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Cyberpunk: Von Blade Runner zur Human Revolution

Ein Blick auf die spielerische Seite des sanften Weltuntergangs

Cyberpunk ist ja sowas von 1985. Oder? Die Japaner werden wohl doch nicht mit Konzernen die Staaten ersetzen, die Off-World-Colonies sind nicht nähergekommen, die Nexus-6er lassen auf sich warten und wir reden keinen seltsamen, globalen Sprachmix aus zwölf verschiedenen Dialekten. Die Zukunft kam halt anders.

Kam sie, und gleichzeitig doch nicht. Die Kernelemente des Cyberpunk sind heute noch gültig und als Ansatz für Science Fiction spannend wie vor 25 Jahren. In der Regel handeln diese Geschichten von einer dystopischen, meist sehr nahen Zukunft, in der die Weltordnung, wie sie aktuell herrscht, einen gehörigen Knacks bekam und weite Teile der Gesellschaft sich entweder auf dem Weg in die Auflösung, der Schaffung einer New World Order von Konzernen oder eine ganz eigenwillige Richtung befindet.

In dieser sich auflösenden oder umbrechenden Welt finden sich dann beinahe grundsätzlich Charaktere am unteren Ende der Skala, die sich, meist unversehen und unabänderlich, im Auge eines vermeintlichen Sturmes befinden, der alles umbrechen könnte. Und nicht selten passierte am Ende eigentlich... nicht viel, zumindest an der Oberfläche.

Mit diesen Motiven brach das Genre Mitte der 80er zwar in Terrain auf, das sich nach frischem Boden anfühlte, bei genauerer Betrachtung jedoch auf bekannte Wurzeln zurückgreifen konnte. Die Dystopien der 60er und 70er im SciFi waren zwar in der Regel deutlich ferner in der Zukunft angesiedelt, nahmen letztendlich aber trotzdem einen nicht weniger anwendbaren und greifbaren aktuellen Bezug.

Was die Charaktere angeht, findet man in den Außenseitern des Film Noir der 30er bis 50er perfekte Gegenparts. Kleine Gauner und Privatdetektive finden sich plötzlich in für sie viel zu großen Geschichten wieder und versuchen bis zum Ende durchzukommen. Insoweit kombinierte der Cyberpunk – und kombiniert heute noch – alte Erfolgsrezepte mit einem verregneten Image zwischen Konzernen als optischen Grundanstrich. Noch ein paar High-Tech-Anleihen dazu, Cyberspace und kybernetische Körperaufrüstung als Optionen und fertig ist der Genrevertreter.

Man sollte meinen, dass dieses Setting sich ja auch perfekt für Videospiele eignet, aber irgendwie kam nie allzu viel und das, was dann kam, war nicht immer so richtig gut. In diesem Artikel werfe ich in freudiger Erwartung des Cyberpunk-Spiel des Jahrzehnts – und wehe, wenn nicht... –, Deus Ex: Human Revolution, mal einen Blick auf weitere Episoden der Zukunft, die bereits läuft.

Blade Runner (1985) & Neuromancer (1988)

Zwei Umsetzungen markierten den Anfang des Genres auf den Heimcomputern und sie hätten nur schwer unterschiedlicher ausfallen können. Beim Ersten muss man fair bleiben. Es war 1985, der Computer ein ZX Spectrum und BASIC im BIOS fest verankert. Keine guten Voraussetzungen für eine Umsetzung des Ridley-Scott-Klassikers.

Zumindest hielt man sich eigentlich an die Handlung. Replikanten machen die Straßen unsicher und der Blade Runner Deckard erschießt sie. Wenn sie ihn nicht erschießen. Oder Schwebeautos ihn umkarren. Aber letztlich war es das. Ein simples Action-Game, wenig Raum für Interpretationen, da hält man sich besser and die Vorlage.

Neuromancer erschein gerade mal drei Jahre später und erstaunte, da es den Roman-Stoff von William Gibson eben nicht in ein distanziertes Action-Game verwandelte. Vielmehr bekam man eine interessante Mischung aus Adventure-Elementen in den Straßen der gefährlichen Großstädte der Zukunft, vermischt mit ein paar Ballereinlagen im Cyberspace, in dem es für die Handlung nötige Informationen zu holen gab. Inhaltlich kann man Neuromancer als lose Anlehnung betrachten, die zwar Orte und einige Figuren des Romans auftauchen lässt, innerhalb dieser Welt jedoch eine den damals noch nicht so etablierten Grundgedanken des Cyberpunks angemessene, eigene Geschichte spinnt. Die Grafik, besonders die der Amiga-Version, ist nicht schlecht – für 1988 – und ich bin erstaunt, sagen zu können, dass man das Game durchaus noch schmerzfrei spielen kann. Relativ wenigstens.

A Mind Forever Voyaging (1985)

Infocom gehört zu den großen Legenden der Softwaregeschichte und dieser interaktive Roman ist einer der wichtigeren Gründe dafür. Im Gegensatz zu den hammerharten, objektbasierten Rätselspielen der Firma war Steve Meretzkys – manchem vielleicht bekannt durch Spellcasting 101, Planetfall oder Leather Goddesses of Phobos – A Mind Forever Voyaging eines der bemerkenswertesten Experimente der Spielegeschichte.

Das rein textbasierte Spiel beginnt im Jahr 2031. Die USA liegen ziemlich am Boden, der Wirtschaft geht es nicht gut und ein Plan zu Erneuerung von Staat und Gesellschaft muss her. Gar nicht so abwegig, oder? Zum Glück gibt es in dieser Zukunft einen besonders tollen Computer, der einen Satz Entscheidungen nehmen kann, die 2031 gefällt werden, und anhand dieser voraussagt, wie die Welt immer zehn Jahre später aussieht. Der Hauptcharakter, selber eine Künstliche Intelligenz, erfährt dies als Simulation hautnah, kann aber nicht sterben. Kommt es dazu, wird die Simulation einfach abgebrochen. In einer Zeitzone werden dann neue Entscheidungen getroffen und weiter geht es erneut zehn Jahre später.