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Burnout Paradise

Vollgas-Paradies

Ein Rennen nicht sofort wiederholen zu können, hat natürlich einen entscheidenden Nachteil: Die Strecken lassen sich nicht so schnell auswendig lernen. Statt dessen muss man sich die Stadt und die Straßen einprägen. Skill setzt sich bei Burnout Paradise also aus der Beherrschung des Fahrzeugs und Ortskundigkeit zusammen. Was mich zu einem einschneidenden Erlebnis bei einer Taxifahrt in Prag Anfang der 90er führt ... Aber lassen wir das.

Nach einiger Zeit, weiß man, wo es Schnellstraßen gibt, welche Abkürzung ein paar Sekunden bringen können. Das Problem: Informationsaufnahme und -weiterverarbeitung. Unter Hochdruck. Man muss sich das so vorstellen: Der Blick ist vorwiegend geradeaus gerichtet, um nicht mit 200 Sachen in ein Haus zu rasen. Gleichzeitig hüpfen vor einem die anderen Fahrer wie Heuschrecken von einer Spur auf die andere. Immer wieder setzen sich zurückliegende Wagen mit einem kurzen Boost neben einen, bedrohlich kreischen ihre Motoren auf Hochtouren. Sie drängeln und versuchen, einen in die Leitplanke zu nageln. Dazu kreuzende Fahrzeuge und Gegenverkehr. Und alles bei Höchstgeschwindigkeit.

Zwischendrin immer wieder ein schneller Blick auf die Minimap. Wo ist das Ziel? Wer nimmt welche Route? Genau hier zahlt sich aus, Paradise City wie die eigene Westentasche zu kennen. Es ist natürlich von Vorteil, auch mal einen kleinen Umweg zu fahren, wenn man sich dadurch dem Pulk und seinen Attacken entziehen kann. Vorausgesetzt man landet dabei nicht auf einer Straße, die nach ganz woanders führt. Hilfsmittel werden hier kaum angeboten. Nur eines: Wenn am oberen Bildschirmrand die Straßenbezeichnung hektisch in eine bestimmte Richtung blinkt, dann sollte man bei der nächsten Gelegenheit auch in diese Richtung abbiegen – es ist nämlich die letzte Chance, wieder auf eine Art Ideal-Linie zu kommen.

Muscle Car gegen Reiskocher.

Ansonsten ist Burnout Paradise der Inbegriff des Purismus. Kein Tacho, keine unnötigen Displays. Es gibt natürlich einige Statistiken, die man vorwiegend beim Speichern kurz überfliegt, aber das war es dann auch schon. Das ist Teil des Gesamtkonzepts, denn Criterion will ein möglichst glaubhaftes Szenario erschaffen und da haben Unterbrechungen jedweder Art – und dazu gehören auch Ladezeiten – nichts verloren.

Herausgerissen aus dem Rennfieber wird man nur durch Zeitlupen, die nach einem spektakulären Crash automatisch eingeblendet werden – oder wenn man einen Gegner abschießt. Jedoch sind diese Wiederholungen so sehenswert, dass man eine kurze Unterbrechung gerne in Kauf nimmt. Die Karosserie deformiert sich ausgehend vom Aufprallpunkt, bis schließlich ein Klumpen Blech übrig bleibt. Dazu zerbersten Kunststoffteile, wirbeln durch die Luft und vervollständigen so das Bild der Verwüstung.

Im Anflug auf die Tankstelle. Hier kann der Booster aufgeladen werden.

Das Fahrverhalten der Wagen ist erstklassig, wie schon gesagt eine gelungene Mischung aus Realismus und Fiktion. Mit Heckantrieb lässt sich wunderbar driften und auch 180 Grad-Drehungen mit angezogener Handbremse funktionieren auf Anhieb, machen einfach Spaß. Spaß ist das vielleicht auch das treffende Wort, um diesen Komplex reduziert zusammenzufassen. Bei Burnout Paradise muss man sich fast nichts hart erarbeiten, man muss sich nicht quälen. Es macht einfach Spaß. Dass das von der ersten Minute an so ist, hat Criterion schon clever inszeniert. Es ist fast schon kriminell, welche profanen Mittel eingesetzt werden, damit der Funke bereits in den ersten Spielsekunden überspringt. Dass Axl Rose 'Paradise City' während des initialen und einzig spürbaren Ladevorgangs schmettert, ließ mich noch kalt. Doch dann stand er da. Ein 'Hunter Cavalry'. Ein fiktives Muscle Car, das ziemlich sicher eine reale Vorlage hat – auf die ich aber jetzt nicht komme; mein Verhältnis zu amerikanischen Wagen ist etwas zwiegespalten.