Ys Origin - Test
Lust auf wenig Dungeon?
Es ist Ys und deshalb muss ich es per Definition mögen. Tue ich auch. Warum auch nicht. Es tut fast alles, was es muss, hat einen ordentlichen Soundtrack und diesmal kann ich es sogar in einer Sprache spielen, die ich verstehe - nicht wie 2007, als ich Origins das erste mal kaufte, in einer japanischen PC-Box. Nicht, dass das meine Spielerfahrung groß verbessern würde. Ich weiß nun einfach, dass die Story der übliche Anime-Junk ist, in dem die arme, schwache Heldin sich den anderen NPCs erst beweisen muss. Bullshit! Ich habe mit ihr alle Monster beseitigt, alle Rätsel gelöst, Fallen entschärft und Bosse gelegt! Das "freundliche" NPC-Gesindel kam immer erst dazu, wenn die Arbeit längst getan war, und erzählt dann irgendwelchen Mist, dass ich doch nicht immer vorrennen sollte. Von wegen, ohne mich würdet ihr immer noch im Erdgeschoss rumstehen!
Spaß beiseite. Es gibt wenige Dinge, die so nervig und aufdringlich in einem JRPG sind wie die Art von Story, in der der Held oder die Heldin sich erst "beweisen" muss, obwohl ihr längst die ganze Arbeit macht. Hier ist es besonders extrem, denn schließlich räumt ihr den gesamten Turm von Ys einmal von oben bis unten auf. Alle Bosse inklusive und kein NPC steht euch dabei zur Seite, wenn ihr diesen finalen Axthieb wieder einmal ansetzt und hinter ein weiteres Stockwerk einen Haken setzt. Und natürlich: Der Plot der herablassenden Kommentierung über drei Viertel des Spiels hinweg ist hier für die Heroine reserviert. Der männliche Magier wird mit etwas mehr Würde und weniger Überheblichkeit durch die gleichen Kämpfe gewunken.
Die eigentliche Story ist okay, wobei es als DIE Origin-Story für eine der langlebigsten Serien überhaupt - Ys, wir schubsen Gegner seit 1987 - schon mager ist. Glückliches Land hat zwei Göttinnen auf Erden, alles sind happy. Dämonen sind nicht happy. Greifen an, bringen riesigen Turm-Dungeon als Basis mit. Göttinnen gehen in den Turm, Helden wollen sie retten. Machen sie dann auch. Was ihr im Turm dann erlebt, bewegt auch nur die Welt von Ys und nicht wirklich eure, es ist aber nett und vor allem natürlich für den Wiederspielwert wichtig, dass ihr mit beiden Figuren unterschiedliche Happen zwischendurch gereicht bekommt und sich das ganze Bild erst nach dem zweiten Durchgang zusammensetzt. Das hier ist sicher kein Nier: Automata, es gibt nicht das große Geheimnis des dritten Anlaufs, aber genug, um euch bei einer zweiten Runde gut und solide zu unterhalten.
Ob ihr das möchtet, das hängt davon ab, wie ihr einem durchaus soliden, action-orientierten Dungeoncrawl in 2,5D mit ein wenig in die Jahre gekommener Technik gegenübersteht. Ganz klassisch, keine Tricks. Ihr arbeitet euch Stockwerk für Stockwerk nach oben - dürft zwischen den bereits besuchten aber jederzeit herumteleportieren -, es gibt jede Menge Futter für Axt und Zauberstab, alle paar Level einen Boss und auch mal hier und da ein kleines Rätsel. Grinding gibt es erfreulich wenig, außer ihr wollt auch die Kämpfe gewinnen, die ihr laut Story gar nicht gewinnen sollt. Was nicht viel bringt, denn bis auf zwei Zeilen geht es wie geplant weiter, aber befriedigend ist es trotzdem.
Ein wichtiger Faktor, damit das Spaß macht, ist die Bewegung des Helden und der Ablauf des Kampfs. Ys Origin war 2006 kein Rückfall in die Monsterschubserei der ursprünglichen Teile, ihr drückt einen Knopf, um eure Waffe zu nutzen. Ganz persönlich finde ich schade, dass dieses so seltsame wie sympathische System der ersten Spiele nie wieder genutzt wurde, aber für jeden anderen fühlt sich das hier sicher völlig richtig an. Ihr habt auch mit der Stummelaxt der Heldin eine solide Reichweite, könnt ein wenig hüpfen, ohne dass dies je wirklich essentiell wäre, und vor allem drei Spezialangriffe nutzen, die ihr nach und nach freischaltet und die alle auch noch mit einer Power-Variante geliefert werden, sobald ihr den Knopf lang genug gedrückt haltet. Diese machen sich bei den Bossen gut, aber auch sonst lädt sich der Special-Balken so schnell auf, dass sie ein konstanter Teil des Spiels sind. Das ist alles minimal komplexer als Ys vor 2006 war, aber seitdem hat selbst diese Serie ein wenig an Tiefe gewonnen. So nett sich Ys Origin auch wegsnackt, es ist schon ganz schön reduziert, was hier passiert.
