Yu-Gi-Oh! European World Championship Qualifier in Berlin: Wer vertritt Europa bei der Weltmeisterschaft?
Warum Schlangenauge und Unterweltlerschmied die aktuelle Meta dominieren.
Zum ersten Mal seit 2016 findet die prestigeträchtige Yu-Gi-Oh! Weltmeisterschaft wieder in den USA statt und die sieben besten Spielerinnen und Spieler Europas konnten sich beim Yu-Gi-Oh! European World Championship Qualifier eine Einladung nach Seattle sichern. Kein Wunder also, dass sich 2333 Duellantinnen und Duellanten für das dreitägige Event im Berliner Estrel Congress Center angemeldet hatten, um einen der begehrten Plätze zu ergattern.
Der Andrang war aber noch weitaus höher, denn neben den vorab registrierten Teilnehmern konnte jeder Yu-Gi-Oh!-Begeisterte vorbeischauen, ohne dafür Eintritt zu bezahlen. So gab es im Kongresszentrum und dem angeschlossenen Hotel - übrigens dem größten in Deutschland - keinen Winkel, in dem nicht zu jeder Zeit gespielt, geplaudert oder Karten getauscht wurden.
Das Soziale im Vordergrund
Wie ich bereits auch bei den Championship Series in Utrecht oder London erfahren habe, steht für die meisten der persönliche Kontakt im Vordergrund. Trotz aller Rivalität werden in der Yu-Gi-Oh!-Community Freundschaften gepflegt, die durch das gemeinsame Hobby entstanden sind, leidenschaftlich über Decks und Strategien diskutiert oder Neueinsteigern bereitwillig Hilfe angeboten. Wenn ihr euch für das TCG interessiert und in der Nähe eines Events seid, schaut einfach vorbei und genießt die einzigartige Atmosphäre der Präsenzveranstaltungen.
Wie läuft das Turnier ab? Ein Match besteht aus maximal drei Duellen innerhalb der Spielzeit von 45 Minuten. Wer zwei Duelle gewinnt oder bei Gleichstand nach dem Ablauf der Spielzeit vorn liegt, gewinnt das Match und bekommt in den Vorrunden drei Punkte, bei einem Unentschieden einen Punkt. Gespielt wurden in Berlin zwölf Vorrunden, sogenannte Swiss Rounds, um die besten 64 Duellanten zu ermitteln. Danach ging es im KO-System weiter und die ersten vier Plätze freuten sich über ein Ticket nach Seattle.
Doch das ist nicht alles: Neben der Einladung zur Weltmeisterschaft erhalten die vier Erstplatzierten einen imposanten Pokal, eine Nintendo Switch, zwei Super Rare Yu‑Gi‑Oh! Championship Series Prize Cards Anotherverse Gluttonia, ein komplettes Set The Infinite Forbidden und Legacy of Destruction sowie weitere wertvolle Preise. Auch die weiteren Platzierungen gehen nicht leer aus, wer es unter die besten 32 schafft, wird ebenfalls mit einer YCS Super Rare Karte und exklusiven Matten und Sleeves belohnt.
Gewinner unter sich
Kommen wir zu den glücklichen Gewinnern: Den Turniersieg sicherte sich der Italiener Esteban Re in einem Herzschlagfinale gegen den Spanier Julio Valls. Beim Stand von 1:1 und nur noch etwas mehr als drei Minuten Spielzeit auf der Uhr spielt Esteban sein Tenpai-Drache-Deck perfekt aus und geht mit satten 14.600 Lebenspunkten gegen Julio uneinholbar in Führung. Schaut euch das spannende Match unbedingt an, es lohnt sich. Neben Esteban Re und Julio Valls haben sich auf den Plätzen drei und vier mit Giovanni Barone ein weiterer Italiener und Samuel Béboux aus der Schweiz für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Hinzu kommen mit Gabriel Netz, Baptiste Derouin und Anthony Lopes die drei Gewinner der World Qualifying Playoffs (WQP), die bereits am Tag vor dem Main Event ermittelt wurden.
