Das komfortable Japan-Action-RPG: Ys IX: Monstrum Nox - Test
Eine Story, die man wegdrücken könnte. Wenn sie nicht so gut wäre.
Ys IX Monstrum Nox Test.Ys IX Monstrum Nox dürfte einen der langlebigsten, noch aktiven Helden der Spielebranche enthalten. Adol "The Red" Christin ist bereits seit 1987 unterwegs. Damit liegt er auf einem Nenner mit Langläufern wie Link und Zelda (1986), Samus (1986) und ist fast so lange unterwegs wie Mario (1981). Im Gegensatz zu ihnen hat Adol aber nie Weltruhm erlangt, was an seiner Wahl der ersten Systeme lag - TurboGrafX und Master System waren halt kein NES - und viele Teile der Serie haben Japan nie verlassen. Noch dazu sieht er halt aus wie ein 80er-Anime-Abziehbild einer B-Serie, aber dafür kann er ja nichts.
Was dabei fasziniert: Es gab nie einen Reboot. Alle Abenteuer sind seit dem ersten Teil eine Zeitlinie und ihr findet im nun neunten Ys nicht nur Referenzen zum halbwegs populären achten Teil, sondern auch weit zurück in die Vergangenheit Adols. Keine Sorge, nichts davon ist nötig, um Monstrum Nox zu spielen und zu hundert Prozent zu verstehen, denn die Handlung ist in sich selbst geschlossen. Wichtig ist nur, zu wissen, dass Adol viel erlebt hat und Insider-Witze wie "Hey, Du bist in Schwierigkeiten? Dabei ist doch nicht mal ein Schiff oder Ozean in der Nähe." oder "Adol? Der Abenteurer, der immer unglaublich mächtige Artefakte und Waffen findet, nur um sie dann immer zu verlieren?" könnt ihr geflissentlich übergehen.
So weit ist es gekommen: Ich spiele ein Ys für die Handlung...
Was diese Geschichte angeht, da war ich wirklich überrascht. Ich spoilere so wenig wie möglich. Es beginnt mit dem üblichen Krams. Fluch über seltsamer Stadt, komische Dinge gehen vor sich, ihr und fünf andere Individuen haben plötzlich Superkräfte, um auf Geheiß einer mystischen Frau Monster in einer Paralleldimension zu bekämpfen. Mittwochabend halt, wer hat das noch nicht erlebt. Interessant wird es in dem Moment - keine Sorge, passiert in den ersten zwei oder drei der 30 Stunden -...
Nein. Das spoilere ich nicht. Sagen wir einfach, es passiert etwas, das die Prämisse in Frage stellt und als immer wieder kehrende Parallel-Handlung echte Spannung aufbaut. Ich wollte wirklich wissen, was los ist und es gab eigentlich nur zwei Varianten: Das wird die beste Story ever oder ich bin zutiefst enttäuscht und werde das Spiel für immer hassen. Ys IX wählte Tor 3, erklärte alles logisch und in seinem Universum schlüssig, sehr zufriedenstellend und wirklich gut und rund. Aber es war eben nicht der Super-Twist, das hier ist nicht "Die Üblichen Verdächtigen". Trotzdem, weit spannender und einnehmender, als ich es je bei einem Ys für möglich gehalten habe. Um nicht zu sagen: Es könnte das erste Ys sein, das ich für mehr als Level, Bosse und Musik gespielt habe.
Den Rest der Handlung teilt das Spiel sauber in Kapitel auf, was zwei Vorteile hat. Erst einmal bekommt jeder der fünf Begleiter seine eigene kleine Story, mit der ihr eure Mitstreiter und ihre Hintergründe kennenlernt. Ganz niedlich, nette Figuren, nichts, was man nicht erwarten würde. Spielerisch ist aber wichtiger, dass jeder seine eigene Fertigkeit hat, mit der ihr mehr von der Welt erschließt. Adol kann zu Ankerpunkten springen, die nächste Fertigkeit erlaubt es, Wände hochzulaufen, danach bekommt ihr einen Gleitflug und so weiter. Am Ende habt ihr ein ganzes Arsenal, um jeden Winkel der Welt zu erkunden.
