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Chris Taylor: 'Mehr Zeit für Singleplayer'

Von Sportwagen und Schuhmachern

Nur wenigen Game Designern gelingt es, gleich mehreren Genres maßgeblich zu beeinflussen. Chris Taylor ist einer dieser Helden, die durch ihre Präsenz und ihr Ideenreichtum die Welt der Spiele aus ihren Angeln heben. Sein erstes Meisterwerk schuf er schon 1997: Das Echtzeitstrategie-Monster Total Annihilation, das mit einer herausragenden Künstlichen Intelligenz und einer revolutionären 3D-Engine Zeichen setzte.

Doch Chris Taylor ruhte sich nicht auf dem großen Erfolg aus. Statt ein Sequel nach dem anderen nachzuschiessen, gründete er 1998 ein eigenes Produktions-Studio, Gas Powered Games, mit dem er sich in das Action-Rollenspiel-Genre wagte. Gleich der erste Titel, Dungeon Siege, wurde ein voller Erfolg, glänzte mit einer einmaligen Bedienung und einer hervorragenden Story.

Wohlverdient brachten diese zwei Werke den gebürtigen Kanadaier auf den dreißigsten Platz der Gamespy-Liste der „Einflussreichsten Leute in der Spieleindustrie„. Außerdem erlangte Dungeon Siege die zweifelhafte Ehre, von Uwe Boll mit einer Filmumsetzung geehrt zu werden.

Nach dem zweiten Teil von Dungeon Siege wollte Chris Taylor die darbende Fangemeinde von Total Annihilation aber nicht länger warten lassen. Und da die Namensrechte noch immer bei seiner ehemaligen Firma Atari liegen, entstand mit Supreme Commander quasi der inoffizielle Nachfolger - noch komplexer und für Einsteiger kaum zu bewältigen. Wir sprachen mit dem Meister über seinen aktuellen Titel sowie zukünftige Pläne.

Eurogamer: Hallo Chris, Supreme Commander ist ein einmaliges Spiel. Was meinst Du, warum gab es weltweit so unterschiedliche Wertungen und Meinungen?

Chris Taylor: Eigentlich sind wir mit den Wertungen sehr zufrieden, wir bekommen fast überall hervorragende Wertungen. Meistens um die 90 Prozent.

Eurogamer: Wir haben dem Titel eine 8 von 10 gegeben. Einige andere deutsche Medien auch. Was lief hier anders?

Chris Taylor: [lacht] Warum habt Ihr denn nur eine 8 gegeben?

Eurogamer: Der träge Einstieg, die austauschbare Singleplayer-Kampagne und der langsame Aufbau-Part sind für uns nicht optimal gewesen. Bist Du denn zufrieden mit der Single-Player-Kampagne?

Chris Taylor: Naja, unsere Zielgruppe war vor allem die Multiplayer-Community. Daher haben wir uns zuerst auf die entsprechende Funktionalität konzentriert. Außerdem gab es ursprünglich kein Extra-Tutorial. Das haben wir erst später in die Kampagne eingebaut. Hätten wir damals schon gewusst, dass wir auch noch ein Video-Tutorial machen, wären wir bei der Kampagne direkt in den Kampf eingestiegen. Da wir zusätzlich auf die Kosten und die Zeit achten mussten, hatten wir uns für diesen Weg entschieden.

Eurogamer: Man merkt Supreme Commander deutlich an, dass der Titel auf die Hardcore-Zielgruppe ausgelegt ist. Wieso habt Ihr nicht versucht, das Spiel auch für Einstieger attraktiv zu gestalten?

Chris Taylor: Wir wollten die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Bei Dungeon Siege 1 haben wir zum Beispiel bewusst versucht, vor allem Gelegenheitsspieler glücklich zu machen. Wir bekamen aber ein „M Rating“ [Anm.: amerikanische Altersfreigabe; ab 17]. Wir konnten zwar trotzdem viele Exemplare an ältere Gelegenheitsspieler verkaufen, aber mit einem niedrigeren Rating wäre mehr drin gewesen.

