Zelda Tears of the Kingdom ist absolut magisch – und dürfte Puristen noch weniger gefallen als der letzte Teil
Letzte Woche angespielt und immer noch selig.
Gut, jetzt habe ich es also am eigenen Leibe erlebt, das neue Zelda Tears of the Kingdom. In arg kontrolliertem Umfeld zwar, mit reichlich Auflagen darüber, was ich erwähnen darf und was nicht. Aber auch mit einem vor Eindrücken schwirrenden Kopf – und großer Lust, direkt dort weiterzumachen, wo ich nach leider nur einer Stunde aufhören musste. Klar ist aber schon jetzt: Wer Breath of the Wild nicht so sehr mochte wie die Zeldas, die vor ihm kamen, der dürfte mit Tears of the Kingdom nur noch mehr Probleme haben.
Das liegt in erster Linie daran, dass Tears of the Kingdom vor allem wie eine Reaktion darauf wirkt, was die treuesten Fans von Breath of the Wild über die Jahre mit dessen Sandbox-Systemen angestellt hat. Offenbar liebte man bei Nintendo die vielen, vielen Videos von an den eigentlichen Spielmechaniken vorbei improvisierten Fluggeräten und dergleichen genauso sehr wie der Rest des Internets. Tears of the Kingdom läuft förmlich über vor Möglichkeiten für die Spielenden, sich kreativ auszudrücken.
Festgestellt habe ich das in zwei voneinander getrennten Abschnitten, die ich losgelöst von der Geschichte ausprobieren durfte. Hier drehte sich alles um Links neue Fähigkeiten, von denen vor allem Synthese und Ultrahand beinahe im Dauereinsatz waren. Herauszufinden, was alles allein mit diesen beiden möglich Skills ist, wird die Community über Monate, vielleicht Jahre beschäftigen. Abends im Bett arbeitete mein Hirn noch Dutzende Bauwerke durch und arbeitete sich an offenen Fragen ab, deren Antwort im Spiel zu ergründen ich wirklich kaum erwarten kann.
Gehen wir mal ins Detail. Trotz der Fülle an Optionen, Gegenständen und Effekten kommt man nicht umhin, bei Link selbst zu beginnen, genauer gesagt bei seinen neuen Talenten. Ultrahand dürfte im englischen Sprachraum nicht nur zu einem neuen Meme-Verb werden (“Hey dude, would you please ultrahand me that beer over there!”), es ist auch eine großzügige Aufhebung der Limitationen, die in der alten Magnetismus-Fähigkeit quasi eingebaut war. Nun könnt ihr nicht nur metallene Gegenstände manipulieren, sondern alles, was nicht an der Umgebung angenagelt ist.
Der Clou: Alles, was ihr mit Ultrahand vor euch her tragt, dreht und wendet, wird zum Spielball der Synthese-Fähigkeit. So klatscht ihr Bretter, Holzkisten, Baumstämme an sehr frei wählbaren Punkten aneinander. Da die sich aber naturgemäß selten von selbst bewegen – und noch weniger dorthin, wo ihr wollt, gibt es sogenannte Zonai Geräte. Dabei kann es sich um Raketen handeln, Ballons, Feuerspender, Ventilatoren, Steuerknüppel oder Batterien, um deren Laufzeit zu verlängern. Der Bau eines Fahrzeugs oder Fluggeräts damit ist verhältnismäßig simpel, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat. Je nachdem in welchem Winkel ihr eine Rakete oder einen Ventilator an eine Plattform pappt (und je nachdem wo), setzt sich das Gefährt ein wenig anders in Bewegung. Hängt euer Vehikel nicht mittig unter eurem Ballon, wird das ein wackeliger Ritt.
Solange ihr Gewicht und Geometrie berücksichtigt, bekommt ihr hier fast alles in die Luft oder zum Fahren und komplizierte Eingriffe sind nicht erforderlich: Pappt einfach eine Steuereinheit an eure Schöpfung und sie übernimmt automatisch die Kontrolle über eure Flugrichtung. Elegant fand ich, wie das Bauen so auch Teil der Fortbewegung wurde und damit das Erreichen der fliegenden Insel nebenan in ein kleines Puzzle für sich verwandelte. An einer Stelle war eine Bahnschiene zum Nachbareiland beschädigt. Die nahe Minenlore würde an der Stelle, an der ein Teil der rechten Schiene fehlt, nur in die Tiefe fallen. Da Synthese an Teilen der Umgebung nicht funktioniert, muss man also ein Gerät basteln, mit dem sich der Abgrund überbrücken lässt. Einen großen, herumliegenden Metallhaken klebte ich aufrecht in den Minenwagen, klemmte einen Ventilator an dessen Heck und dann ultrahandete (Ha!) ich das Konstrukt wie eine hängende Seilbahn an die intakte Schiene – und fühlte mich mächtig clever dabei.