Das ist auch das größte Problem des Spiels, gerade nach dem sich weit erwachsener anfühlenden und sehr viel abwechslungsreicheren Ys VIII: Lacrimosa of Dana. Ys Origin ist primitiv. Nicht mal 2006-primitiv, es könnte mit ein paar grafischen Anpassungen problemlos aus 1996 kommen. Das muss nicht schlecht sein und ist es hier auch nicht, aber der Spielfluss der Bewegungen ist im Timing nicht anspruchsvoll genug, um mit guten Action-orientierten Spielen einer frühen Ära mitzuhalten. Es bietet nicht die Komplexität des Koop und der Ausnutzung der Fertigkeiten eines Diablo als Action-Rollenspiel und auch nicht die optische und inhaltliche Abwechslung der PSP/PS2-Ys-Titel. Ys Origin war ein für lange Jahre obskures Experiment als nicht nur PC-only-Spiel, sondern gleichzeitig Japan-only-Spiel. Eine Mischung, die schräg genug ist und in die man als Entwickler nicht alles investiert, was man hat. Ein großer Dungeon, ein wenig Plot, übersichtliche Spielmechaniken. Das ist es, was ihr bekommt.
Primitiv bedeutet nicht direkt einfach. Gerade die Bosse werden euch im ersten Anlauf oft genug ein oder zwei Mal in die Schranken weisen. Wer da nicht an das hier nicht automatische Speichern denkt, darf dann gleich noch mal ein gutes Stück Dungeon wiederholen. Da aber die Speicherpunkte oft genug auftauchen und euch auch gleich noch komplett heilen, kommt nie Frust auf. Das gilt auch für die Rätsel. Wie immer bei Ys, wenn es nicht weitergeht: Probiert alles im Inventar aus und rennt herum - auch, weil die NPCs zwar viel zu sagen haben, aber nur wenig Hilfreiches, sollte man doch mal feststecken.
Was die Technik angeht, sind die Indies dieser Welt natürlich ein Segen für so einen kleinen Retro-Titel. Der Look ist gar nicht mal schlecht. Viele der Level sind farbenfroh genug, die Texturen einfach, aber nicht hässlich, die Animationen ganz niedlich. Es gibt weit schlechter gealterte Spiele. Viel wichtiger für ein Ys ist aber: Wie ist die Musik? Herausragend natürlich! Die schwächste Ys-Musik bewegt sich immer noch im obersten Bereich der Game-Soundtracks und Origins ist nicht der schwächste Soundtrack. Reminiszenzen zu Koshiros ersten Meisterwerken sind dabei wie viele neue Tracks, denen man höchstens vorwerfen kann, dass sie es in dem einheitlichen Setting des Turms nicht schaffen, individuelle Bereiche über die Musik zu definieren. Die übliche Mischung aus rockigen Kampf-Tracks und stimmungsvollen, breit ausgelegten Tracks für die Areale, die Falcom Sound Team einfach kann, funktioniert wunderbar, aber auch hier wäre mehr Abwechslung nett gewesen. Es ist halt ein Rollenspiel ohne ein Inn und eine Stadt, da kann auch die Musik nichts dran drehen.
Ys Origin ist ein witziger, kleiner Action-RPG-Dungeoncrawler. Keine komplexe Handlung, keine komplexen Spielmechaniken, sehr solider Spielfluss, nette Bosse, gute Balance, fantastische Musik. Es ist fast das Ideal einer unkomplizierten Mittwochabend-Entspannung, bei der man sich nicht auf neue Spielmechaniken einstellen möchte, keine verschachtelte Handlung braucht und der Größe eines Triple-As unserer Zeit entgehen möchte. Es wird nicht emotional berühren, es hatte nie den Status der ersten Ys als Klassiker, fiel in seiner Reduzierung auf nur den Ys-Turm flach im Vergleich zu den "echten" Teilen der Reihe. Es ist ein kleines Spiel, das solide erfreut und mit dem ich gerne nochmal eine Runde durch diesen Dungeon drehte. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn das für euch genug ist: Macht es und dreht die Anlage ruhig ein wenig auf.