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Assassin's Creed 3 - Test

Ein angemessener Abschluss dieser Generation - im Guten wie im Schlechten.

Die Generation endet in gewisser Weise wie sie begann und kaum eine andere Serie steht für diese Hardwarereihe, wie Assassins Creed es tut. Relativ früh erschein der erste Teil und erschlug uns mit fantastischer Technik, zeigte gleichzeitig aber auch, dass der weite Blick über historische Stätten nicht immer der spielerischer Weisheit letzter Schluss sein muss. Assassins Creed 3 - und nach nicht weniger als drei zweiten Teilen - beendet nun den Zyklus rechtzeitig, bevor dann hoffentlich nächstes Jahr neue Technik vorgestellt wird. Und es ist eine eigene Studie, wie man spielerisch auf der Stelle stehen bleiben und sich doch gleichzeitig weiterentwickeln kann.

AC3 setzt dabei auf eine starke Handlung in einem komplett neuen Szenario und darauf, dass es sich selbst bewusst ist, dass diesmal alles irgendwie ein wenig enden muss. Es nutzt diese Erkenntnis und die Möglichkeiten einer neuen Welt bis zur Neige aus. Es wird Diskussionen geben, denn nicht zu Unrecht hat der inzwischen ja über einen Zeitraum imaginärer Jahrzehnte ausgebaute Charakter Ezios, seiner Freunde und Feinde eine reichhaltige Geschichte. Aber ich würde argumentieren, dass AC3 mit seinen Figuren und seinem Setting es schafft, zu überbieten, was bisher kam.

Das liegt zum einen an der Direktheit des Konfliktes zwischen den beiden Fraktionen. Weder Templer noch Assassinen haben einen festen Stand in der Neuen Welt, ihre Positionen und Allianzen sind schwankend. Die Templer haben nicht allen Einfluss auf höchste Mächte und das Spiel zeigt dem Spieler dies auf eine erzählerisch ebenso brillante wie überraschende Weise. AC3 präsentiert euch nicht nur zukünftige Opfer, die ihr aus der Ferne seht, sondern Figuren, die mit euch im Wettstreit um die Deutungshoheit der Wahrheit der menschlichen Natur und ihrer Bestrebungen liegen. Es ist dabei im Vorfeld eine Richtung gezeigt worden, die den eigentlichen Unabhängigkeitskrieg als das Hauptthema in Szene setzt, aber der Hintergrund vor eben der Szenerie ist bei AC3 ein anderer. Es baut seine eigenen Themen um Ordnung und Freiheit aus, aber tiefer liegt eigentlich das Thema, dass die Wahrheit oft genug eine Frage der Perspektive ist. Hierin liegt der wirkliche Konflikt zwischen den beiden fiktiven Gruppen.

Assassin's Creed 3 - Launch-Trailer

Während die Position der "Guten", der Assassinen sehr klar definiert ist und sie dementsprechend dazu verdammt sind, auf der moralisch langweiligeren Seite zu stehen, werden die Templer diesmal weit spannender gezeichnet. Der Krieg interessiert sie nicht wirklich, es geht um Einfluss und Macht und dass sie dabei auf die Engländer setzen, liegt an den angenommenen Tugenden von Ordnung und Stabilität im zu der Zeit ja noch werdenden Empire. Es wird im späteren Verlauf stellenweise angedeutet, wie ihr Einfluss korrumpiert. Und die Frage, ob das Land am Ende mit seinen neuen Herrschern besser dran ist oder wie weit es mit dem Konzept Glück und Freiheit für "alle" her ist, wird auf verschiedene Weisen gestellt, wenn auch vielleicht etwas zu leise. Nun, besser so als zu aufdringlich, nehme ich an.