Tatsächlich kommen einem immer wieder Einfälle, die man diebisch in sich hinein grinsend schleunigst ausprobieren möchte. Eine weitere neue Fähigkeit, Recall, spult für vereinzelte Gegenstände die Zeit zurück. Einfachstes Beispiel: Bokoblins rollen eine Stachelkugel den Berg herunter, um euch zu zerquetschen. Spult das gute Stück einfach wieder den Berg hinauf! Wenn sie dann erbost den Berg herunterkommen, um euch eben selbst zu erledigen, rollt ihnen daraufhin ihre eigene Kugel in den Rücken. Auch auf eure Konstruktionen könnt ihr Recall wirken, wenn ihr zum Beispiel merkt, dass der Schub lediglich einer Zonai-Rakete euch nicht bis zu eurem Ziel tragen wird. Kommt ihr am Ausgangspunkt eurer Reise an, müsst ihr zwar immer noch die Rakete wieder abstellen, bevor die Zeitumkehrung ausläuft – ein Schlag irgendwo ans Gefährt genügt, um alle angesteckten Geräte ein- oder auszuschalten – aber ihr könnt auf diese Weise einfach Modifikationen vornehmen.
Und natürlich dürft ihr interaktive Gegenstände auch mit euren Waffen fusionieren. Eine Holzkiste am Schild bringt zwar so gut wie nichts. Eine Rakete an dieser Schutzausrüstung schießt euch aber unmittelbar 50 oder mehr Meter in die Lüfte. Ich freue mich schon auszuprobieren, was passiert, wenn ich diese Item-Kombo fallen lasse, damit sie ein ahnungsloser Gegner aufhebt. Unter den anwesenden Redakteuren war das jedenfalls eine der am neugierigsten diskutierten Fragen im Anschluss an die viel zu kurze Anspielsitzung.
Eurer Kombinationsfreude sind jedenfalls keine Grenzen gesetzt. Jedes Chu-Jelly dürft ihr zum Beispiel auf einen Pfeil draufstecken, um Gegner so einzufrieren oder zu elektrisieren. Ihr verschießt aber auch Steaks, um Feinde abzulenken oder vergiftet sie, um sie an eurer Seite kämpfen zu lassen. Oder aber ihr steckt eine leuchtende Pflanze auf ein Projektil und erleuchtet damit stockfinstere Bereiche und pappt Staub ausstoßende Pilze an einen Schild, um auf einen Treffer hin das komplette Angreiferfeld in eine Wolke zu hüllen und so zu verwirren. Das Fusionieren einer Waffe mit einem Gegenstand steigert unterdessen nicht nur erheblich die Angriffskraft und Lebensdauer des Werkzeugs, es verändert auch ihre Eigenschaften. Die Synthese eines Felsens mit einem Stock erschafft zum Beispiel eine Keule, mit der man bröckeliges Gestein einschlagen kann. Bestimmte Hörner an einem Schwert ergeben eine Spitzhacke oder zwei Stöcker eine Stabwaffe mit enormer Reichweite. Es war eine Freude, all das auszuprobieren und sich über die vielen verschiedenen Effekte zu wundern.
Ascend, also ”Aufstieg” sinngemäß, ist die letzte Fähigkeit, über die ich reden kann. Im Grunde handelt es sich um einen Zauber, der Link an eine Decke über ihn transportiert, um durch sie hindurchzuschwimmen und auf der anderen Seite wieder herauszukommen. Betretet ihr eine Höhle, könnt ihr auf diese Weise theoretisch senkrecht nach oben durch das Gestein auf den Gipfel des Berges schwimmen. Allerdings darf die Fläche nicht zu weit über euch liegen und auch die Reichweite, die ihr festes Material durchschwimmt, ist beschränkt, wenngleich recht großzügig, wie es aussieht.