Kein Grind, kein sinnloses Rumrennen... ist das noch Ys?
Diese wird euch dann durch eine zweite Mechanik verschlossen: Durch das Lösen der Quests sammelt ihr Punkte und wenn ihr genug habt, taucht vor den vielen Barrieren innerhalb der Welt, die anfangs euren Auslauf noch sehr klein halten, ein Punkt auf, an dem ihr einen großen Kampf über mehrere Runden startet. Danach habt ihr ein neues Viertel der Stadt, in dem ihr euch austoben dürft. Die Welt selbst ist nicht sonderlich groß, ihr habt eine mittelgroße Stadt, ein paar umliegende Gebiete und vor allem ein zwei Dutzend Dungeons von teilweise solider Größe. Aber ja, wer auf das Open-World-Ys wartete, muss das weiter tun. Wie gesagt, dieser Auslauf reicht locker für 30 Stunden, wobei man da dann auch schon die meisten Sammelobjekte gefunden haben dürfte.
Dieses Sammeln macht einem Ys 9: Monstrum Nox wie alles andere auch denkbar einfach. Nicht die Kämpfe selbst, die reichen von Selbstläufer (einfach) bis hin zu grenz-unschaffbar (höchster Schwierigkeitsgrad) in recht sauberer Abstufung. Nein, ich war hier mehr erstaunt, dass ein japanisches Studio endlich mal so etwas wie Spielkomfort entdeckte. Ihr könnt fast jederzeit, selbst in Dungeons, die Schnellreise benutzen, indem ihr einfach die Karte aufruft. In eurem über die Spielzeit wachsenden Hauptquartier habt ihr alle wichtige Dienstleister nach und nach versammelt, inklusive einer Dame, die alles anbietet, was die in der Stadt verteilten Shops verkaufen, nachdem ihr diese einmal besucht habt. Langweiliges Rumrennen ist damit fast kein Thema. Ihr könnt speichern, wann ihr möchtet und alle Zwischensequenzen lassen sich abbrechen. Was ich aus besagten Gründen hier weit weniger häufig tat als in anderen J-Games, aber trotzdem. Es ist möglich. Ich habe glaube ich noch nie ein Spiel aus Japan gespielt, das so um den Komfort des Spielers besorgt war, ohne dabei über das Ziel hinauszuschießen. Es wurde nur dort optimiert, wo sonst Leerlauf oder unnötige Wartezeiten und Weg entstanden wären.
Die große Geschichte, die Erkundung und kleine Abenteuer am Rande stehen im Vordergrund, dahinter habt ihr die üblichen Systeme aus Leveln, einem überschaubaren Maß an Crafting, Ausrüstung, Status-Boost-Items und was es sonst noch gibt. Nichts davon erfindet viel neu, aber das ist hier auch nicht nötig. In der Gruppe sind immer drei Charaktere aktiv, der Rest levelt aber zügig mit, sodass es im ganzen Spiel eigentlich keinen Grind gibt, wiederum eine gewisse Leistung für J-Action-RPG.
Hektik im Kampf und Grafik für PS3-Liebhaber
Die größte Schwäche ist dann wohl auch der Kampf, der eigentlich nur darauf basiert, dass ihr mit euren schwachen normalen Schlägen - genau ein Knopf - die Leisten für Spezial-Angriffe und Super-Attacke aufbaut und damit macht ihr dann den eigentlichen Schaden. Das geht auch schnell und der Kampf ist oft nicht nur dynamisch, er ist rundheraus ein hektisches Button-Mashing-Chaos. Das verhindert, dass Feinheiten wie verschiedene Schadensarten und die unterschiedlichen Ausweichboni zum Zuge kommen, wenn ein halbes Dutzend übergroße Feinde in einem Chaos aus Farben und groben Polygonen um euch herumturnen. Am Ende spielt sich der Kampf schnell und unterhaltsam genug, aber ein wenig mehr Zurückhaltung und Koordination hätten die durchaus vorhandenen und auch im Rahmen des Üblichen durchdachten Systeme besser zur Geltung gebracht.