Bei Dungeon Siege 2 haben wir es umgekehrt gemacht und versucht, das Spiel mehr auf Hardcore-Gamer zuzuschneiden. Wir verloren dadurch aber wiederum viele Gelegenheitsspieler. So machten wir den gleichen Fehler also zweimal. Genau wie zwei Leute, die in einem Gang aneinander vorbei wollen: Erst treten beide einen Schritt nach links, dann treten beide einen Schritt nach rechts, beides führt nicht zum Ziel. Deshalb haben wir uns beim Star der Entwicklung von Supreme Commander dazu entschieden, diesmal keine Kompromisse einzugehen. Wir wollten Supreme Commander für Hardcore-Strategie-Spieler machen. Wir wollten mit diesem Spiel unserer Zielgruppe genau das geben, was sie verlangten. Mit genug Geld hätten wir natürlich versucht, auch andere Zielgruppen anzusprechen. Im Prinzip ist es aber wie bei der Auto-Konstruktion. Wenn man zum Beispiel versucht, einen Sportwagen zu entwickeln und ihn dann hinterher für Familienväter umbauen möchte, ist das enorm teuer. Wenn man ein Produkt für alle Zielgruppen machen will, ist das kaum bezahlbar.

Eurogamer: Könnte man sagen, dass ein solcher Titel nur auf dem PC nicht mehr umsetzbar ist? Muss man dann auch Konsolen abdecken?

Chris Taylor: Ich möchte damit sagen, dass es keinen Schuh in der Spiele-Entwicklung gibt, für den „One Size Fits All“ gilt.

Eurogamer: Naja, aber es gibt doch einen Schuhmacher, dem so etwas gelingt…

Chris Taylor: Das ist wahr. Dieser Schuhmacher fängt mit einem „B“ an und hört mit einem „d“ auf. [Anm.: Ein Entwickler, dem es gelungen ist, acht Millionen zahlende Abonnenten für ein Online-Rollenspiel zu gewinnen].

Aber Ihr wisst schon, wie viel Zeit und Geld in diese Produkte fliessen? Man darf nicht vergessen, dass Spiele-Entwicklung etwas komplett anderes ist, als zum Beispiel eben die Herstellung von Autos. Man kann in dieser Branche die Entwicklungskosten nicht an den Konsumenten weitergeben. Hat ein Wagen einen stärkeren Motor oder eine bessere Ausstattung, dann ist er eben teurer. Das wird dort auch akzeptiert. Bei Spielen geht das aber nicht. Die kosten alle gleich viel. Nur wenn man mit höher verkauften Stückzahlen kalkuliert, kann man auch höhere Entwicklungskosten rechtfertigen. Und das ist ein enormes Risiko.

Eurogamer: Wo wir schon bei einer eingeschränkten Zielgruppe sind, warum kann man Supreme Commander nicht vernünftig auf schwächere Hardware anpassen?

Chris Taylor: Die Antwort ist einfach: Nicht die Grafikkarte ist der Flaschenhals, sondern allein der Prozessor. Nur Dual-Core-Prozessoren haben keine Probleme, mit einer solchen Masse an Einheiten und ihrer Künstlichen Intelligenz umzugehen. Außerdem haben wir die Engine für die Zukunft gebaut. Sie unterstützt schon jetzt vier oder gar acht Prozessor-Kerne. Schließlich werden wir nicht aufhören, Echtzeit-Strategiespiele zu machen. Wir fangen gerade erst an. Bei Gas Powered Games haben wir glücklicherweise die Möglichkeit, mehrere Spiele gleichzeitig zu entwickeln.

Eurogamer: Wie sieht es dann mit einem Add-On aus?

Chris Taylor: Ich kann es weder bestätigen noch kann ich widersprechen. Ich gehe davon aus, dass Ihr meine Gedanken lest und die richtigen Schlüsse zieht [grinst].

Eurogamer: Dann anders gefragt: Was würdet Ihr denn – rein theoretisch - bei einem Add-On anders machen?

Chris Taylor: [lacht] Du meinst rein hypothetisch? Da würden wir mehr Zeit in den Singleplayer investieren, weil unsere Tools nun viel ausgereifter sind und wir damit jetzt viel mehr Erfahrung haben. Zusätzlich haben wir viel Feedback von den Spielern bekommen und wissen, was sie an der alten Singleplayer-Kampagne stört. Lass es mich anders sagen: Du würdest dem Addon dann sicher eine 9 von 10 geben und keine 8.

