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Crysis

'Manchmal ist es der Sound, der etwas gut aussehen lässt.'

Was haben Jon Johnson, Richard King und Mike Hopkins gemeinsam? Sie haben alle einen Oscar gewonnen und trotzdem kennt sie keine Sau. Warum? Sie sind Ton-Ingenieure. Ziemlich undankbar, wenn man bedenkt, dass die erfolgreichsten Filme einen Teil ihrer Faszination aus den Soundeffekten ziehen. Wenn in Independence Day amerikanische Wahrzeichen dem Erdboden gleichgemacht werden, dann wirkt das mit der entsprechenden Soundkulisse furchteinflößend. Ohne Ton hingegen lahm und emotionslos. Das lässt sich so fortführen. Herr der Ringe, Matrix, Der Soldat James Ryan. Eigentlich müssten die Special Effects-Preisträger in jeder ihrer Dankesreden auch die Ton-Ingenieure würdigen (und vermutlich umgekehrt auch). Sound und visuelle Effekte können einfach nicht ohne einander existieren.

Aber auch wenn man den Gesprächen von Kinogängern lauscht, dann hört man meistens „Hast Du das gesehen?“ und nicht „Hast Du das gehört?“. Und so ist es auch bei Spielen.

Wenn von einem echten „Next-Gen PC Game“ gesprochen wird, dann liegt die Trefferquote, dass von Crysis die Rede ist, bei über 99%. Dass die Grafik „Next-Gen“ ist, wurde auf vielen Messen, durch Videos und Screenshots mehrfach bewiesen. Wie sieht es aber mit dem Ton, den Soundeffekten aus? Wir bekamen Gelegenheit, dem Sound-Team hinter Crysis auf den Zahn zu fühlen.

Eurogamer: Könnt Ihr Euch kurz vorstellen?

Florian Füsslin, Junior Audio Designer.

Christian Schilling Muyshondt, Senior Audio Designer, vorherige Projekte: Die Dancemania-Serie, DanceDanceRevolution

Tomas Neumann, Audio Programmer.

Joe Zajonc, Audio Director, vorherige Projekte: ShadowOps: Red Mercury, Atlantis: Lost Empire, die Spec Ops-Serie.

Eurogamer: Bei Crysis flippen alle aus. Jeder liebt die Grafik, aber niemand erwähnt den Sound. Glaubt Ihr, dass Spieler dessen Wichtigkeit unterschätzen?

Tomas Neumann ist der Audio Programmer bei Crysis.

Tomas: Wir alle vier wissen, dass der Grafik – im Vorfeld einer Veröffentlichung wie Crysis – die höchste Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es ist natürlich einfacher, Screenshots miteinander zu vergleichen und man kann auch keinen Sound auf das Cover eines Magazins drucken. Aber die CryEngine2 und Crysis gehen in jedem Aspekt bis an die Grenzen des Machbaren. Nicht nur bei der Grafik, der Physik, dem Gameplay oder der KI. Auch beim Sound. Wir arbeiten wirklich sehr hart, um den besten und ergreifendsten Sound zu erschaffen. Schließlich macht er während des Spielens die Hälfte des Erlebnisses aus. Wir alle wollen großartige Effekte hören. Aber nicht jeder weiß, dass es manchmal der Sound ist, der etwas gut aussehen lässt! Sound funktioniert subtiler als Grafik. Also ist es auch normal, dass Spieler zunächst von der Grafik fasziniert sind.

Eurogamer: Was ist Euer Lieblings-Soundeffekt in Crysis? Und wie habt Ihr ihn hingekriegt?

Joe: Unsere Top Ten verändert sich ständig, während neue Sounds erstellt werden. Momentan sind wir sehr zufrieden mit einem „Aktivierungs-Sound“, der erklingt, wenn ein riesiges außerirdisches Artefakt ganz plötzlich beginnt zu kommunizieren. Es werden eine Menge gesampelte, metallische Sounds verwendet.

Aus einer anderen Perspektive freuen wir uns sehr, wie unsere Physik-Engine unendlich viele Sound-Kombination generiert. Zum Beispiel wenn im Spiel Sachen zusammenkrachen. Das ist irgendwie, wie ein einen Schrottplatz zum Spielen zu haben und die Stärke von zehn Männern zu besitzen.