Ob das jetzt dem Gedöns der aktuellen Tea-Party entspricht kann man so oder so auffassen. AC3 hält sich von wilden Verschwörungstheorien fern - das heben sie sich scheinbar für die DLCs auf - und zeichnet schon ein Bild von "Gut", ohne es zu definieren, was aber auch ein wenig der Grundidee entspricht. Connor strebt ein Ziel an, das er - und auch niemand anders - jemals erreichen kann, weil er nicht einmal genau weiß, was er erreichen möchte. Besser als die Vorgänger zeigt es die Schwäche der einen Gruppe gegenüber der anderen auf, die Templer wissen, was sie wollen und wie sie es bekommen. Ihren Feinden bleibt nur Reaktion und selbst die Unterstützung der Patrioten ist am Ende nur eine Reaktion, die letztendlich ins Leere laufen muss.

AC3 ist weit fortgeschrittener darin als alle seine Vorgänger zusammen, diese Konflikte zu zeichnen, nicht zuletzt weil der phasenweise offen ausgetragene Krieg als Hintergrund diese Möglichkeiten erst bietet. Wo es noch weiter geht, sind die Charaktere. Der Held Connor dürfte dabei am Schwächsten abschneiden, wobei seine Figur immer noch gut ihre Rolle im Ganzen transportiert. Nur dass er stelleweise ein wenig zu idealistisch und naiv auftritt, mehr als vielleicht nötig gewesen wäre und dabei gleichzeitig in einer Art Zen-Zustand ruhen zu scheint. Es gab Momente im Spiel, die zu emotionalen Ausbrüchen eingeladen hätten, er jedoch bleibt emotional ein wenig unbeteiligt.

Ganz im Gegensatz zu den anderen wichtigen Handelnden. Dies sind selten die ganz großen Namen. George Washington, Benjamin Franklin oder Thomas Jefferson, bleiben fast gänzlich im Hintergrund. Aber die für den oben beschrieben Zwist der Reihe eigentlich wichtigen Figuren, ein paar Verbündete und vor allem die Widersacher, wurden brillant und lebendig entworfen. Ihre Sprecher vertonen sie vorbildlich - wie fast immer derzeit im Deutschen leider nur "ok", wenn auch ohne einen echten Ausfall -, ihre Motion-Capture-Darsteller verkörpern sie perfekt. Es dürften einige der glaubwürdigsten, konsequentesten Figuren sein, die es bis dato in ein Spiel geschafft haben und es ist fast schade, dass die Haupthandlung "nur" etwa 10 bis 15 Stunden dauert. Es ist denkbar selten, dass ich die Zwischensequenzen nicht nur nicht wegdrücken möchte, sondern gerne mehr von ihnen gesehen hätte.

Was die großen Ereignisse im Hintergrund angeht, hängt es ein wenig davon ab wie viel Kontext ihr selbst einbringen könnt. Sprich: Was wisst ihr über den Unabhängigkeitskrieg? Ist da etwas mehr zu holen als Schul-Level, dann seid ihr genau im Bilde was ihr wo tut, warum einige dieser Ereignisse so bedeutend waren und welch teilweise lustige Rolle ein Assassine dabei scheinbar spielte. Der in den USA legendäre Mitternachtsritt von Paul Revere setzt diesen auf den Rücksitz, während Connor den schwierigen Teil der Arbeit erledigt. Sagen euch solche Dinge nichts, hält sich die Story zu wenig damit auf, selber Kontext zu geben. Die Informationen sind in einer etwas umständlichen Menüführung versteckt, werden bei Freischaltung auch auf Tastendruck in Textform angeboten. Leider ist der der Schreibstil selbst zu gewollt lustig und wirkt daher fehlplatziert. Humor und Historie sind nicht immer ein guter Mix, vor allem, wenn der Schreiber es nicht kann. So wie der in Assassins Creed 3.

