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Alice: Madness Returns

Neues aus der Anstalt

Stattdessen aber verteilt Alice: Madness Returns seinen in Ansätzen durchaus vorhandenen Wahnsinn auf viel zu viel Spiel, zitiert seine besten Ideen zu häufig und schleift auch die schwächsten noch bis zum bitteren Ende mit durch. Sei es nun die simple, aber schöne 2D-Hüpf-Einlage im japanischen Sumi-e-Stil, die beim ersten Mal vielleicht nicht unbedingt begeistert, aber zumindest überrascht (nur um beim zweiten Mal mit stark angezogenem Schwierigkeitsgrad klar zu machen, dass der Entwickler nicht besonders gut darin ist, 2D-Hüpfer zu gestalten) oder die Bilderschiebe-Rätsel, für die man irritierend oft auf immer gleiche Art die einzelnen Teile erst besorgen muss.

Ins richtig Schlechte driften dann die 2D-Shooter-Einschübe ab, die nach Flash-basierten Internetspielchen schmecken, oder die grauenhaft designten Rhythmus-Abschnitte, in denen man eine Melodie nach Art der Guitar-Hero-Spiele nachspielt - nur leider ohne Rhythmus. Spicy Horse versucht von allem ein bisschen, macht aber nichts besonders gut, ja, wirkt dabei stellenweise sogar extrem formulaisch und beliebig, was vor dem Hintergrund dieses Spiels nach verschenktem Potential geradezu schreit.

Dieses realisiert der Entwickler aber zumindest in den Kämpfen ansatzweise. Hier wird im Grunde okaye Standardkost geboten, bei der Schmackes und Trefferwirkung sich durchaus zufriedenstellend anfühlen. Sogar etwas Überlegung wird gefordert, welchen Gegnertypus man sich nun zuerst und mit welcher Waffe vornehmen sollte. Hier wird zwar weder die Vehemenz eines God of War erreicht, geschweige denn Präzision oder Finesse eines Ninja Gaiden oder Bayonetta gefordert, aber es ist zumindest eine Weile unterhaltsam, sich durch die netten Feindkreationen zu schlächtern.

Auch der anteilsmäßig ziemlich prominente Kampfpart von Alice: Madness Returns wird allerdings von einigen Kleinigkeiten untergraben. Zum einen wechselt ihr kurz vor Alice' Tod per L3-Taste in eine Art God-Mode, mit dem sich eigentlich jede Situation mit Buttongehämmere noch mit einem Schulterzucken entzahnen lässt, zum anderen wiederholen sich auch diese Feinde und ihre Zusammenstellungen nach einer Weile ein bisschen zu sehr.

Das System liefert einfach weder das Spektakel noch die Tiefe oder die Herausforderung, als dass man sich in diesem Umfang - geschätzt weit über zehn Stunden - mit gleichbleibender Begeisterung in die Fights stürzen würde. Kleinere Macken bei der Gegneraufschaltung, die hinter oder neben euch stehende Traumwelt-Monster schon mal ignoriert, erwecken auch hier den Eindruck eines unausgegorenen Spiels.

Dass auch technisch lange nicht alles stimmt, ist da nur das Tüpfelchen auf dem "i". Die Panoramen sehen immer wieder toll aus und die Designs gefallen mit wechselhaftem, letzten Endes aber durchaus bemerkenswertem Erfolg - auch wenn ich kaum verstehen kann, warum Spicy Horse die Kinder im Heim hässlicher gestaltet hat als die furchtbarsten Monstrositäten des Wunderlandes. Die geringe Polygonzahl und die niedrig aufgelösten Texturen könnten abzüglich einiger primitiver, wachsiger Bump-Maps aber auch vom GameCube kommen. Stellenweise meint man, hier und da noch Platzhalter bei den Assets zu erkennen. Doch dann schaut man noch einmal zur Sicherheit ins Laufwerk und bemerkt, dass es sich um die finale Version des Spiels handelt.

Alice: Madness Returns - Launch-Trailer

Dazu kommt die ärgerliche Angewohnheit Alice', hier und da an unsichtbaren Kanten oder Mini-Stufen hängen zu bleiben oder körperlos durch Umgebungsobjekte hindurch zu "clippen". Ein fader Beigeschmack, der sich dank einiger der schwächsten Animationen in einem Mainstream-Spiel seit langer Zeit hartnäckig durch das ganze Spiel zieht. Alice scheint Zentimenter über dem Boden zu schweben, nicht Teil der Welt zu sein und verfügt bei 180- und 90-Grad-Drehungen nicht einmal über eine Wende-Animation. Ihre blauschwarz schimmernde Mähne wippt einmal unvermittelt und ihr seht plötzlich ihre Vorderseite. Das wirkt unsauber und stellenweise schlichtweg billig.

Ist das Suggestion? Immerhin hat Spicy-Horse-Gründer American McGee vor einer Weile zugegeben, dass die Produktion des Spieles durch die Auslagerung nach China nur die Hälfte gekostet habe. Und wenn schon. Erstens sollten derartige Probleme nicht zwangsläufig vom investierten Kapital abhängen und zweitens hatte Spicy Horse offenbar genug Zeit und Ressourcen, ein scheinbar endlos langes und auf dem Papier ziemlich Content-reiches Spiel zu machen.

Hier wäre zur Abwechslung aber wohl mal weniger Inhalt durchaus mehr gewesen. So wie es ist, streckt das Spiel seine spärlichen Einfälle so lange, bis man nur noch einen durchsichtigen Langweiler mit kompetenten, aber egalen Kämpfen vor sich hat. Was hängen bleibt, sind wenig mehr als vereinzelte, stimmungsvolle Momente in einem mit zunehmender Dauer immer redundanteren Spiel. Das ist unterm Strich zwar keines, das einem - no pun intended - wirklich auf den Geist geht, trotzdem nimmt man es ihm irgendwie krumm, dass der Wahnsinn an der Tür der Grafik-Designer enden musste.

Alice: Madness Returns erscheint am 16. Juni für PC, Xbox 360 und PlayStation 3.

5 / 10

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