Bizarre Creations - Ein Nachruf
Ein paar letzte Kudos für ein großes Studio
Bizarre Creations schließt heute, nach ein ganz klein wenig mehr als 20 Jahren, seine Liverpooler Pforten.
Schnief.
Sicher, Studios kommen und gehen, bei manchen merkt man es nicht gleich, bei manchen merkte man nicht mal, dass sie überhaupt da waren, und bei manchen schluckt man dann doch ein wenig, wenn es vorbei ist. Für mich gehören die Briten von Bizarre ganz klar in die letzte Kategorie. Ich mochte dieses Studio und die meisten ihrer Werke einfach und ich finde es wirklich schade, dass es sie jetzt so, unter diesem Namen, nicht mehr gibt. Sicher, die Leute verteilen sich, finden hoffentlich alle irgendwo Jobs, die ihnen gefallen und arbeiten an neuen Spielen, aber es ist halt nicht mehr Bizarre. Schade.
Warum mir dieses Studio nahe geht, liegt vielleicht mit an ihren ersten Games, Wiz 'n' Liz und Killing Game Show, beide damals für den Amiga und das Mega Drive. Zwei Spiele, die einerseits kaum unterschiedlicher, gleichzeitig aber auch kaum ähnlicher sein könnten. Bei beiden handelte es sich um Action-Side-Scroller, aber während man bei Wiz 'n' Liz mit lustiger Hexe und Zauberer in Lichtgeschwindigkeit hüpfend Karnickel sammelte, erledigte man bei der Killing Game Show alles, was kam, vom eigenen, ED-209-inspirierten Robo-Mech aus.
Spiele dieser Art gab es auf den Plattformen jetzt nicht gerade selten, aber diese beiden sahen nicht nur ausgesprochen poliert aus, sie spielten sich auch so. Die zu diesem Zeitpunkt gerade mal fünf Jungs aus Liverpool um Martyn Chudley verstanden es, dass man ein Spiel in die Hand nehmen und sich bei aller Komplexität auch mit den Bewegungen der eigenen Figur wohlfühlen muss.
Ich weiß nicht, ob das wirklich ein Konzept von ihnen war oder ob es sich einfach aus ihrem Design-Verständnis heraus ergeben hatte, aber es ist etwas, was auf praktisch alle ihre Spiele anwendbar ist und sicher auch einen Teil des Charmes dieser ausmachte. Etwas anderes, was ebenfalls schon bei diesen Frühwerken zu sehen ist, ist der Grad an Detailfreude und –verliebtheit. In einer Zeit, in der man durchaus noch mit hingeschluderten, schlichten Deluxe-Paint-Hintergründen durchkommen konnte, ohne darunter zu leiden, investierte Bizarre scheinbar diese gewisse Extrastunde an Arbeit, um dem Auge ein paar Feinheiten mehr zu gönnen. Es fiel nicht sofort auf, aber es war etwas, an dem man sich länger als bei Konkurrenzspielen erfreuen konnte.
Zu dieser Zeit war Psygnosis der Publisher von Bizarre – praktisch, schließlich kamen die auch aus Liverpool – und offensichtlich wussten sie, was sie an Bizarre hatten. Diese präsentierten eine Demo namens Slaughter für die noch frische PSone. Seltsamer Name, aber schließlich hieß Bizarre zu diesem Zeitpunkt nicht Bizarre, sondern Raising Hell Software, der Name, unter dem man sich Ende der 80er gründete. Slaughter an sich kam an, aber weder dieser Name noch Raising Hell tauchten jemals wieder auf. Hell, Hölle, war wohl zu kontrovers, also startete man mit „Weird Concepts" und wuselte ein Weilchen mit Words Thesaurus herum, bis dieser schließlich „Bizarre Creations" auswarf. Man blieb dabei. Warum auch nicht. Ich hab auch mal eben herumgespielt, startete mit „Weird Concepts" und hätte dann „Curious Conceptions" genommen, aber „Bizarre Creations" ist wahrscheinlich doch eher verkäuflich.
Was auch immer aus Slaughter wurde, was auch immer es war, es stieß die Tür zur wahren Bestimmung von Bizarre auf. Sie bekamen den Job für Psygnosis und vielleicht auch Sonys wichtigstes Spiel des Jahres und damit ihr erstes Rennspiel: Formula One sollte den Sport auf Sonys Konsole wie bei einer TV-Übertragung präsentieren und so ging das Team, zu diesem Zeitpunkt schon sicher ein gutes Stück gewachsen, in die Vollen.
Die Detailverliebtheit kam ihnen hier zugute und rein von der Atmosphäre misste man praktisch nichts. Alles bis hin zum RTL-Sprecher saß und die Verkäufe waren stattlich – das meistverkaufte PSone-Spiel des Jahres, zumindest in Deutschland. Die ein Jahr später erscheinende 97er-Version polierte noch mal ein wenig, fügte die Cockpit-Ansicht ein und für sehr lange Jahre, teilweise bis heute, halten viele diese Version für die beste der Serie.
Vielleicht war das F1-Business den Engländern jedoch zu stressig und sie sehnten sich nach mehr Freiheiten. Vielleicht setzten sie deshalb mit MSR – Metropolis Street Racer – für SEGAs Dreamcast ihre Quest nach dem unterhaltsamsten Rennspiel fort. Ich sage hier bewusst unterhaltsamstes, denn ein Teil der Bizarre-Rennphilosophie war, dass unbedingter Realismus dem Spaß im Wege stehen kann, so wie mit einem kompletten Verzicht darauf auch niemandem geholfen ist. Das beste Beispiel dafür ist das noch junge Blur. Farb-Leuchtsymbole auf der Strecke in Verbindung mit Special Powers sind nicht realistisch, aber unterhaltsam, und trotzdem fahren sich auch dort die Autos wie Autos.