Wenn ihr noch Inspiration für euer eigenes Turnier-Deck sucht, schaut euch die Übersicht der Karten des Turniersiegers und der Nächstplatzierten an. Auffällig ist, dass die beiden Finalisten mit Tenpai-Drache und Geistungeheuer (Ritual Beasts) so weit gekommen sind, während gut die Hälfte der Top 64 und vier der sieben Weltmeisterschaftsteilnehmer auf die Themendecks Schlangenauge (Snake Eyes) und Unterweltlerschmied (Fiendsmith) gesetzt haben.
Im Gespräch mit Iman Iranmanesh erfahre ich mehr über das aktuelle Meta. Der 34-jährige spielt seit mehr als zehn Jahren, hat sich intensiv mit dem komplexen Regelwerk auseinandergesetzt und gibt sein Wissen in einsteigerfreundlichen Tutorial-Videos weiter. Das Schlangenauge Deck beinhaltet mit Schlangenauge Pappel, Schlangenauge Esche, Schlangenauge Eiche oder Schlangenauge Flambergendrache sehr mächtige Karten mit Spezialbeschwörungen, die in Kombination mit dem Unterweltlerschmied-Deck als Motor besonders stark in 1-Karten-Kombos sind und bei entsprechendem Zugglück den Gegner einfach überrollen.
Aller Anfang... ist gar nicht so schwer
Die Kombination Schlangenauge / Unterweltlerschmid hat allerdings ihren Preis: Ein Deck mit den benötigten Secret Rare-Karten kann schon mal bis zu 700 Euro kosten, ein Preis, den nicht jeder gewillt ist zu zahlen. Günstiger geht es mit den Decks Tenpai-Drache oder Yubel, die ebenfalls mächtige Karten enthalten und mit entsprechendem Können und etwas Glück den Sieg bringen, wie Esteban Re eindrucksvoll bewiesen hat. Das bestätigt mir auch Julian, der auf seinem YouTube-Kanal Julioh über 900 Videos bereitstellt, die sich vorrangig an erfahrene Spieler richten und sich ausgiebig mit der Meta des Spiels und den Feinheiten des Regelwerks beschäftigen.
Aber keine Sorge, wenn ihr Spaß am Yu-Gi-Oh!-TCG habt, braucht ihr euch für den Einstieg nicht gleich zu verschulden. Ein taugliches Deck, mit dem ihr eure ersten Erfahrungen in regionalen Turnieren sammeln könnt, lässt sich mit Structure Decks, zum Beispiel Beware of Traptix oder Fire Kings, realisieren. Diese kosten das Stück rund zehn Euro und ihr benötigt jeweils drei davon, damit ihr die maximale Anzahl der wichtigsten Karten, die ihr gleichzeitig in eurem Deck haben könnt, auch erreicht. Die erste Anlaufstelle, um Erfahrungen zu sammeln und Unterstützung von anderen Spielern zu bekommen, ist der örtliche, lizenzierte Spieleladen – OTS (Official Tournament Store).
Wenn ihr ganz am Anfang steht und auch keinen Shop in der unmittelbaren Nähe habt, ist das 2-Player Starter-Set eine gute Einstiegslösung. Für knapp 20 Euro bekommt ihr zwei Decks und einen umfangreichen Leitfaden, der euch in die Grundlagen von Kämpfen, Beschwörungen und Synchro-Monstern einführt. Mit dem Set habt ihr alles, was ihr braucht, um mit den Kindern, Partnern oder Freunden gleich loszulegen. Eine Spielmatte und Sleeves, um die Karten vor Abnutzung zu schützen, könnt ihr euch auch später noch zulegen.
Auch wenn es vielleicht nicht für die Top 64 gereicht hat, lohnt es sich für alle Besucher, bis zur letzten Minute zu bleiben und ausgewählte Spiele auf den Bildschirmen zu verfolgen, die unter anderem vom deutschen Caster-Duo Sebastian Lemke und Leonard König gewohnt kompetent kommentiert werden. Neu ist eine akribische Analyse nach dem Spiel, in der entscheidende Spielzüge und Taktiken mit den Matchwinnern besprochen werden. Besonders beeindruckt hat mich das parallel stattfindende Dragon Duel-Turnier für Spielerinnen und Spieler bis 14 Jahre. Bei diesem Wettbewerb, der nach den gleichen komplexen Regeln des TCG ausgetragen wird, gibt es eigene Pokale für die besten Vier und für den Sieger zusätzlich einen Besuch beim Jump Festa in Tokio, natürlich in Begleitung eines Erwachsenen. Das nenne ich gelungene Nachwuchsförderung.
