BioShock
Evolutionäres Shooter-Kunstwerk
'Big Daddys' machen Angst. Selbst wenn sie einfach nur da stehen. Mit ihrem Drillbohrer, ihrer vor Kraft strotzenden Behäbigkeit, der unnachgiebigen Art, ihrer Aufgabe nachzukommen. Sie sprechen nicht. Und man kann ihnen nicht in die Augen sehen. Gerade das macht sie so unheimlich. Auf der anderen Seite ist es fast schon rührend, wenn eine 'Little Sister' neben einem gefallenen 'Big Daddy' kniet und weinend 'Bitte, bitte, Mr. Bubbles, steh doch auf!' fleht. Selten war ein Spiel so ergreifend.
Mit jedem Schritt, mit jedem Tritt hängt einem der Tod im Nacken. In Form von 'Big Daddys' – aber auch in Form von 'Splicern'. Diese haben messerscharfe Sicheln. Alleine die Vorstellung, sie könnten sich durch das eigene Fleisch schneiden, pumpt jede Menge Adrenalin durch die Adern. Dabei nimmt die Furcht, hinter der nächsten Ecke könnte ein 'Splicer' lauern, schnell paranoide Ausmaße an, denn sie stürzen im Schutz der Dunkelheit von oben herab, dematerialisieren sich und tauchen hinter einem auf, um einen Feuerball zu werfen. Auseinandersetzungen mit ihnen lassen den Atem stocken.
Das sind die Figuren. Fehlt noch das Spielbrett. Und das hat 2K Boston in einer kaum zu übertreffenden Schönheit inszeniert. Bei der Ankunft in Rapture ruft die Skyline Assoziationen mit New York hervor. Umrisse riesiger Wolkenkratzer werden erkennbar, die entfernt an das Empire State Building erinnern und sich homogen in die architektonische Ausdruckskraft einfügen. Rapture ist eine gigantische Metropole, umspielt von den dunklen Wogen des Atlantiks. Erschaffen von einem Genie. Oder einem Wahnsinnigen.
Die Vision des Schöpfers Andrew Ryan war von edlen Motiven gespickt, als er Mitte der Vierziger eine letzte Zuflucht für die intellektuelle Elite unseres Planeten schaffte: Rapture – Heimat für Künstler, Wissenschaftler und Gelehrte, die sich abseits von Zensur und moralischen Wertvorstellungen frei entwickeln sollten. Noch heute, 15 Jahre nach der Grundsteinlegung, strahlen die liebevollen Details eine besondere Anziehungskraft aus: Filigran ausgearbeitete Aufzüge, die mit goldenen Beschlägen verziert wurden, atemberaubende Konstruktionen und monumentale Denkmäler als Symbol der eigenen Genialität prägen das Stadtbild.
Wie jede Metropole, so ist auch Rapture in Viertel unterteilt. Angefangen vom glamourösen Foyer, dem malerischen Hafen und die belebte Geschäftsmeile bis hin zu den wunderschönen Teegärten. Zumindest war das mal so. Und auch wenn man sich genau vorstellen kann, wie alles mal ausgesehen haben muss, ist heute doch alles zerstört. Die Idylle ist dem Wahnsinn gewichen. Rapture ist am Ende. Überall strömt Wasser ein und die Stadt hat sich in eine maritime Apokalypse verwandelt.
Und der Spieler steht mittendrin. Er muss sich in dieser unwirtlichen Umgebung durchsetzen. Ums Überleben kämpfen. BioShock spielt sich in erster Linie wie ein traditioneller Shooter. Die Steuerung ist elegant gelöst, es gibt nichts, was den Spielfluss hemmen würde. Neben allerlei Bleispritzen sind aber die 'Plasmide' das Salz in der Suppe. Schiebt man Story und Atmosphäre beiseite, wären sie vermutlich alleine in der Lage, BioShock in den Gameplay-Olymp zu hieven. Auf diesen farbigen Ampullen müsste eigentlich ein Warnhinweis prangen: Zu den Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihren Arzt oder Apotheker. Sie machen süchtig.
Denn mit 'Plasmiden' im Körper dreht man richtig auf. 'Electrobolt' lässt Blitze aus der Hand zucken, 'Abfackeln' steckt alles in Brand, mit 'Telekinese' fängt man tödliche Haftminen ab oder schleudert einen in der Ecke stehenden Mülleimer auf seine Feinde. 'Winter Blast' lässt Gegner einfrieren. Die ersten 'Plasmide' sind noch recht einfacher Natur. Später werden sie aufwendiger und immer sehenswerter. Mit 'Zorn' geht eine Gruppe 'Splicer' zum Beispiel nicht mehr einem selbst an die Gurgel, sondern der eigenen Spezies.
Dass mit der Umgebung interagiert werden kann, macht das Spiel nur noch glaubwürdiger. Herumliegender Schrott lässt sich auf die feindliche Brut schleudern, ein Restaurant steht plötzlich komplett in Flammen. Dazu kommen die zahlreichen Sicherheitssysteme, die Andrew Ryan in der Stadt platziert hat. Sobald man nur in Sichtweite einer dieser Kameras kommt, stürzen sich Bots auf einen oder Selbstschussanlagen feuern aus allen Rohren. Nur 'Splicer' und 'Big Daddys' werden verschont. Jedoch lässt sich auch das verändern. Das Plasmid 'Security Bulseye' lassen sie für die Sicherheitssysteme wie Eindringlinge erscheinen – Feuer frei.