Eurogamer: Was war der beste Soundeffekt, den Ihr jemals gehört habt? War er in einem Film oder Spiel…

Christian: Der letzte Film, der mich in Bezug auf seinen Sound wirklich beeindrucken konnte, war Krieg der Welten mit Tom Cruise. Es gibt aber keinen „besten Soundeffekt aller Zeiten“. Es hängt immer davon ab, wie die dazugehörigen Bilder unterstützt werden. Das Summen des Star Wars-Lichtschwerts ist immer noch großartig, obwohl es nun schon 30 Jahre alt ist.

Crysis – ohne einen erstklassigen Sound sicherlich nur halb so gut!

Eurogamer: Wie funktioniert eigentlich das Sound-Design? Schicken Euch die Grafiker ein Modell eines Aliens, einer Waffe oder eines Gegenstands und dann entwickelt Ihr einen passenden Sound?

Joe: Du schaust auf ein Bild, diskutierst das gewünschte Verhalten der Kreatur und den psychologischen Effekt, der mit ihr erzielt werden soll – und dann nimmst Du Deinen schlimmsten Alptraum …

Abhängig von bestimmten Handlungen im Spiel ist es übrigens möglich, Sound ineinander übergehen zu lassen. Ganz offensichtlich wird das beim Faden, je nachdem in welcher Entfernung man sich zur Klangquelle befindet. Zum Beispiel verändert sich der Sound eines Helikopters, wenn man sich ihm nähert. Das sind Sachen, die den Sound-Designern tolle Möglichkeiten eröffnen.

Euroamer: Es gab da mal so einen Bericht von der Vertonung eines Films. In einer Szene ertrank ein Mann. Der Sound-Designer fummelte an einem Schnorchel herum, der sich in einem Eimer Wasser befand. Ist das bei Eurer Arbeit ähnlich oder sind das alles Effekte aus dem Computer?

Christian: Beides! Wir nehmen selbst Sounds auf, benutzen aber auch Bibliotheken, vermischen beides, fügen Effekte hinzu und erstellen neue oder frische oder auch seltsame Sounds. Es dreht sich doch alles darum, den richtigen Klang zu finden. Ähnlichkeiten unter Klängen korrelieren nicht immer mit Ähnlichkeiten zwischen Objekten. Man muss wirklich völlig unabhängig denken.

Christian Schilling Muyshondt bekleidet den Rang des Senior Audio Designers.

Eurogamer: Welche Herausforderung ist größer: Ein Maschinengewehr realistisch klingen zu lassen oder das Geräusch einer futuristischen Alien-Waffe zu erfinden?

Florian: Das ist beides herausfordernd. Aber man geht unterschiedlich an die Sache heran. Bei einer echten Waffe hat man eine gewisse Erwartungshaltung. Wir kennen alle Filme, Dokumentationen und so. Also will man den Original-Sound beibehalten, ihm aber etwas mehr Pfeffer verleihen. Das ist wie ein neues Bild von einer alten Postkarte zu malen.

“Nicht realistische“ Sounds fangen im Kopf an. Wenn man eine sehr klare Vorstellung davon hat, wie etwas klingen soll, dann besteht die Herausforderung immer noch darin, es zu etwas zu formen, das auch von allen anderen so gehört wird. Schließlich macht es nur Spaß, eine Waffe abzufeuern, die sich auch genial anhört. Man will den Charakter der Waffe einfangen, dem Schützen ein Gefühl für seine Kraft vermitteln – und natürlich auch dem armen Kerl auf der anderen Seite. Unsere Multiplayer-Tests machen zur Zeit echt viel Spaß!

Eurogamer: Kennt Ihr Kenji Eno? Er war das Genie hinter „Warp“. Er kreierte „D2“ für den Dreamcast und machte dann ein Spiel mit dem Namen „Real Sound“. Es basierte nur auf Sound. Ohne Grafik. Verrückt oder cool?

Florian: Cool. Absolut. Es zeigt wie wichtig Sound ist. Es erinnert mich an einen Artikel über einen blinden Jungen, der wirklich gut Videospiele zocken kann. Er sagte: Wenn es genügend Sound-Feedback gibt und Interpretationsmöglichkeiten, dann kann er jedes Genre spielen. Wenn dieser Junge sagen würde ‚Ich kann Crysis spielen‘, dann haben wir einen guten Job gemacht.