkt die Kamera bei seinem Ziellauf von der Seiten- in eine Tiefenansicht (denkt an Donkey Kong Country: Tropical Freeze), läuft er auf gestapelten Handtüchern oder Topflappen. Mehr Textilgeschichten aus den ersten drei Welten fallen mir auf Anhieb nicht ein. Von Filz über Fleece bis Reißverschluss dürfte das meiste dabei sein, eines geht glücklich in das Nächste über. Die Darstellung der Wolle ist ein technischer Triumph, die Farbgebung ein helles breites Lachen.
Woolly World setzt darauf auf, womit Yoshi's Island auf dem Super Nintendo den Grundstein legte. Nur mit dem Unterschied, dass der kleine Saurier Wollknäuel statt Eier schießt und Begleiter Baby-Mario auf dem Weg ins Jahr 2015 fraß. Schmeckte hoffentlich lecker, dieser kleine strampelnde Wutanfall (wann immer das Baby in Yoshi's Island verloren geht, quäkt es unerträglich herum, krampfig, meh, zum Hassen...). Vermissen wird ihn keiner.
Heute werft ihr Wolle, um Plattformen zu umwickeln und begehbar zu machen, als Waffe auf Shy-Guys oder zur Ummantelung versteckter Röhren mit angeknüpften Extraräumen für Sammler. In einer Wolken-Stage werden aus den Fäden betretbare Kondensstreifen. Ihr werdet viel Wolle werfen.
Abseits der Wege schlummern Sammelobjekte, wie immer, weil es für Komplettierer eben was zum Suchen geben muss. Und wenn das bedeutet, vorsorglich gegen Wände zu springen, weil sich dahinter ein Gang voller Rubine und Reichtümer verbergen könnte, ist das vielleicht nicht die eleganteste Lösung, aber manche Dinge sind eben, wie sie sind. Erschwerend kommt hinzu, dass bis zum Checkpoint Gesammeltes zurückgesetzt wird, wenn man ein Leben einbüßt.
Wir sprechen weder von Rayman Legends noch von Donkey Kong, was Spielwitz und Schwierigkeit angeht - alles ist eine Spur bekömmlicher. Aber nach dem ähnliche Fäden ziehenden Kirby's Epic Yarn war ich durchaus überrascht vom Anspruch, den man Yoshis Abenteuer auf den ersten Blick und vor allem in der ersten Welt gar nicht zutrauen möchte.
Schon bald werdet ihr Gegner mithilfe der gefräßigen Dinozunge aus der Luft pflücken und sie im Flug zurückfeuern. Oder im Verdauungstrakt tun, was Yoshi eben tut, um sie in Wollknäuel zu verwandeln. Wie eine Entenfamilie folgt ihm das halbe Dutzend Wollkugeln brav überall hin, bevor er durch einen Gänseblümchenkreis springt und den nächsten Level ansteuert.
Seit so langer Zeit nun perfektioniert Nintendo 2D-Welten. Obwohl gerade Yoshi teils auf kalkulierte Niedlichkeit hinausläuft, man seine Laute längst alle kennt, ebenso wie die beseelte Routine Nintendos im Levelbau, kann ich mir für den diesjährigen Sommer kaum ein besseres Jump-and-Run vorstellen. Und ganz sicher keinen glücklicheren und glücklicher machenden Glückskeks als diesen.