Bionic Commando
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen
Früher war ja bekanntlich alles besser. Deutschland war Weltmeister, das Wirtschaftswunder sorgte für Vollbeschäftigung und Videospiele waren bockschwer. Insbesondere der letzte Umstand wurmt viele Veteranen des 8Bit- und 16Bit-Zeitalters, die wie ein paar alte Waschweiber aus dem Altersheim in Foren, Kommentaren und Blogs über die modernen Weichei-Games jammern.
Ein Spiel in nur 8 Stunden durchspielen und am Ende nur selten sterben? Undenkbar. Sie wünschen sich echte Knochenbrecher und Frustbomben wie Viewpoint, Raiden oder Dragon's Lair zurück. Spiele, bei denen man einen Wutschrei nach dem anderen ausstößt und frustriert das Joypad in die Ecke pfeffert.
Für mich persönlich ist das alles zu viel Arbeit. Ja, ich mag es ordentlich anspruchsvoll und habe gern die Option, den Titel auf einem höheren Schwierigkeitsgrad durchzuspielen. Doch es gibt Grenzen – zeitliche und nervliche. Vor allem dann, wenn es nicht an den Gegnern, den Waffen oder meinem eigenen Können liegt, sondern an einer knallharten Gameplay-Mechanik, die mir jeden Nerv raubt, bevor ich sie besiege.
Bionic Commando ist so ein Fall. Vor den Spielspaß haben die Entwickler von Grin nämlich erst einmal eine immense Lernkurve gestellt, die an den Mount Everest erinnert und leicht in Arbeit ausartet. Man braucht Stunden, bis man die komplexen Bewegungsabläufe, die ungewöhnlichen Angriffe und vor allem die Schwung-Mechanik von Hauptdarsteller "RAD" Nathan Spencer samt bionischen Arm verstanden und gemeistert hat.
Das Problem: Das mechanische Ungetüm verleiht ihm eine ähnliche Beweglichkeit wie Spiderman, ohne jedoch dessen Sicherheit zu besitzen. Denn während Ihr bei der entsprechenden Superhelden-Versoftung mit unendlich dehnbarer Netzflüssigkeit durch New York schwingt, hat Nathans Arm Grenzen. Die Reichweite der Kralle und speziell die Zielfunktion der Greifvorrichtung erfordern viel Zeit im Tutorial. Doch auch nach einem halben Dutzend Leveln gibt es immer wieder Momente, in denen Ihr einen Griff oder den richtigen Absprung verpasst.
Die Folge: Ihr landet entweder in tödlicher Radioaktivität oder im Wasser, wo der Klotz wie ein Stein zu sinken beginnt und Ihr einen weiteren Restart über Euch ergehen lassen müsst. Besonders haarig sind einige schwebende Minen, die nach ihrer Deaktivierung als Trittbretter bis zum nächsten Checkpoint fungieren. Leider liegen fünf, zehn oder fünfzehn Schwünge dazwischen. Einmal daneben gelangt und es heißt mal wieder Game Over. Eine wirklich zermürbende Angelegenheit.
Eingebettet wurde diese anspruchsvolle Gameplay-Mechanik in eine sehr klischeebeladene Story. Gerade das Figuren-Design wirkt mit seinem biomechanischen Ansatz und dem gewöhnungsbedürftigen Ethno-Look-Hauptdarsteller austauschbar. Nathan wird trotz seiner Vergehen gegen das Bionic-Gesetz aus dem Gefängnis geholt, um Terroristen aufzuhalten, die mal eben eine ganze Stadt in die Luft jagen, um ihre Forderungen durchzusetzen.
Wie es sich für ein solches Spiel gehört, startet Ihr ohne bionischen Arm und müsst das praktische Tool erst einmal erballern. Zu Beginn lauft Ihr entsprechend mit einer recht mageren, einhändigen Knarre durch die Gegend, die vor allem Sound-technisch enttäuscht.
Ein paar Spielminuten und tote Bioreign-Trooper später, bekommt Ihr dann das gewaltige Prunkstück, das sich nach und nach als Eure beste Waffe entpuppt. Anfangs könnt Ihr Euch nur durch die zerstörte Stadt schwingen und mit einem einfachen Sprung Eure Gegner durch die Pampa schleudern. Grin verwendet für Bionic Commando die gleiche Engine wie bei Wanted – Weapons of Fate und Terminator Salvation. Man sieht dem Capcom Titel zwar an, dass in diesen Bereich die meiste Arbeit reingesteckt wurde , doch der übertriebene Einsatz von Tiefenschärfe sorgt auch hier immer wieder für Verwirrung. Während einige Oberflächen fantastisch aussehen, wirken manche Gebäude zu primitiv. Unterm Strich eine sehr durchwachsene Angelegenheit.