Ein paar mehr Informationen zu Beginn einer neuen Sequenz hätten auch nicht geschadet. Teilweise werden Jahre übersprungen, was man im Gegensatz zu den Vorgängern auch zumindest an den Figuren viel deutlicher spürt als zuvor. Was dann der Stand der Dinge ist, muss man sich seltsam umständlich selbst zusammenreimen. Wiederum, nur wenn man nicht von sich aus weiß, was in diesen Jahren los war. Es lässt den Gesamtteppich der 30 oder so Jahre bruchstückhaft und zerfasert wirken. Der eigentliche Hauptstrang des Assassinen-/Templer-Konflikts wird angemessen verfolgt, aber der Hintergrund hätte teilweise ähnlicher Sorgfalt bedurft.

Allzu schwer wiegt das am Ende jedoch nicht. AC3 bietet mindestens einen beeindruckenden Twist - diesmal ganz ohne Cliffhanger - und ein befriedigendes Ende. Ich denke nicht, dass eine Kontroverse wie in Mass Effect 3 folgen wird, wenn nicht nur die Geschichte Connors, sondern vor allem die Desmonds beendet wird. Mit ihm spielt ihr ein paar angemessene Missionen im Einsatz gegen den Templer-Konzern, ihr trefft euren Widersacher Vidic und erlebt mindestens eine ebenso seltsame wie extrem coole Szene. Dadurch werden diese Abschnitte zwar längst nicht so komplex wie der besser ausgearbeitete Konflikt, den ihr im Animus erlebt, aber es wird einiges erklärt und vor allem aufgelöst. Ob der große Metaplot am Ende ganz ohne Löcher auskommt, diese Untersuchung überlasse ich den "Profis", im Großen und Ganzen jedoch wird fürs erste ein markanter und befriedigender Endpunkt gesetzt.

So weit, so (fast) alles klasse. AC3's große Stärke sind Handlung und Figuren, was den Rest angeht ... es ist Assassin's Creed. Wer nicht nur in der Handlung, sondern auch auf spielerischer Seite auf eine Revolution hoffte, wird bitter enttäuscht, selbst wenn sich früh abzeichnete, dass sich nicht alles ändern würde. Es ist trotzdem ernüchternd, zu sehen, dass das Szenario sich wandelte, dass Wälder und Bäume dazukamen, dass die Städte komplett anders strukturiert sind, als es bisher in der Serie der Fall war und dass sich am Ende trotzdem nichts geändert hat.

Laufen und Klettern funktionieren nach wie vor 90 Prozent der Zeit fantastisch. Dabei ist es faszinierend, wie ein Spiel, das mich häufig wie ein Spiele-Gott aussehen lässt, es hinbekommt, dass ich während der restlichen 10 Prozent so wirke, als hätte ich noch nie ein Pad in der Hand gehabt. Die Automatismen der Kletter- und Springerei funktionieren auf dem richtigen Kurs wie immer perfekt. Sei es nun eine Kette von Baumkronen, Ästen und Felsvorsprüngen oder die Dächer der noch recht gleichmäßig hohen Skylines von Boston oder New York City. Die nun so nutzbare Vegetation macht dabei erstaunlich wenig Unterschied, Knopf gedrückt halten und in die Richtung zeigen, reicht hier auch.

Und dann weicht ihr von den vielen teilweise gedachten oder sich einfach so ergebenden Routen ab und ihr springt sonst wo hin, hangelt statt zu springen, springt statt zu laufen oder macht sonst was, weil die Lauf-/Spring-/Kletter-Automatik missverstand, was ihr wolltet, obwohl ihr eigentlich Pad-seitig alles richtig machtet. Gerade bei einigen sehr hartherzig getimten Verfolgungsjagden scheint sich das System euch oft in den Weg zu stellen. Ihr müsst mit derselben Taste rennen, mit der ihr auch klettert, das war bei AC schon immer so. Ebenso aber schon immer mit dabei sind die Situationen, in denen ihr mal eine Kurve etwas zu knapp nehmt oder von einem Gegner angerempelt werdet, woraufhin Connor in den engen Gassen gerne mal an eine Wand springt oder sonst was versucht, anstatt einfach nur weiter zu rennen. Das kennt man bereits von der Reihe, in der neuesten Ausgabe scheint das Spiel solche Beiß-ins-Pad-Momente aber stellenweise forcieren zu wollen.

