Castlevania: Lords of Shadow
Vom Belmont, der sein Schicksal selbst bestimmte
Bei der letzten Vorschau zu Castlevania: Lords of Shadow kam die interessante Frage auf, was eigentlich ein Castlevania-Spiel als solches definiert. Der aktuell gültige Schnellbegriff dürfte wohl "Metroidvania" oder, je nach Präferenz, "Castleroid" lauten. Eine Kombination aus spielerischen Elementen des Godfather of Action-Adventure, Super Metroid, und inhaltlichen Anlehnungen an den zuletzt extrem verwirrenden Belmont/Dracula-Clan. Verpackt in 2D.
Für mich passt das irgendwie nicht so ganz, spielte ich doch bereits ziemlich genau zehn Jahre, bevor das von mir ebenso vergötterte Symphony of the Night erschien - der Begründer der Metroidvanias -, mein erstes Castlevania. Die beiden Spiele, die die Serie ganz persönlich und bis heute definieren, sind Super Castlevania und Dracula X auf der PC-Engine. Und diese tun das nicht einmal durch spielerische Elemente – oder vielmehr: nicht nur –, sondern durch ein Gefühl für die richtige Atmosphäre des Goth-"Horror", der hier mit unglaublich viel Liebe zu Kitsch, Bela-Lugosi-Streifen und klassischen Grusel-Schmökern der vorletzten Jahrhundertwende zelebriert wurde.
Warum führe ich das so aus? Weil es schon jetzt Stimmen zu Lords of Shadow gibt, die verkünden, dass dies ja ein wirklich nettes Spiel, aber eben kein Castlevania sei. Fans klettern jetzt schon die Foren-Wände hoch, weil es eine vollständig eigene Geschichte erzählt, die praktisch in einem Paralleluniversum zu allem anderen, was es bisher gab, ablaufen könnte. Weil es sich eben nicht bemüht, in der vollkommen verrumpelten Zeitlinie der Serie noch ein Plätzchen zu suchen und sich dort zusammenzukauern, sondern den Bruch riskiert. Es will alleine stehen und trotzdem Castlevania heißen.
Darf es auch! Weil es eben dieses oben beschriebene Gefühl des Goth-Horror mit all dem Plunder, der dazugehört, seien es Vampire, Werwölfe oder Frankensteins Experimente, für sich aufpoliert und zelebriert und dabei keine Rücksicht auf die bisherigen Episoden nimmt. Ja, der Name Belmont taucht auf. Freut euch auf das Ende. Es ist wirklich ein sehr eigenständiges Spiel, was das angeht. Und ich applaudiere ihm dafür.
Das würde ich natürlich nicht tun, ordnete sich Lords of Shadow qualitativ in die mauen (Lament of Innocence) bis hochgradig unrühmlichen (Castlevania 64) 3D-Episoden ein. Solche Schmerzen bleiben einem diesmal erspart, aber nicht nur das. Lords of Shadow ist nicht weniger als der Beweis, dass Castlevania und 3D kein Widerspruch sein müssen und es dauerte auch nur etwas mehr als 11 Jahre, bis er endlich erbracht werden konnte. Dieses Spiel ist nicht nur "gut für ein 3D-Castlevania", es ist eine imposante Erinnerung daran, warum man überhaupt das Genre Action-Adventure mag.
Es beginnt beim Offensichtlichen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Dieses Spiel ist wunderschön. Eine Augenweide. Sowohl von einem technischen wie auch einem künstlerischen Standpunkt aus wurde hier alles geleistet, was man von einem modernen Videospiel nur erwarten kann. Selbst wenn es da draußen noch ein paar Games wie Red Dead Redemption gibt, die die Konsole noch ein wenig mehr auskitzeln, das hier ist für mich das aktuell schönste Spiel. Überhaupt. Na gut, Uncharted 2 ist noch schöner, aber das ist sowieso eine Ausnahme, was das angeht.
Lords of Shadow bietet eine gute Auswahl an Landschaften, von denen keine länger bleibt als man sie sehen möchte. Es beginnt ganz klassisch im Werwolf-geplagten Dorf und wandelt sich dann in eine fast traumartige Wald-Welt, in deren imposanten Ruinen die Werwölfe hausen. Weiter geht es in eine beinahe schon stilisierte karpatische Bergwelt voller messerscharfer, verschneiter Felsen, einem Dorf, das schwer an den 2004er-Van-Helsing-Streifen erinnert und ein dazu passendes, komplett überdimensioniertes gotisches Schloss unglaublichen Ausmaßes. Abgerundet durch einen Besuch bei der berühmtesten Hexe Russlands und die Welt von Tod, was will man mehr an Setpieces.
Die Schönheit dieser Landschaften ergibt sich aus der Freude zu Details wie Regen und Schnee, der auf der virtuellen Kamera auch mal eine Flocke schmelzen lässt, kombiniert mit der schieren, beinahe vermessenen Dimension der Entwürfe und erstaunlicher technischer Kompetenz. Hier ruckelt kaum etwas, beim Tearing muss man schon empfindlich sein und angesichts des Geschaffenen verblassen alle kleinen Imperfektionen wie die nicht ganz so gelungenen Augen der Akteure zu Nichtigkeiten.