Alles in allem wirken Links neue Fähigkeiten richtiggehend berauschend, fast wie eine Art übermächtiger Hack, den man sonst nur in Fan-getriebenen Editoren und Sandbox-Simulationen der Marke Garry’s Mod sieht. Was mir Sorgen bereitet, sind im Kern zwei Dinge und ihre potenziellen Auswirkungen: Zunächst einmal sorgt man sich da natürlich um das Pacing, das Tempo und den Rhythmus, den das Spiel zu gehen in der Lage ist. Wenn man vor das Erreichen einer neuen Insel stets erst einmal eine Flugmaschine bauen muss, kommt da das eigentliche Abenteurern nicht zu kurz? Gleichermaßen verfestigt sich auch beinahe notgedrungen die latente Klobigkeit der Breath-of-the-Wild-Steuerung zu einem beleibten Interface-Konstrukt, das man sonst nur aus Editoren wie Dreams oder Mario Maker kennt.
Das ist zwar mit der Zeit gut machbar, aber nicht unbedingt eingängig. Immerhin: Nintendo gab uns zu verstehen, dass es später eine Möglichkeit geben soll, den Bauvorgang zu vereinfachen, in welcher Form auch immer. Aber unterm Strich ist es klar, dass man das neue Zelda voraussichtlich deutlich mehr im Menü spielen wird. Jedenfalls, wenn man alles sehen will, was die Mechanismen zu bieten haben. Da man neben den Basteleien auch noch im Kampf dazu angehalten ist, reihenweise Inventar-Gegenstände mit Ausrüstung oder Pfeilen zu kombinieren, kommt der eigentliche Spielfluss, der Part, in dem man Link selbst bewegt, auch im Kleinen immer wieder mal kurz zum Erliegen. Ist ja auch klar, wenn man nach jedem zweiten Schuss das Steuerkreuz-Menü aufruft, um eine Frucht mit anderer Wirkung auf den nächsten Pfeil zu spießen.
Klar ist: Es führen immer sehr viele Wege zum Ziel, wie auch der Nintendo-Angestellte, der meine Session betreute, immer wieder betonte. Das stimmt definitiv und ein paar verstohlene Blicke auf die anderen Fernseher untermauerten die These, dass man jedes Problem auf ungezählte Arten angehen kann, ziemlich stabil. Besonders viel Mut macht an dieser Stelle, dass auch sehr einfach gelagerte Lösungen oft machbar sein sollen. Anstatt wie im Beispiel oben eine Minenlore so umzubauen, dass man sie auch entlang eines Gleises fahren kann, soll etwa auch schlichtes Balancieren auf die andere Seite zum Ziel führen. Das wiederum führt uns zu der Frage, ob man sich nicht dämlich vorkommt, eine Viertelstunde lang herumzubasteln, wenn es auch ein wenig Stick-Geschick getan hätte?
Das sind alles Balance-Fragen, auf die Nintendo besser eine gute Antwort parat hat, wenn das Spiel am 12. Mai herauskommt. Dann wiederum: So wichtig kann es auch nicht sein, denn an Momenten, in denen mir die wundersame Himmelswelt aufrichtig die Sprache verschlug, waren schon in dieser ersten Stunde wahnsinnig zahlreich. Die schwebenden Inseln, in einer Sphäre, die viele andere Spiele darzustellen nicht einmal in Erwägung ziehen, wecken ein Gefühl von Weite, Höhe und Tiefe wie wenig anderes, das ich in den letzten Jahren erleben durfte.
Auf jeder einzelnen von ihnen gab es eine Enthüllung oder ein kleines Rätsel zu lösen und ich vergaß wiederholt den Trubel um mich herum, während ich überlegte, wie ich von einer fliegenden Landmasse zur nächsten gelangen sollte. Das hatte wirklich eine Menge Zauber, denn in dieser Größenordnung habe ich so etwas noch nie gesehen. Egal, wie hoch ich schon war, regelmäßig entdeckte ich weitere schwerelose Massive, die noch ein Stückchen über mir lagen. Keine Ahnung, wie das auf dieser Hardware möglich ist.
Zweifellos werden sich über Zelda – Tears of the Kingdom wieder nicht alle einig werden. Das ist schade, denn dieses Spiel sprengt fast buchstäblich seinen eigenen Horizont und empfängt euch auf mehreren Ebenen mit seinem Entdeckergeist als je zuvor: Das Abenteuer liegt in diesem fragmentierten Hyrule nicht nur vor, sondern jederzeit auch über und unter euch. Und wenn ihr mal eine Pause macht oder euch schlafen legt, galoppiert euer Verstand über die Möglichkeiten von Links Zauberkräften erst richtig los. Nein, das hier ist weit entfernt davon, eine bloße Erweiterung von Breath of the Wild zu sein. Macht euch auf was gefasst!