Der Reiz des Hochkletterns und Herunterspringens von hohen Gebäuden ist ein wenig verflogen. Nach drei Spielen, die teilweise beeindruckende Architektur in dieser Richtung boten, kehrt es nun zum ersten AC zurück. Dort war jeder der Türme sehr ähnlich, hier sind es in den Städten Kirchtürme oder Rathäuser, die gar keine Herausforderung sein wollen. Jedenfalls musste ich bei keinem überlegen, wie es nach oben ging. Im Gebiet der "Frontier", einer großen, offenen Karte voller Wälder, Ebenen und Dörfer sieht es teilweise etwas besser aus. Die Klippen der Berge sind eine strammere Herausforderung, aber auch nur, wenn ihr aus der falschen Richtung kommt. Am Ende war es eigentlich nur ein sehr hoher Baum, der etwas anspruchsvoller war. Seine diversen Zwillingsbrüder danach ergaben sich von selbst. Ezio hatte da mehr Spaß beim Erklettern.

Assassin's Creed 3 - Gameplay-Video

Fehlanzeige sind im Grunde auch wieder die Assassinengräber im eigentlichen Sinne oder überhaupt wirklich komplexe Kletterpuzzles zwischendurch. Statt dessen werden euch, um das Spiel jenseits seiner Bewegungsautomatik etwas schwieriger zu gestalten, in den Hauptmissionen nun weit mehr Nebenziele als zuvor gegeben, die ihr für die magischen 100 Prozent einhalten müsst. Niemanden bei einer Verfolgungsjagd durch das belebte Boston anzurempeln, kann schon ein paar Dutzend Versuche bedeuten, auch wenn ich hier glaube, dass es nicht immer aus den richtigen Gründen der Fall ist. Gleichzeitig Abstand zu Leuten und ungewollte Klettereinlagen zu verhindern, sollte nicht ganz so herausfordernd sein. Auch das Unerkannt-bleiben oder überhaupt der teilweise leichte Stealth-Anspruch wirken in einem System, das nur ganz zögerlich in seinen spielerischen Möglichkeiten in diese Richtung umschwenkt, eher unbeholfen.

Noch immer nicht kann man sich jederzeit ducken oder gar hinlegen, um irgendwo vorbeizukommen. Die Büsche, in denen sich Connor verstecken kann, wirken sehr gewollt, weder suggeriert noch offeriert euch AC3 echte Stealth-Freiheiten. Es gibt mitunter mehr als eine Route, aber es sind Routen. Echtes, freies Experimentieren ist immer noch etwas anderes. Schade, denn man sollte nach wie vor meinen, dass sowohl inhaltlich als auch vom Spiel selbst dieser Anspruch schon vor ein paar Teilen hätte umgesetzt werden sollen. Immerhin, AC3 geht mit seinen Büschen immerhin ein bisschen weiter. Es sind wohl manchmal die kleinen Dinge.

Dass man gar nicht so viel Freiheit entfaltet, liegt aber vielleicht aber auch an dem Wunder der Animus-Maschine. In Assassin's Creed folgtet ihr immer den Markern und das ändert sich nicht. Es macht die Desmond-Missionen umso interessanter, weil dort das HUD nicht existent und auch nicht nötig ist. In den Animus-Missionen Connors wird es dagegen gebraucht und das Spiel verlässt sich darauf, dass ihr euch darauf verlasst. In den individuell ausgearbeiteten Story-Missionen ist das kein großes Problem, die zahlreichen Nebenaufgaben jedoch fühlen sich sehr nach allem an, was ihr in der Serie bisher auch machtet.