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Zelda: Breath of the Wild - Die Ballade der Recken ist nicht das Finale, das wir uns wünschten

Doch es gibt uns mehr von dem, was wir lieben.

Breath of the Wild zog einen nicht unerheblichen Teil seiner Wucht aus etwas, an dem andere Spiele reihum zerbrechen: einer schier erdrückenden Erwartungshaltung. Nichts Ungewöhnliches für den spitzohrigen Hylianer, der diesen zentnerschweren Rucksack seit über zwei Jahrzehnten mit einer geradezu unverschämten Leichtigkeit schultert. Trotz seines rekordverdächtigen Track-Records sah man Links erstem Ausritt in eine wirklich offene Welt mit mehr als einer skeptisch hochgezogenen Augenbraue entgegen: Ein neues Ocarina of Time müsse langsam mal her, ein alle Skalen sprengendes Spektakel, ein Jahrhundertspiel. Nichts, was man tatsächlich in Bits und Bytes pressen könnte. Tat Nintendo dann aber trotzdem. Mit Ansage.

Vor zwei Wochen ist mit Die Ballade der Recken der zweite und letzte DLC-Happen erschienen und wenn sich die Erweiterung irgendeinen Vorwurf gefallen lassen muss, dann vor allem jenen, den gestellten Erwartungen - anders als das Hauptspiel - nicht ganz gerecht zu werden. Das zumindest scheint der kleinste gemeinsame Nenner zu sein, auf den man sich nach der etwas überhasteten Veröffentlichung im Rahmen der Game Awards derzeit zu einigen scheint. Keine schlechte Bonusrunde, sogar meilenweit davon entfernt, aber eben auch keine spielbare Zelda, keine erweiterte oder alternative Map, nichts, was uns Breath of the Wild plötzlich mit anderen Augen sehen ließe.

Nur: Nichts davon hat uns Nintendo je versprochen. In ihrer wortkargen Art und mit vagen "Yo, kommt halt whenever und was die genauen Inhalte angeht, schauen wir mal, was?"-Ankündigungen sind die Japaner an derlei Missverständnissen nicht ganz unschuldig, andererseits erteilte Produzent Eiji Aonuma etwaigen Spekulationen über Zelda als spielbare Protagonistin bereits im Juli eine Abfuhr. Nachdem im selben Monat aber der erste Season-Pass-Schwung erschien und mit der Prüfung des Schwertes, dem knackigen Master-Modus und ein wenig Kleinkram nette, aber unterm Strich eher unspektakuläre Daten auf unsere Konsolen schaufelte, verselbständigte sich schließlich die Zuversicht, die zweite Erweiterung würde umso schlagfertiger ausfallen.

Die vier Recken blieben im Hauptspiel etwas blass. Der DLC erklärt nun mit seinen begrenzten Mitteln, wie sie zu den Hoffnungsträgern Hyrules wurden.

Das tut sie durchaus, wenn wir von den kleineren Nebenaufgaben mit Füllcharakter einmal absehen: Simple Finde-Schatz-X-an-Ort-Y-Rätselchen, an deren Ende jeweils zusätzliche Outfits wie das blaue Hummerhemd aus Wind Waker und ähnlich augenzwinkernde Reminiszenzen in Richtung früherer Zeldas warten. Putzige Geschenke, deren größter Wert allerdings ein nostalgischer ist; bis auf eine zugegeben coole Phantom-Ganon-Rüstung, die Link einen ordentlichen Schleichbonus verpasst, werdet ihr nichts hiervon ernsthaft nutzen.

Dabei könnt ihr jede ausgestreckte Hand gebrauchen, sobald die Hauptquest und damit jene Mission beginnt, auf die wir seit einem halben Jahr warten. Die kniffligste ihrer auf sieben bis zehn Stunden verteilten Prüfungen lauert unmittelbar zu Beginn, auch und gerade dann, wenn euer letzter Ausritt in Hyrule bereits eine Zeit lang zurückliegt. Während ihr noch angestrengt versucht, euch an die Feinheiten der Steuerung zu erinnern (100 Spielstunden sind offenbar nichts, wenn sie länger als zwei Monate zurückliegen), drückt euch Die Ballade der Recken zur Begrüßung ausgerechnet den "Zerstörer" in die schweißnassen Hände: ein eigentümliches Schwert, das jedwede Gegner mit einem Streich auf die Bretter schickt, Link aber dieselbe Schwachstelle einbrockt. Selbst die Eingespielten unter euch dürften ganz gut beschäftigt sein, vier Gegnerlager mit nichts als dieser Klinge, einem mickrigen Viertelherz und viel Geduld auszuräuchern. Glaskanonen-Link zwingt euch, einstudierte Gewohnheiten vorübergehend abzulegen und neue Strategien zu entwickeln.