Eurogamer: Auf jeden Fall! Doch zurück zur Zukunft. Du hast in einem Interview erwähnt, Dein nächstes Spiel soll witzig sein…

Chris Taylor: Hm, Ihr habt das Interview auch gelesen? Irgendwie scheint es jeder gelesen zu haben. Es ist schon lustig, wenn man nur ein Wort fallen lässt und man darauf festgenagelt wird.

Eurogamer: Warum nun etwas lustiges? Liegt es vielleicht daran, dass Supreme Commander so eine schwere und ernste Kost ist?

Chris Taylor: Nein, es hat überhaupt nichts mit Supreme Commander zu tun. Es liegt an mir als Individuum. Ich werde reifer und habe Kinder. Außerdem soll das Spiel nicht explizit lustig werden, sondern eben für eine jüngere Zielgruppe geeignet sein. Es wird nicht unbedingt von Humor getrieben, es soll einfach unterhalten. Ich möchte, dass die Spieler überrascht werden. So etwas gehört einfach dazu. Es ist ein wenig wie die ersten Spiele, die man in der Spielhalle gespielt hat. Zum Beispiel Space Invaders oder Pac Man. Diese Spiele hat man immer wieder gespielt, weil sie komplett neu waren, etwas komplett anderes. Über diesen Punkt sind wir nun aber schon lange hinaus. Egal wie aufwändig ein Spiel produziert wurde, es ist kaum noch von anderen zu unterscheiden. Allein der Inhalt, die Essenz des Spiels, ist das, was immer wichtiger wird. Wir spielen nicht wie früher ein Spiel immer und immer wieder, wenn es nicht auch immer wieder Überraschungen für uns parat hält. Wir wollen, dass der Titel uns jedes Mal etwas anderes gibt, wenn wir uns davor setzen. Die Spielfigur soll sich entwickeln, wie zum Beispiel bei World of Warcraft.

Eurogamer: Was ist die Motivation, ein solches Game zu machen?

Chris Taylor: Wenn ich bisher in einen Laden gegangen bin und ein Spiel nur für mich gekauft habe, gab es eine riesige Auswahl. Nun, wo ich auch Spiele für meine Kinder kaufe, gibt es nur eine kleine Auswahl von hochwertigen Spielen. Und von diesen vielleicht 50 Produkten, die für das Alter von 5 bis 13 geeignet sind, spricht die Hälfte nur Mädchen an. Und da ich vier Jungs habe, fallen diese Titel schon mal weg. So bleiben am Ende nur eine Handvoll Spiele übrig. Genau hier sehe ich die Chance, Spiele zu machen, die diese Lücke ausfüllen. Außerdem verbringe ich mit meinen 40 Jahren viel Zeit mit meinen Jungs und denke, dass ich im Herzen jung geblieben bin und genau weiß, was sie wollen. Gleichzeitig habe ich aber die ganze Erfahrung und kann ein hervorragendes Produkt auf den Markt werfen. Das ist so, wie wenn jemand von Europa in die USA kommt und etwas Besonderes kann, was es dort nicht gibt. Genau wie er, muss ich die Chance wahrnehmen und solche Games auf den Markt bringen.

Eurogamer: Über welches Genre sprechen wir dann?

Chris Taylor: Ich kann darüber wirklich nicht reden.

Eurogamer: Bei Deinem Background wird es kein Adventure sein, oder?

Chris Taylor: Es wird Abenteuer-Elemente geben, weil es eigentlich jeder Spieler liebt, Dinge zu entdecken und besondere Aufgaben zu lösen.

Eurogamer: Und es ist kein Echtzeit-Strategiespiel?

Chris Taylor: Es wird Echtzeitstrategie-Elemente geben. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Eurogamer: Da unsere Zeit nun abgelaufen ist, bedanken wir uns für das nette Gespräch und hoffen, Du bist uns nicht wegen der 8 böse.

Chris Taylor: Keine Sorge, ich bin nicht auf Rache aus. Aber man trifft sich immer zweimal [grinst].

Eurogamer: Übrigens wir haben gehört, Du hast mal als Stand Up-Comedian gearbeitet?

Chris Taylor: Ach quatsch, das war nur eine Amateurbühne und ich war total schlecht. Einmal und nie wieder!

Supreme Commander ist seit dem 16. Februar erhältlich. Ob es vielleicht für Euch interessant ist, erfahrt Ihr in unserem Testbericht.

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