Crysis 2
Aufs Wesentliche reduziert
Das daraus resultierende Spielgefühl ist wirklich einmalig. Ihr fühlt euch frei, aber nicht orientierungslos, fühlt euch stark, aber nicht übermächtig. Ihr könnt in großen Arealen euer Vorgehen selbst bestimmen, erlebt aber auch intime Auseinandersetzungen mit einer wirklich beeindruckenden Inszenierung. Dank des größtenteils wirklich hervorragenden Level-Designs und der Möglichkeit, euch an Kanten hochzuziehen, stehen euch immer verschiedene Wege offen. Die Sandboxes fallen zwar unterm Strich etwas kleiner als im Vorgänger aus, doch ihr werdet mit einstürzenden Hochhäusern und brachialen Szenarien belohnt. Kurz: Crytek hat endlich seinen Rhythmus gefunden und damit das lebende, schlagende Herz der Crysis-Serie.
Außerdem haben sie endlich meinen Wunsch nach einem Meta-Game erfüllt. Wie im Multiplayer könnt ihr euren Anzug aufrüsten und mit neuen Fähigkeiten erweitern. Die dazu notwendigen Nano-Partikel hinterlassen abgeschossene Aliens. Mit diesen verbessert ihr den Panzer-Modus, erweitert eure Sensoren oder verlängert die Zeit, die ihr unsichtbar bleiben könnt. Bis zum Ende der Kampagne könnt ihr nicht alles erwerben, ihr müsst euch also gut überlegen, wie ihr eine Situation am liebsten angeht. Die Auswirkungen sind zwar nicht dramatisch, trotzdem können sie vor allem auf den höheren, beinharten Schwierigkeitsgraden den Unterschied zwischen Tod und Leben ausmachen.
Doch zurück zur Kampagne, die euch in der ersten Hälfte ruhelos vor allem von A nach B nach C jagt. Sie zerrt euch durch zerstörte Hochhäuser, sonnendurchflutete Parks und liefert einige prächtige Panoramen. Die CryEngine 3 beweist dabei, dass sie auch auf Konsolen das Geschehen gut in Szene setzen kann.
Detaillierte Texturen, schicke Effekte und viele Details machen vor allem auf der Xbox eine erstklassige Figur. Allein auf der PS3 sorgen immer wieder Framerate-Einbrüche für nervige Slowdowns. Unser Kollege von DigitalFoundry kam in einigen Momenten gerade mal auf 15 Frames pro Sekunde. Zu wenig, um auch nur ansatzweise als flüssig durchzugehen. Für einen Shooter katastrophal.
Die PC-Version sieht da dank höherer Auflösung, Anti-Aliasing, natürlichen Schatten und knackiger Texturen eine ganze Ecke besser aus. Ohne DirectX 10 geschweige denn DirectX 11 wird aber zumindest technisch nicht ganz die Qualität des Vorgängers erreicht. Zum Glück macht Crysis 2 beim Design einen klaren Sprung nach vorne. Hier wird nicht mehr krampfhaft versucht, die Realität abzubilden, stattdessen werden durch geschickten Einsatz von Licht prächtige Polygon-Gemälde auf den Bildschirm gezaubert, die die Stimmung der untergehenden Großstadt perfekt einfangen.
Und auch bei der KI liefert sich das deutsche Studio kaum eine Blöße. Anfangs kämpft ihr über weite Strecken gegen Cell-Soldaten, die es auf euren Nano-Anzug abgesehen haben. Geschickt setzen sie auf Teamtaktiken, kreisen euch in den oft riesigen Außenarealen ein und treiben euch im Notfall mit Granaten aus eurem Versteck. Es gibt zwar seltene Aussetzer, doch unter Strich ist das Katz- und Maus-Spiel eine wahre Freude, wenn ihr es mit den doch recht simplen Feuergefechten der Konkurrenz vergleicht. Es macht einfach einen Heidenspaß, die Truppen mit dem Tarn-Modus des Anzugs in die Irre zu führen. An einer Stelle aufzutauchen, ein paar Abschüsse machen und dann erneut im Tarnmodus zu beobachten, wie die Feinde versuchen, eure letzte Position in die Zange zu nehmen.
Im weiteren Verlauf trifft euer wortloser Kämpfer dann immer häufiger auf außerirdische Fußtruppen. Krieger, die nicht ganz so geschickt agieren, dieses Manko aber durch Agilität und Panzerung ausgleichen. Besonders deren Nahkampf-Variante springt schon mal von Säule zu Säule, um sich eurem Feuer zu entziehen und Boden gutzumachen.
Außerdem gibt es im weiteren Verlauf noch schwer gepanzerte Anführer, die locker ein ganzes Magazin fressen, bevor sie klein beigeben, massive Walker, die ein wenig an die Hunter aus Halo erinnern, und gewaltige Pinger, die mit ihren EMP-Angriffen euren Anzug außer Gefecht setzen und damit für einige brutale Stellungskämpfe sorgen.
Zum Glück stellt euch Crytek das richtige Arsenal zur Verfügung, um mit dieser Horde fertig zu werden. Neben normalen Waffen samt diverser Anbauteile setzt Crysis 2 auch auf jede Menge Science-Fiction-Material. Die Gauss-Kanone aus dem Vorgänger ist ebenso mit dabei wie ein intelligenter Granatwerfer oder eine abgefahrene Mikrowellenwaffe, die Rüstungen durchdringt. Mein Favorit ist aber das schwere Maschinengewehr, das man diesmal abmontieren und mit sich herumschleppen kann. Das Ding ist nicht nur extrem durchschlagskräftig, sondern fast überall erhältlich. Ihr könnt damit zwar keine Türen aufmachen und nicht sonderlich gut klettern, doch im Notfall wird es einfach kurz weggeworfen und anschließend wieder mitgeschleppt. Für mich fast eine Art Sport, bei dem ich sehe, wie weit ich damit komme. Mein eigenes Companion-Cube-MG sozusagen.