Ihr möchtet gerne an nationalen und internationalen Turnieren teilnehmen, aber es hapert mit dem Glück im Spiel? Dann ist vielleicht eine Karriere als Schiedsrichter eine gute Möglichkeit, das Hobby Yu-Gi-Oh! weiterzuverfolgen. Im Gespräch mit einem der Head Judges Moritz Astfalk konnte ich viel über diese wichtige Tätigkeit erfahren, ohne die kein Turnier auskommt. Gemeinsam mit seinen über hundert Kolleginnen und Kollegen beobachtet er das Spielgeschehen und greift im Zweifelsfall ein. Dabei geht es unter anderem um Fragen zu den Fähigkeiten der Karten, im Deck-Checks, ob keine verbotenen Karten im Spiel sind oder andere Verstöße gegen die strikten Regeln zu ahnden sind.
Von der Wichtigkeit von Schiedsleuten
Als Head Judge wird Moritz gerufen, wenn eine finale Entscheidung getroffen werden muss, die auch schon mal einen Matchverlust oder gar die Qualifikation eines Duellanten beinhalten kann. Dabei ist nicht nur Fingerspitzengefühl gefragt, sondern auch eine schnelle Auffassungsgabe. Während des Einspruchs wird die Zeit angehalten und nach der Klärung gutgeschrieben. Wird hier zu lange gebraucht, geht das auf Kosten der Dauer des Turniers, denn die Zeit wird nachgespielt und alle anderen müssen bis zum Beginn der nächsten Runde warten.
Grundsätzlich kann jeder Judge werden, der mindestens 16 Jahre alt ist, sich als Yu-Gi-Oh!-Spieler registriert und den RC1-Test (Rulings Comprehension Level 1) mit mindestens 80% besteht. Nach einer erfolgreichen Online-Bewerbung sammelt man seine ersten Erfahrungen in der Regel in lizenzierten Spieleshops. Für die Bewerbung als Head Judge für internationale Events steigt das Mindestalter auf 18 Jahre und der schriftliche Level 2 Test ist von Vorteil, der bei offiziellen Konami Events abgelegt werden kann. Die Nachfrage ist groß, allein bei den deutschen Nationals waren es in diesem Jahr rund 20 Personen.
Ich bin schon sehr gespannt, welche Duellanten sich am 7. und 8. September bei der Weltmeisterschaft in den Fremont Studios in Seattle durchsetzen werden. Diesmal stehen sogar vier Turniere auf dem Programm: Yu-Gi-Oh! TRADING CARD GAME (TCG), Yu-Gi-Oh! MASTER DUEL und Yu-Gi-Oh! DUEL LINKS, einmal im Speed Duel- und erstmals auch im Rush Duel-Format, das erst Ende September letzten Jahres eingeführt wurde.
Das wird meiner Meinung nach besonders interessant, denn Rush Duel hat einen vereinfachten Spielstil mit eigenen Karten, die auch Einsteiger ansprechen sollen. Die Besonderheiten: Es können mehrere Karten gleichzeitig gezogen und so bei jedem individuellen Zug die gesamten Karten auf der Hand ausgetauscht werden. Außerdem können mächtige Monster direkt hintereinander beschworen werden, um das Spielfeld schneller zu füllen. Ähnlich wie beim E-Sports-tauglichen Master Duel erwarte ich schnelle und spannende Begegnungen, bei denen auch Zuschauer auf ihre Kosten kommen, die sich noch nicht in die Tiefen des hochkomplexen TCG-Regelwerks eingearbeitet haben.
Schon kurz nach der Weltmeisterschaft geht es dann fast nahtlos mit den nächsten großen Events weiter. Auf dem Programm stehen Ende September die 275. Yu-Gi-Oh! Championship Series in Lille und ab dem 22. November die YCS Bologne, bei der die ersten Qualifikationspunkte auf internationaler Bühne für die nächste Saison gesammelt werden. Vielleicht bin ich dann so weit, dass ich mich mit meinem Deck im Main Event der Konkurrenz stellen kann. Ich werde auf jeden Fall weiter fleißig trainieren und mich mal zeitnah nach einem Schlangenauge- und einem Unterweltlerschmied-Themendeck umsehen.