Dieser erste Abschnitt stellt mit seinem verspielten Ansatz die stärkste Abkehr vom bekannten Spielablauf innerhalb der dreigeteilten DLC-Questreihe dar. Was folgt, ist routiniert abgespultes Standardprogramm auf höchstem Niveau, konkret: eine Abfolge mehrerer Schreine, die schlussendlich in einem fünften Titanen-artigen Dungeon kulminieren. Vieles hiervon gehört zum Besten, was Breath of the Wild zu bieten hat, und wenn ihr auch nur die Hälfte aller Hautspiel-Schreine gesehen habt, wisst ihr, wie groß dieses Kompliment wirklich ist. Die Ausfallquote strebt gen Null; Nintendo füllt die kleinen Rätselkammern bis unters Dach mit cleveren Physikspielchen und "Wie, DAS geht auch?!"-Momenten. Großartiges Zeug, das im kompakten Titanen-Dungeon (eines jener Biester, dessen Architektur ihr neu arrangieren müsst) seinen ersten Höhepunkt findet und schließlich mit dem fraglos besten Bosskampf des gesamten Spiels endet, Zeichen und Wunder.

Die Schreine sind das, wofür ihr die Erweiterungen spielen wollt.

Inwiefern nun "Mehr vom Gleichen" tatsächlich ein zulässiger Kritikpunkt ist, wenn wir mehr von einem Spiel am absolut oberen Ende der Skala bekommen, muss jeder für sich klären. Das ist aber auch nicht der Schwachpunkt des DLCs. Problematisch ist vielmehr, wie Die Ballade der Recken seine Inhalte über die Welt verteilt.

Der Breath of the Wild inhärente Reiz ergab sich stets aus einer nur schwer greifbaren Mischung aus Erkundung und Zufall, Laisser-faire und Entschlossenheit. Ohne grelle Wegweiser und mit weniger mehr als dem flirrenden Auftrag, irgendwann mal Ganon eins überzubraten, erkundete man die einladende Spielwiese namens Hyrule nach eigenem Gutdünken und schrieb ganz nebenbei sein eigenes, einmaliges Abenteuer. Die denkwürdigsten Erlebnisse ergaben sich nahezu immer aus der Situation heraus und wurden nur selten von Nintendo inszeniert. Falls doch, dann ausschließlich im Rahmen der lose zusammengehaltenen und schüchtern hingestotterten Storyfetzen, den mit Abstand schwächsten Momenten eines Zeldas, das seine Geschichte primär als Ballast begreift.

Diesen Reiz zu replizieren, ist schwer - für einen DLC, der per definitionem lediglich eine Ergänzung darstellt (im Fall von Die Ballade der Recken sogar eine Story-Ergänzung, ausgerechnet), ist es fast unmöglich. Nintendo hat es dennoch versucht - Anerkennung dafür -, lotst euch anhand ausschnittartiger Luftbildaufnahmen zu den jeweiligen Prüfungen und hofft derweil, ihr würdet diese Übertragungsleistung mit Erkundung verwechseln. Tatsächlich aber trottet ihr lediglich brav einer als Wahlfreiheit getarnten Brotkrumenspur hinterher und folgt damit zugleich exakt jenen Open-World-Maßgaben, denen sich Breath of the Wild so elegant entzog.

Ihr könnt dieses Ding ohnehin erst freischalten, wenn ihr bereits einen Großteil der Welt erkundet habt. Wozu also überhaupt noch damit durch Hyrule heizen?

Aus Gründen der Vollständigkeit sei hiermit noch der, ähem, "Eponator Zero" erwähnt, die große Belohnung am Ende der Questreihe und ein Anblick, an den ich mich nie gewöhnen werde. Das krude Zweirad ist zweifelsohne die wohl bequemste Art der Fortbewegung und doch in jeder Hinsicht merkwürdig deplatziert in einem Spiel, das seine Erkundung bewusst mühevoll gestaltet. Mit einem flinken Motorrad, das keinen Fallschaden kennt und Gegner umholzt wie Bowling-Pins, ist das passé. Anders als die störrischen Pferde mit ihrem fordernden Reitverhalten donnert der Eponator wie an einer Schnur gezogen geradeaus, ohne ausgefeilte Fahr- oder überhaupt eine Form nachvollziehbarer Physik. Ihr fahrt am besten damit, wenn ihr es ignoriert.

Hier wären wir also, am etwas unglücklichen Ende eines überragenden Nintendo-Jahres. Zelda eröffnete es mit einem Knall, der auch in zehn Jahren noch nachhallen wird, deutlich zaghafter beschließt es nun die Ballade der Recken. Der DLC setzt die inhaltliche Qualität des besten Spiels 2017 weitestgehend fort, übertrifft sie dann und wann sogar. Ein Jahr, in dem das lediglich für einen verhaltenen Applaus ausreicht, ist wahrlich ein außergewöhnliches.

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