Mit den beiden Begleitern hat man es sich auch etwas einfach gemacht: Ihr könnt zwar jederzeit per Tastendruck umschalten, aber von sich aus tun sie herzlich wenig. Rechnet nicht mit mehr als der Gelegenheitsattacke, ihr seid der Star, der für den Schaden zuständig ist. Dass die KI mehr kann, zeigen die großen Kämpfe am Ende eines Kapitels: Hier wuseln alle fünf Begleiter herum und machen eigenständig ihr Ding. Ich nehme an, dass es eine Frage der Spielbalance war, aber manchmal verflucht man die falschen Freunde schon, wenn sie mal wieder zugucken, wie man vermöbelt wird. Trotzdem, auch nach 20+ Stunden hatte ich meinen Spaß im Chaos.
Was auch eher schwach ausfiel, und das ist bei Ys eine echte Enttäuschung, ist die Musik. Ja, es ist der übliche Mix aus ruhigerem Fantasy-Pop und J-Hardrock, der uns im Laufe der Jahrzehnte weit über 100 Soundtrack-CDs brachte. Aber hier driftet Ersteres zu oft in Richtung Fahrstuhlmusik ab und die Rock-Tracks laufen öfters mal gern unpassend über ruhige Handlungspassagen hinweg und sind generell weit weniger eingängig und beliebiger als in jedem anderen Ys zuvor. Wenigstens weiß ich die Tracks aus VIII jetzt zu schätzen. Solide, aber für Ys ist solide nicht annähernd gut genug.
Die Grafik ist dagegen genau das, was man erwartet. Sicher, die Sichtweite und Größe der freien Spielwelt ist deutlich gewachsen. Die Stadt ist aus einem Guss und Grenzen gibt es nur zu den umliegenden Gebieten. Ys IX wurde also nicht auf einer Vita entwickelt. Sieht mehr nach später PS3 aus... Ihr seht die Screenshots, viel schöner wird es nicht. Eindrucksvolle Landschaftsschwenks wären bestenfalls 2007 noch eindrucksvoll gewesen. Obwohl. Auch da gab es schon Assassin's Creed. Okay, Ys ist nicht schön. Wobei, das stimmt auch nicht ganz, es ist farbenfroh und freundlich genug. Es hat mich nie gestört, wie es aussieht, weil es nun mal ist, was es ist. Auf jeden Fall läuft es flüssig in 4K, ist ja auch was.
Ys IX: Monstrum Nox Test Fazit
Wer ein richtig fluffig spielbares Action-RPG mit einer durchaus reizvollen Handlung sucht, und auf Schauwerte verzichten kann, dann fantastisch. Es wird nicht viel besser als Ys IX: Monstrum Nox. Der intelligente Aufbau der Progression, die kleinen Wendungen und der eine große Story-Twist, das alles geht wunderbar Hand in Hand mit einem der komfortabelsten J-Spiele überhaupt. Kein Grind nötig, keine sinnlosen Laufwege, außer ihr möchtet sie haben, Crafting nur für Interessierte. Einfach in einem exzellent ausbalancierten Fluss durch alles durchmetzeln, was da des Weges kommt. Ys IX wird sicher nicht den Platz in meinem Herzen übernehmen, den die ersten Teile haben, das verhindert schon der hier eher durchschnittliche Soundtrack. Aber als durch und durch spaßiges Wintervergnügen behalte ich es gern in Erinnerung.
- Entwickler / Publisher: Nihon Falcom / NIS America, Koch Media
- Plattformen: PS4 / PS5 (Switch und PC folgen im Sommer) (getestet auf PS4)
- Release-Datum: 26.1.2021
- Sprache: Englisch (Text), Englisch und Japanisch (Ton)
- Preis: ca. 60 Euro, keine Mikrotransaktionen im Spiel, DLCs sollen folgen