Catherine
Sex! Sex! Sex!
Sex in Videospielen ist nichts Neues. Schon auf dem Atari VCS ging es bei Custers Revenge ordentlich zur Sache, bei Leisure Suit Larry drehte sich alles um die meist vergeblichen Versuche des Titelhelden, diverse Damen flachzulegen. Heute herrscht bei Dragon Age: Origins knisternde Lagerfeuer-Romantik und Grummel-Grieche Kratos unterbricht seinen psychotischen Rachefeldzug auch gelegentlich mal, um eine Runde gepflegt zu krawemsern. Doch Catherine hebt diese Thematik auf ein völlig neues Level.
Vincent ist 32 Jahre alt und ein "soshokukei", zu deutsch ein "Pflanzenfresser". Ein junger Mann, der sich selbst freiwillig aus der ewigen Jagd nach Erfolg, sowohl beruflich, als auch sexuell, ausgeklinkt hat. Er hat weder Interesse am beruflichen Aufstieg noch am Dating. Und Sex – zumindest mit anderen Menschen - kann ihm eigentlich auch gestohlen bleiben. Das ist nebenbei erwähnt keine Erfindung des Spiels, tatsächlich wird die Zahl der japanischen Männer zwischen 20 und 35, die sich für diesen Lebensstil entscheiden, größer und größer. Doch im Gegensatz zu seinen Geschlechtsgenossen hat Vincent ein Problem: Catherine.
Catherine scheint genau das Gegenteil von Vincent zu sein. Die 22-jährige Blondine ist das personifizierte Sex-Appeal und heizt Vincent richtig ein – in Worten und in Taten, wie der Trailer deutlich zeigt. Vincent ist das freilich alles andere als Geheuer: Als passiver Part in dieser Vielleicht-Beziehung – es ist nicht einmal klar, ob die eigentlich gnadenlos übersexualisierte Catherine wirklich oder nur in Vincents Unterbewusstsein existiert - kommt er mit der aggressiven Catherine kaum zurecht und stößt immer wieder an seine Grenzen. Und so ein Typ soll der Held eines Videospiels sein? Allerdings ist er das. Wo sich sonst die Macho-Kerle die Klinke in die Hand geben und immer noch ihre kleinen, verletzlichen Frauen vor anderen bösen Macho-Kerlen retten, werden bei Catherine die Geschlechterrollen komplett umgedreht.
Richtig surreal wird Catherine aber erst in den Traumsequenzen: Dort wechselt sich groteske, stets auch mal mehr und mal weniger subtil sexuell aufgeladene Symbolik mit erschreckenden Horror-Elementen und seltsamer Symbolik ab. Immer wieder muss Vincent Treppenstufen erklimmen, das dominanteste Motiv ist dabei aber das Schaf – ob nun Vincent selbst erschrocken an seinem Kopf Widderhörner entdeckt oder ob Schafe mit Krawatte vielleicht die endlosen Horden frustrierter japanischer Salary-Men darstellen.
Das Motiv ist enorm zweideutig – einerseits ist das Schaf ein Herdentier... dann wiederum steht gerade der Widder in zahlreichen Kulturen für die schiere Manneskraft und die Potenz. Aber genauso spricht schon Shakespeare vom gehörnten – also betrogenen – Liebhaber. Vincents Träume sind durch und durch mit Symbolik aufgeladen und machen dem scheinbar so harmlosen jungen Mann ziemlich zu schaffen.
Etwas so Ungewöhnliches kann ja eigentlich nur aus dem Hause Atlus kommen. Die Macher von Etrian Odyssey und den Shin-Megami-Tensei-Spielen haben sich in den letzten Jahren zu einem von Japans absoluten Avant-Garde-Studios gemausert. Während das ganze JRPG-Genre in den Händen anderer Entwickler gnadenlos stagniert, entlockt ihm Atlus immer wieder neue, spannende Aspekte, überrascht mit absolut ungewöhnlichen Settings, komplexen Spielsystemen und anspruchsvollen Thematiken.